Wahlkampf in NRW Die Ein-Mann-Partei

Wirtschaft, Sicherheit, Bildung. Die FDP NRW hat ihre Strategie für den anstehenden Wahlkampf vorgestellt. In der „kleinen Bundestagswahl“ setzen die Liberalen alles auf eine Karte. Und die heißt Christian Lindner.

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Der Vorsitzende der FDP, Christian Lindner kandidiert als Spitzenkandidat für NRW und für den Bundestag. Quelle: dpa

Düsseldorf Das Boui Boui im Düsseldorfer Stadtteil Bilk passt zur FDP: eine alte Fabrik im industriellen Stil. Minimalistisch, modern und bodenständig. So wollen die „Freien Demokraten“, wie die liberale Partei Deutschlands sich jetzt nennt, zumindest wahrgenommen werden. Drei große Plakatwände warten unter einer weißen Plastikplane darauf enthüllt zu werden. An diesem Dienstag stellt der Partei- und Landesvorsitzende Christian Lindner gemeinsam mit seinem nordrhein-westfälischen Generalsekretär Johannes Vogel die Kampagne der FDP für den anstehenden Wahlkampf im größten Bundesland vor. Im Mai stimmt Nordrhein-Westfalen über einen neuen Landtag ab.

Und das sei immerhin eine „eine Weichenstellung bis ins nächste Jahrzehnt“, sagt Lindner. „Nicht ich, nicht die FDP steht im Mittelpunkt dieses Wahlkampfes, sondern das Land“, verkündet er leidenschaftlich. Nach anfänglichen Problemen lösen sich die Planen und enthüllen drei Plakate in schwarz-weiß Optik. Mit Christian Lindner im Mittelpunkt.

Die nächsten drei Monate richten sich alle Augen, auch die des politischen Berlins, auf Nordrhein-Westfalen. Als Bundesland mit den meisten Einwohnern, hat der Wahlausgang Signalwirkung für die Bundestagswahlen im September. Wer in NRW verliert, wird erfahrungsgemäß auch auf Bundesebene kaum besser abschneiden – und umgekehrt. Jetzt läuten die Parteien nach und nach ihren Wahlkampf ein. Für die FDP ist es die Chance auf einen Wiedereinzug in den Bundestag. Die Strategie dabei ist klar. Sie heißt Christian Lindner.

Der Parteivorsitzende wird auf deutlich mehr als 1000 Großplakaten in ganz NRW zu sehen sein. Er ist das Gesicht der FDP. Nicht nur im Rheinland, auch als Spitzenkandidat im Bund. Die Wahl im Mai wird also nicht nur ein Testlauf für die Kampagne, sondern auch für Lindner. In Umfragen liegt die NRW FDP aktuell bei sieben Prozent. Im Bund bei sechs Prozent, einen hinter den Grünen. Viele fürchten, dass der doppelt kandidierende Lindner im Wahlkampf ein Hindernis sein könnte. Die Last auf den Schultern des 39-jährigen zumindest wiegt schwer.

„Brexit, Trump, AfD. Es sind besondere Zeiten, in denen wir Politik machen“, eröffnet Lindner in Düsseldorf die Kampagnen-Vorstellung. Gerade deswegen wolle man als FDP die Themen der „vernünftigen, ungeduldigen Mitte“ in den Fokus rücken. Sprich Wirtschaft, Innere Sicherheit und Bildung.

Bildung wird neben der Inneren Sicherheit ein Kernthema aller Parteien in Nordrhein-Westfalen sein. Die Politik der Grünen Bildungsministerin Sylvia Löhrmann steht bei vielen in der Kritik. Nicht nur wegen des Turbo-G8-Abiturs, auch wegen einer schlecht umgesetzten Inklusionspolitik. An den Schulen in Nordrhein-Westfalen herrscht massiver Unmut über die Bedingungen des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nicht behinderter Kinder. Es gebe weder genügend Personal für die Inklusion, noch finde ein geregelter Erfahrungsaustausch zwischen Sonderpädagogen und Regelschullehrern statt. „Bildung wird in diesem Land nur verwaltet. Es gibt nur ideologische Vorgaben, und keine Verbesserung der Qualität“, moniert Lindner.

Natürlich gehe es auch um andere Themen, aber es sei nun einmal endlich Zeit für eine Veränderung, „weg vom Stillstand“, fordert der FDP-Spitzenkandidat. Denn „nichts tun ist Machtmissbrauch“. So gäbe es zwar einen Wandel der Wirtschaft, aber keine politische Reaktion. Es herrsche ein Vertrauensverlust in den Rechtstaat, aber die Politik ziehe keine Konsequenzen. Damit spielt Lindner auf den Fall Anis Amri an. Der Tunesier hatte kurz im Dezember einen Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt gesteuert und dabei 12 Menschen getötet.

Während Linder seine Kampagne vorstellt, beantragen FDP, CDU und Piraten im nordrhein-westfälischen Landtag einen Untersuchungsausschuss, der noch vor Ablauf der Legislatur im Mai erste Ergebnisse vorstellen soll. Amri wurde fast durchgehend von den NRW-Behörden als „islamistischer Gefährder“ geführt. Obwohl der Tunesier 14 verschiedene Identitäten nutzte, Straftaten beging, sich nach Waffen und Bomben erkundigte sowie in Salafisten-Kreisen verkehrte, konnte er nach Angaben NRW-Innenministers Ralf Jäger (SPD), aus rechtlichen Gründen zu keinem Zeitpunkt inhaftiert werden.

Auch deswegen stehen die Zeichen zurzeit auf Veränderung. In Wählerumfragen hat seit langem weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb eine Mehrheit. Eine schwierige Ausgangslage sowohl für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als auch für ihren Herausforderer Armin Laschet (CDU). Kraft regiert seit 2010 – zunächst mit einer Minderheitsregierung, seit der vorgezogenen Neuwahl 2012 mit rot-grüner Mehrheit. Rechnerisch wäre derzeit allenfalls eine große Koalition oder ein Dreier-Bündnis möglich. Die Linke könnte zwar die Rückkehr in den Landtag schaffen, allerdings gibt es kaum Schnittmengen für Rot-Rot-Grün in NRW. Eine Ampel hat FDP-Chef Lindner bereits ausgeschlossen. So oder so, man werde auch aus der Opposition heraus gute Arbeit leisten, betonte Lindner.

Für ihn beginnt ein Marathon. Bis September geht es von Termin zu Termin. Auch die Plakataufnahmen seien spontan auf einem Termin entstanden, erklärt Generalsekretär Vogel. Ehrlich sollen sie sein. Deswegen sieht man den Parteivorsitzenden auch mal mit weißen Turnschuhen. So wie er sie auch im Landtag öfter mal zum Anzug trägt. Schwarz-weiß für die Ernsthaftigkeit. Eine genaue Plakatzahl könne er noch nicht nennen, aber „es werden ab März weit über 1000 Großflächenplakate in ganz NRW hängen“. Es sei die größte Plakatkampagne, die die FDP je gemacht hat. Das Signal scheint klar: Die Freien Demokraten gehen aufs Ganze. Nicht nur mit ihrem doppelten Spitzenkandidat.

„Ist schon ein bisschen mutig mit den Augenringen, oder?“, fragt Lindner ein bisschen herausfordernd in die Runde. Dann lacht er. „Soll ja echt aussehen“. Auch Lindner weiß, was auf dem Spiel steht. Für die Partei ist 2017 ein Schicksalsjahr. Die FDP braucht den Wiedereinstieg in den Bundestag, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Nach dem Debakel der schwarz-gelben Bundesregierung stürzten die Mitgliederzahlen von 72.116 im Jahr 2009 auf inzwischen nur noch rund 53.800 Mitglieder ab. Die NRW-Wahl wird zu einer Generalprobe für Lindner, die er schlichtweg bestehen muss.

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