Ohne die "Wesselmänner" könnte der Wahlkampf gar nicht beginnen. Die mobilen Großflächen, auf denen die Parteien auf Verkehrsinseln und Grünstreifen in ganz Deutschland werben, sind nach der Bochumer Firma Wesselmann Wahlkampfwerbung GmbH benannt. Die Grünen haben 2200 Stück bestellt, die SPD 8000, die CDU noch mehr. Zur Bundestagswahl sind die 3,70 mal 2,90 Meter großen Aufsteller unverzichtbar.
Wie sehr die Parteien auf die Wesselmänner angewiesen sind, beschreibt die Wahlkampfforscherin Christina Holtz-Bacha von der Universität Erlangen. "Durch die Wesselmänner merken die Wähler erst, dass der Wahlkampf begonnen hat." Grund dafür sei die "traumhafte Reichweite". Mehr als 80 Prozent der Wahlberechtigten erreichen die Plakate. Damit seien sie neben Wahlkampfspots im Fernsehen und politischen Nachrichten die wichtigste Quelle zur Meinungsbildung der Wähler, sagt Holtz-Bacha.
Die Parteien achten auf Diskretion
Wenn die Wähler die Bemühungen der Parteien zum ersten Mal wahrnehmen, hat die Arbeit von Geschäftsführer Michael Wesselmann und seinen 800 Mitarbeitern schon längst begonnen. "Wenn der Wähler zur Urne geht, sind wir schon zwölf Monate im Stress", sagt der Sohn des Unternehmensgründers Hans-Bernd Wesselmann. 30000 Holztafeln stellen seine Mitarbeiter deutschlandweit auf, an Ausfallstraßen, Verkehrsinseln: "Hauptsache, sie werden gesehen." Durchschnittlich zehn Tage hängt jedes Plakat, drei Mal pro Wahlkampf werden die Motive ausgewechselt.
Mit den Landtagswahlen in Hessen und Bayern und der Bundestagswahl, die fast zeitgleich stattfinden, hat der Marktführer für großformatige Wahlplakate alle Hände voll zu tun. Wie abhängig seine Firma von den Wahlterminen ist, zeigte sich zuletzt 2007. Im ganzen Jahr fand nur die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft statt. "Das war ein mageres Jahr", sagt Wesselmann. "Das ist aber ganz normal im Saisongeschäft."
Im Wahlkampf gehören fast alle großen Parteien zu seinen Kunden. Nur zur Partei Die Linke habe sich bislang kein Kontakt ergeben, sagt Wesselmann. Davon abgesehen arbeite er aus Prinzip nicht mit rechtsradikalen Parteien zusammen. Mehr Informationen zu seinen Kunden gibt er nicht. Indiskretion würden ihm seine Kunden im Wahlkampf nicht verzeihen.
15 Prozent der Aufsteller werden verwüstet
Welchen Einfluss die Plakate auf die Wahlentscheidung haben, ist umstritten. Einige Wähler scheinen sie jedoch so stark zu provozieren, dass bei jedem Einsatz rund 15 Prozent der "Wesselmänner" Vandalismus zum Opfer fallen. Dass die Plakate der Parteien überklebt werden, sei da noch verhältnismäßig harmlos, sagt Wesselmann. Einige Tafeln würden schlicht geklaut, andere in Brand gesteckt. "Das ist ein erheblicher finanzieller Schaden." Dementsprechend arbeiteten seine Mitarbeiter nicht nur daran, die Holztafeln zu verteilen und wieder einzusammeln. Die Plakatständer müssen häufig repariert und neu verleimt werden.
Seit den 60er Jahren plakatieren die Wesselmänner für deutsche Parteien im Wahlkampf. Vater Wesselmann fuhr damals in seinem BMW Dixi, in dem er selbst kurz zuvor geheiratet hatte, mit einem CDU-Logo auf der Tür hinter dem Auto von Konrad Adenauer her. Seit dessen Tod vor drei Jahren leitet sein Sohn das Unternehmen.
Penible Dokumentation
Nach einem Wahlkampf haben Wesselmann und seine Mitarbeiter "mehr als einmal mit ganz Deutschland telefoniert", sagt der Geschäftsführer. Jede Kommune und teilweise sogar jedes Dorf erteile die Genehmigungen zum Plakatieren unabhängig voneinander. Hat das Unternehmen die Erlaubnis loszulegen, geht es an die Standortsuche. In Datenbanken dokumentieren die Wesselmänner penibel, welche Orte infrage kommen. So dokumentierten Wesselmanns Mitarbeiter zum Beispiel, ob ein Baum, neben dem ein Aufsteller im letzten Jahr noch Platz hatte, so groß geworden ist, dass der Standort wegfällt.
Auch wenn Plakatwerbung in Zeiten sozialer Netzwerke unmodern erscheint - eine Bedrohung für die Wesselmänner ist das Internet auf absehbare Zeit nicht. Wahlkampfforscherin Holtz-Bacha sieht den Vorteil der Plakate darin, dass kaum ein Wähler an ihnen vorbeikommt - "trotz langweiliger Motive".