Waffenexporte Deutschlands doppelte Rüstungsmoral

Die Bundesregierung lobt sich für ihre Rüstungsexportpolitik. Doch ein Großteil der Waffen geht ausgerechnet an Länder, die bald gegeneinander Krieg führen könnten.

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Leopard-2-Kampfpanzer. Quelle: dpa

Nicht alles Militärische ist auch eine Waffe. Die Ausfuhr eines U-Boot-Reliktes aus dem Zweiten Weltkrieg oder eines alten Schützenpanzers an militärhistorische Museen zum Beispiel stehen zwar in der Statistik über deutsche Rüstungsexporte. Doch solche Lieferungen sind natürlich nicht heikel. Auch Vorrichtungen zum Schutz von Fahrzeugen, die für das Kinderhilfswerk UNICEF nach Syrien verschickt werden, dürften keine Kritik auslösen.

Ein „differenzierter Blick“ lohne sich deswegen, sagte eine Sprecherin der Bundesregierung bei der Präsentation des „Berichts der Bundesrepublik über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter“. Und überhaupt: Die Bundesregierung verfolge eine „restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik“.

Blickt man auf die nackten Zahlen, scheint sich das Eigenlob zu bestätigen. Die große Koalition kommt ihrem Ziel einer restriktiven Rüstungspolitik offenbar immer näher. Deutschland exportierte in den ersten vier Monaten 2017 Rüstungsgüter im Wert von 2,42 Milliarden Euro. Das sind fast eine Milliarde Euro weniger als im Vorjahreszeitraum. Rund 46 Prozent der Exporte gingen an EU- und Nato-Länder. 2016 - in der Amtszeit des damaligen Wirtschafts- und heutigen Außenministers Sigmar Gabriel (SPD) – wurden Einzelgenehmigungen in Höhe von 6,88 Milliarden Euro bewilligt - rund eine Milliarde weniger als 2015.

Doch die Rüstungsexporte bleiben weiterhin auf hohem Niveau. Deutschland ist nach Berechnungen des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri fünftgrößter Rüstungsexporteur der Welt. Darüber hinaus enthält der Rüstungsexport-Bericht auch politischen Sprengstoff.

Deutsche Rüstungsriesen

Vor allem in Drittländer, also Nicht-Verbündete, darunter Länder mit heikler Menschenrechtslage, wurden im ersten Jahresviertel Geschäfte im Umfang von 1,31 Milliarden Euro erlaubt. Die Bundesregierung verweist zwar darauf, dass dies weniger sei als ein Jahr zuvor, als die Bundesregierung Rüstungsgüter mit einem Wert von 1,91 Milliarden Euro gewährte. Zudem sei die Summe in diesem Jahr zu fast zwei Drittel durch die Auslieferung einer weiteren Fregatte nach Algerien beeinflusst worden, teilte das Wirtschaftsministerium in Berlin mit.

Doch beim Blick in die Einzelgenehmigungen bleiben weiterhin viele Fragen offen. So lässt die Bundesregierung weiterhin Exporte in Länder zu, die Demokratie und Menschenrechte außer Acht lassen. Dazu zählen etwa Saudi-Arabien, Ägypten und Katar.

Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien

Nach Ägypten werden unter anderem "Prüfausrüstungen und Teile für Feuerleiteinrichtungen“ geliefert, außerdem „Torpedos, Flugkörper und Teile für Flugkörper“ im Wert von 128 Millionen Euro. Bereits im vergangenen Jahr exportierte Deutschland nach Ägypten ein „U-Boot, Unterwasserortungsgeräte und Teile für U-Boote, Fregatten, Korvetten, Unterwasserortungsgeräte“ für knapp 400 Millionen Euro.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) kauften allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres Rüstungsgüter im Wert von 80 Millionen Euro ein, unter anderem „Pionierpanzer und Teile für Kampfpanzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, Minenfahrzeuge.“

Saudi-Arabien kaufte in Deutschland von Januar bis April 2017 für 48 Millionen Euro unter anderem „Patrouillenboote und Teile für Minenjäger“ ein. Im vergangenen Jahr importierte Riad unter anderem „Teile für Kampfflugzeuge“ und „Kampfhubschrauber, Transportflugzeuge, Tankflugzeuge“ und „Flugzeuge“ für 530 Millionen Euro.

Brisant sind diese Exporte nicht zuletzt, weil Ägypten, Saudi-Arabien und die VAE zu dem Länder-Quartett gehören, das die diplomatischen Beziehungen zu dem Emirat Katar gekappt hat. Der Vorwurf der Länder, zu dem auch Bahrain gehört: Katar finanziere Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS). Bundesaußenminister Sigmar Gabriel warnte bereits davor, dass „die Gefahr“ bestehe, „dass aus dieser Auseinandersetzung ein Krieg werden könnte", sagte er in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Doch als wäre es eine Sache der Gerechtigkeit, scheint man sich innerhalb der Bundesregierung immerhin einig darüber zu sein, dass man die zerstrittenen Staaten im Nahen und Mittleren Osten wenigstens gleich behandeln müsste. Katar ging nämlich im vergangenen Jahr in Deutschland ebenfalls auf Einkaufstour. Das Emirat erwarb „33 Kampfpanzer Leopard 2“ und „19 Panzerhaubitzen 2000“. Der Wert: 790 Millionen Euro.

Die Bundesregierung spielt mit ihrer Rüstungsexportpolitik ein doppeltes Spiel. Sie fordert die Länder in der Krisenregion auf, an den Verhandlungstisch zu kehren. Gleichzeitig trägt sie mit ihren Genehmigungen für die Rüstungsexporte dazu bei, dass die Länder aus dem Gefühl der militärischen Stärke heraus kriegerische Auseinandersetzungen in Kauf nehmen könnten.

Theoretisch könnten die Genehmigungen für die Rüstungsexporte nachträglich einkassiert werden. Doch dafür müsste es „maßgebliche Änderungen des Exportrechts wie etwa ein Embargo“ geben, sagte eine Sprecherin der Bundesregierung. Eine drohende kriegerische Auseinandersetzung gehört offenbar nicht unbedingt dazu.

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