Wahlprogramm von CDU und CSU Wen die Union wie überzeugen will

Im Bundestagswahlprogramm versprechen CDU und CSU Vollbeschäftigung bis 2025. Bei einem anderen Thema bleiben die Widersprüche zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer bestehen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: AP

„Blindes Vertrauen“ bringe er Kanzlerin Angela Merkel entgegen. Als der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef so dick aufträgt und munter allen vergangenen Streit vergessen machen will, steht Merkel mal wieder mit Pokergesicht da. Dann schiebt sie hinterher. Naja, blindes Vertrauen. Es sei aber nicht so, dass sie und Seehofer unterwegs seien wie ein blindes Huhn, das eben auch mal ein Korn findet.

An diesem Montagmittag ist bei der Union jedenfalls Harmonie angesagt. Als letzte der größeren Parteien stellt sie ihr Programm zur Bundestagswahl im September vor. „Wohlstand und Sicherheit“ versprechen CDU und CSU.

Neben Konservativen zielt die Union mit ihrem Wahlprogramm auf zwei weitere Gruppen: die Familien und die wirtschaftlich Liberalen. Bei denen sehen CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer offensichtlich Nachholbedarf - nach der Grenzöffnung für Flüchtlinge, wegen des schwindenden Sicherheitsgefühls vieler Menschen, nach allerlei sozialdemokratischen Gesetzen in der schwarz-roten Bundesregierung sowie einer chronischen Großstadtschwäche und bei jüngeren Familien.

Überhaupt die Flüchtlinge. Die kommen eher am Rande vor, als Angela Merkel von einem Marshall-Plan für Afrika und über die Bekämpfung der Fluchtursachen spricht. Als die Frage nach einer von der CSU geforderten Obergrenze für Geflüchtete aufkommt, einigen sich beide Parteichefs drauf, dass sich eine Situation wie 2015/16 nicht wiederholen dürfe.

Einzelne Punkte aus dem Wahlprogramm

Damals kamen rund eine Million Menschen nach Deutschland. Seehofer spricht davon, dass er die Obergrenze eben in den Bayernplan packen wolle. Das ist ein Parallelprogramm der CSU für alles, was im gemeinsamen Plan mit der CDU nicht aufgenommen wurde. Merkel erwidert nur trocken, dass ihre Meinung zur Obergrenze bekannt sei. Sie hält sie für nicht umsetzbar. „Wir wollen nun aber erst einmal die Bundestagswahl gewinnen“, sind sich beide wieder einig.

Wenn es um Wahlen und die Aussicht aufs Regieren geht, sind CDU und CSU aber recht diszipliniert.

Die Union legt diesmal mehr vor als vor der vergangenen Wahl. Damals blieb nur die Aussage Merkels hängen: „Sie kennen mich.“ Die Kanzlerin war Programm, daneben blieben nur zwei andere Punkte. Keine Steuererhöhungen und keine neuen Schulden.

Allerdings fügen sich die vollmundigeren Versprechen auch 2017 nicht zu einem Eindruck, wohin eine von Kanzlerin Merkel geführte Regierung das Land in vier Jahren führen will.

Die Digitalisierung begleiten und deren Chancen nutzen? Ein bisschen. Die wachsende Vielfalt in der Gesellschaft verbinden – samt Alterung und Zuwanderung? Gut versteckt. Ein größeres Ganzes wird kaum sichtbar. Klar wird allerdings, dass die Versprechen einige Milliarden kosten und wohl nur bei guter Wirtschaft umzusetzen sind. Nebenbei kündigt die Union vieles an, wofür sie die Länder braucht – etwa bei den Polizisten oder der Bildung.

Auf diese Gruppen zielt das Programm

Die Konservativen sollen mit dem Versprechen für mehr Sicherheit gebunden werden. 15.000 neue Polizisten sollen her. Das Ziel wird bekräftigt, bald zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Das Plus soll aber mit höheren Ausgaben für Entwicklungshilfe verknüpft sein. Auch die Forderung nach einer Leitkultur dürfte prominentes Thema im Wahlkampf werden.

Für Familien will die Union viel Geld ausgeben. Der Kinderfreibetrag (bisher 7356 Euro) soll in zwei Schritten bis zum Grundfreibetrag für Erwachsene (derzeit 8820 Euro) angehoben werden. Zugleich soll das Kindergeld um 25 Euro erhöht werden. Fürs erste und zweite Kind werden zurzeit 192 Euro pro Monat gezahlt, fürs dritte Kind 198 Euro. Ab Kind Nummer vier gibt es 223 Euro. Das Ehegattensplitting soll bleiben. Kinderrechte sollen ins Grundgesetz.
Junge Familien sollen beim Eigenheimbau durch ein üppiges Baukindergeld gefördert werden. Beim Kauf einer ersten selbstgenutzten Immobilie soll außerdem ein Freibetrag auf die Grunderwerbsteuer gelten.

Unionswahlprogramm ist unseriös, ungerecht und unverantwortlich

Auch das Versprechen von 1,5 Millionen neuer Wohnungen in vier Jahren zielt auf Familien, die sich bei der Wohnungssuche in größeren Städten immer schwerer tun. Statt knapp 400.000 neuer Wohnungen werden zurzeit nur knapp 280.000 im Jahr fertig gestellt. Das ist allerdings schon mehr als in jüngster Vergangenheit. Steuerabschreibungen sollen aus Unionssicht den Neubau fördern und dieser wiederum die steigenden Mieten in den Ballungsgebieten stoppen.
Etwas aus dem Rahmen fällt, dass CDU und CSU einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Kinder im Grundschulalter versprechen. Traditionell tritt eher die SPD mit solchen Wünschen an.

Wirtschaftsliberalen bietet die Union Steuerentlastungen. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll künftig erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro greifen (bisher 54.000 Euro). Der Solidaritätszuschlag soll bis 2030 abgebaut werden. Dieser Steuerzuschlag ursprünglich für den Aufbau Ost dürfte allerdings vor dem Bundesverfassungsgericht ohnehin nicht mehr lange Bestand haben. Dennoch will die Union einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen.

Schließlich versprechen Merkel und Seehofer, die Arbeitslosenquote von zurzeit 5,5 Prozent auf unter drei Prozent zu drücken. Das ist die Definition von Vollbeschäftigung. Kleiner Haken: Vollbeschäftigung soll es ab 2025 geben, weit nach der nächsten Bundestagswahl und dann, wenn ohnehin geburtenstärkere ältere Jahrgänge in Rente gehen. Dann dürften eher Lehrlingsmangel und Fachkräftelücken eine Rolle spielen. CDU und CSU treten deshalb für die Schaffung eines „Fachkräftezuwanderungsgesetzes“ ein. Auf Nachfrage entpuppt sich dieses Gesetz als etwas, was der heutigen Rechtslage stark ähnelt: Wer von außerhalb der EU kommt, muss erst einen Job und ein ausreichendes Einkommen nachweisen, ehe er oder sie bleiben darf.

Schließlich will die Union einen Staatsminister für Digitalisierung und die Experten zum Thema in einem Nationalen Rat zur Digitalisierung um sich scharen. An den Schulen soll die Digitalisierung einziehen. Dort sollen flächendeckend Computer und WLAN bereitgestellt werden. Ländliche Regionen sollen durch die Digitalisierung wieder bessere Infrastruktur bekommen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%