Schon der Begriff klingt nach völliger Ahnungslosigkeit: Naive Prognose. Gemeint ist damit nichts weiter als das vergangene Wahlergebnis, das als Prognose für die bevorstehende Wahl verwendet wird. Unter Meinungsforschern ist der Vergleich mit dieser Prognose gerade wegen ihrer Einfachheit gefürchtet. Denn wer schlechter als die naive Prognose abschneidet, der kann seine Forschung eigentlich gleich einstellen.
Auch wenn keines der deutschen Forschungsinstitute so schwach abschneidet, dass man diesen Rat erteilen müsste, ist der Vergleich erhellend. Er zeigt, wie wenig die Umfrage ein paar Monate vor dem tatsächlichen Wahltermin mit dem tatsächlichen Wahlausgang zu tun haben – und wie schlecht die Institute auf Extremszenarien vorbereitet sind. Um über die Qualität der deutschen Umfrageinstitute zu urteilen, haben wir ihre Umfragen seit Mitte der Neunzigerjahre miteinander und mit dem tatsächlichen Ergebnis verglichen. Der Vergleich dient zum einen als Grundlage für die Gewichtung, mit der wir unseren Mittelwert errechnen, zum anderen ergibt sich eine Leistungsschau der Institute Allensbach, TNS Emnid, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen, GMS und Infratest dimap.
Der wohl wichtigste Vergleich ist der zwischen der letzten Umfrage vor jeder Wahl mit dem Ergebnis. Denn hier können die Umfragen als Prognosen interpretiert werden: Das tatsächliche Ergebnis sollte demnach in 95 Prozent der Fälle innerhalb des vorhergesagten Intervalls liegen – vorausgesetzt, der Zufallsfehler ist die einzige Fehlerquelle. Bei den Sonntagsfragen in den Monaten vor der Wahl ist der Anspruch bescheidener, hier soll lediglich die Stimmung im Lande wiedergegeben werden.