Wahlkampf Steinbrück fremdelt in der Wahlheimat

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"Steinbrück macht Haustür-Wahlkampf? Gut, dass wir nicht zu Hause sind"

Wie Rot-Grün die Deutschen zwangsbeglücken will
Die Grünen wollen nach der Bundestagswahl einen fleischlosen Tag in Kantinen einführen. Der Vorschlag wabert schon eine ganze Zeit lang durch die Partei und wurde schon mehrmals scharf kritisiert. So verglich beispielsweise der CDU-Politiker Josef Rickfelder im Januar 2013 den "Veggie-Day" in Kantinen und Schulen mit dem Eintopftag der Nationalsozialisten und nannte ihn eine "Gängelung der Bürger", gegen die man sich wehren müsse. Trotzdem wollen die Grünen nach der Bundestagswahl den "Veggie-Tag" einführen, an dem in Kantinen und Mensen ausschließlich vegetarisch und vegan gekocht werden soll. „Ein Veggie Day ist ein wunderbarer Tag zum Ausprobieren, wie wir uns mal ohne Fleisch und Wurst ernähren“, sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast. Mit dem Vegetariertag will die Partei den Fleischkonsum der Bundesbürger senken. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Politiker so in das Privatleben der Bürger einmischen (wollen). Quelle: dpa
Auf umweltschädliche Plastiktüten sollte nach Überlegungen in den Reihen der Grünen künftig eine Steuer von 22 Cent erhoben werden. Die Verwendung erdölbasierter Kunststoffe müsse dringend eingeschränkt werden, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Dorothea Steiner, der Bild-Zeitung. Quelle: dpa
Auch die Forderung nach einer gesetzlichen Frauenquote kommt von Rot-Grün. Mittlerweile stößt auch die CDU, allen voran Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, ins gleiche Horn. Quelle: dpa
Seit dem 01.08.2013 haben Familien einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für ein- und zweijährige Kinder. Ginge es nach dem Willen von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), müssen alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr in eine Kita gehen. Sie sprach zwar nicht ausdrücklich von einer Kita-Pflicht, sagte aber: "Bisher waren wir uns mit der CDU einig, dass Bildung schon in der Kita beginnen muss. Dann müssen wir aber auch sicherstellen, dass alle Kinder da sind, statt eine Prämie zu zahlen, damit sie fernbleiben." In der CDU stieß dieser Vorschlag auf harsche Kritik. So hatte sich beispielsweise Familienministerin Kristina Schröder echauffiert: "Wer eine Kita-Pflicht ab dem ersten Geburtstag will, muss ein ziemlich verqueres Menschenbild haben." Quelle: dpa
2012 wollten SPD und Grüne den Autofahrern an den Kragen: Sie wollten aber nicht nur Autobahnraser bremsen, auch in den Innenstädten sollte es beschaulicher zugehen. Sie forderten ein generelles Tempolimit von 30 Stundenkilometern in Städten, um die Straßen sicherer zu machen. "Mit Rot-Grün stünde ganz Deutschland auf der Bremse", schimpfte damals CDU-Politiker Hermann Gröhe. Quelle: dpa/dpaweb
Auch den steuerfreien 450-Jobs soll es nach dem Willen von Rot-Grün an den Kragen gehen. "Alle Verdienste über 100 Euro im Monat sollen steuer- und abgabenpflichtig werden, mit reduzierten Beiträgen für geringe Einkommen", fordert Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. So könne mehr Beschäftigung entstehen. "Die Leute wären besser abgesichert und könnten wieder mehr Rentenansprüche aufbauen." Für Studenten, Hausfrauen und Hartz-IV-Empfänger, die sich mit den Minijobs etwas dazu verdienen, wäre das allerdings ein Schlag ins Gesicht. Quelle: dpa
In Nordrhein-Westfahlen wollte dir rot-grüne Landesregierung die Ladenöffnungszeiten verändern: Geschäfte sollten nur noch maximal 13 mal im Jahr Sonntags geöffnet haben dürfen. Außerdem plante Rot-Grün ein Verkaufsverbot an Samstagen ab 22 Uhr. Quelle: AP

"Ich wurde vor ein paar Jahren gebeten, diesen Wahlkreis zu übernehmen. Das habe ich gemacht. Und dann macht man sich auch nicht vom Acker, wenn man mal verliert", erklärt der Sozialdemokrat. Er werde kämpfen und versuchen, sozialdemokratische Wähler zu mobilisieren. "Wir werden alles versuchen, damit Peer seinen Wahlkreis gewinnt. Natürlich ist das eine schwierige Aufgabe, aber sie macht auch Spaß", sagen Inga Krefting (18) und Johanna Steffens (18) von den Jusos. "Wir schaffen das schon", unterstreicht Steinbrück und verweist auf die Landtagswahlen im vergangenen Jahr. Da gewann die SPD alle vier Direktmandate im Wahlkreis Mettmann.

"Das war ein Ausrutscher nach unten", widerspricht CDU-Kandidatin Michaela Noll. Steinbrück solle aus der Landtagswahl von 2012 nicht zu viel Hoffnung ziehen. "Ich bin sehr zuversichtlich, wieder zu gewinnen." Im Wahlkampf laufen sich die beiden Kontrahenten kaum über den Weg. Ein gemeinsames Gespräch sagte Steinbrück kurzfristig ab. "Ich finde es schade, dass es nicht zu einer Diskussion gekommen ist", sagt Noll, die mit vielen Wahlkampfauftritten vor Ort punkten will. "Ich wohne hier und bin permanent im Gespräch mit den Bürgern." Und das kommt an, zeigt eine Spontanumfrage in der Innenstadt.

So teuer werden die Wahlversprechen der Parteien
Die Forscher des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln rechnen mit den Parteiprogrammen der Parteien ab. Sie haben sich die steuerlichen Auswirkungen der Wahlversprechen angesehen. Ein Überblick:CDU/CSU Besonders teuer kommt die Wähler die Sozialpolitik zu stehen: Hier fallen fiskalische Mehrbelastungen von 21,2 Milliarden Euro an, wovon 9,4 Milliarden Euro durch die Steuerpolitik wieder reingeholt werden. Bei Umsetzung des Programms sind also unterm Strich noch 12 Milliarden Euro über zusätzliche Abgaben einzutreiben. Deshalb wird das BIP nach fünf Jahren einen Rückstand von 0,1 Prozent aufweisen, schätzt das IW. Der Beschäftigungsstand läge knapp 100.000 Personen hinter dem Status-quo-Szenario. Quelle: dpa
SPDDie Sozialpolitik fällt bei der SPD sogar weniger ins Gewicht, als bei der Union: Hier wären es 18,2 Milliarden Euro. Zusammen mit der Steuerpolitik (40,9 Mrd.) fallen allerdings insgesamt 59,1 Milliarden Euro an, die durch zusätzliche Abgaben wieder hereingeholt werden müssen. Das BIP würde daher nach fünf Jahren um 0,7 Prozent geschrumpft sein, und der Beschäftigungsstand läge um 300.000 Menschen niedriger. Quelle: dpa
FDPEinzig das Programm der Liberalen würde sich laut IW nicht messbar auf Wachstumsprozess und Beschäftigungsstand auswirken und im Vergleich zu den anderen Parteien die geringsten Risiken bergen. Allerdings bliebe die FDP manche Konkretisierung schuldig, so die Forscher. Die Mehrausgaben in der Sozialpolitik sind mit 4 Milliarden Euro gering; durch Minderausgaben in der Steuerpolitik von 5,5 Milliarden bliebe unterm Strich eine Minderbelastung von 1,5 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Bündnis 90/Die GrünenDie Pläne von Bündnis 90/Die Grünen verursachen Mehrbelastungen von 59,7 Milliarden Euro, zusammengesetzt aus 14,2 Milliarden für Sozial- und 45,5 Milliarden Euro für Steuerpolitik. Dadurch wären wie bei der SPD 300.000 Jobs gefährdet und das BIP würde um 0,7 Prozent zurückgehen. Dabei seien die zu erwartenden negativen Investitionsanreize infolge einer Vermögensteuer und deren beschäftigungsfeindliche Wirkung noch gar nicht eingerechnet, so das IW. Quelle: dpa
Die LinkeDie höchste Mehrbelastung für die Bürger und den Staatshaushalt ergibt sich laut IW aus den Plänen der Linken mit sage und schreibe 160,8 Milliarden Euro pro Jahr. Ausschlaggebend dafür sind vor allem die Steuerpläne sowie die Rücknahme aller bisherigen Rentenreformen: denn die Einsparungen in der Sozialpolitik (-10,2 Mrd.) werden durch 171 Milliarden Euro Mehrausgaben bei der Steuerpolitik mehr als aufgefressen. Der Beschäftigtenstand würde gegenüber dem Status Quo um 800.000 sinken, das BIP würde um 1,9 Prozent einbrechen. Quelle: dpa

"Frau Noll ist hier im Kreis beliebt, Steinbrück wird es schwer haben", sagt der 68-Jährige Peter George. Der SPD-Kandidat sei zwar ehrlich, die SPD komme aber nicht so gut an. "Hier gibt es viele, die ihr eigenes Häuschen haben. Die trauen den Sozialdemokraten nicht." Das spüren auch die Genossen vor Ort. Klaus Bartel ist mit 17 Jahren in die SPD eingetreten und lebt nun schon fast drei Jahrzehnte in Mettmann. Er spricht mit seinen Nachbarn viel über Politik und hat festgestellt: "Es gibt derzeit keine Wechselstimmung." Weder für Mettmann, noch für den Bund. "Der Trend ist nicht auf unserer Seite."

So schnell will Steinbrück den Wettstreit um Mettmann aber nicht aufgeben. Am Wahlstand in der Fußgängerzone wischt er die Bedenken beiseite. Unter Gerhard Schröder hätten bis zu zehn Millionen Menschen mehr die SPD gewählt, als bei der letzten Bundestagswahl 2009. "Es gibt genug potenzielle SPD-Wähler, gerade in NRW. Ich bin hier, um sie zu mobilisieren", sagt Steinbrück und bricht zu Hausbesuchen auf. Die Presse darf nicht mit. Der SPD-Kandidat ahnt offenbar, was kommt.

"Der Steinbrück macht Haustür-Wahlkampf? Gut, dass wir nicht zu Hause sind", sagen Rotraut und Manfred Wolter. Es sind nicht die Einzigen, die sich von Steinbrück abgewandt haben. "Die Menschen fühlen sich doch nicht unwohl unter der Führung von Angela Merkel, es geht ihnen gut. Und finanziell wäre Rot-Grün das größere Übel", sagt ein Passant. Nach Steinbrück gefragt, mutmaßt er: "Vielleicht ist er als Spitzenkandidat ungeeignet."

In seiner alten Rolle könne er sich den Bundesfinanzminister a.D. durchaus noch einmal vorstellen. Allein, daran hat dieser kein Interesse. 

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