Die Bedeutung des Konfidenzintervalls zeigt, dass es eigentlich eine ganz andere Größe gibt, die im Prognosegeschäft interessant ist - die in Deutschland bisher aber keine Rolle spielt: die Wahrscheinlichkeit. Deshalb stellen wir Umfragen erstmals in Form von Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Koalitionsoptionen dar, eine Form die bisher völlig unüblich ist.
Dabei hat sie gerade in Verhältniswahlsystemen wie dem deutschen viel Charme: Welchen Leser interessiert schon wirklich, ob die SPD 26, 28, oder 30 Prozent holt? Am Ende wollen alle wissen, wer regieren kann. Deshalb berechnen wir auf Basis der wöchentlichen Master-Projektion Koalitionswahrscheinlichkeiten für alle theoretisch denkbaren und halbwegs wahrscheinlichen Varianten. Grün-Gelb fällt aus Gründen der mikroskopisch geringen statistischen Wahrscheinlichkeit weg, schwarz-dunkelrot aufgrund der inhaltlichen Distanz (politische Wahrscheinlichkeit).
In inhaltlichen Fragen werden wir ansonsten aber großzügig sein: Auch eine Ampelkoalition kommt nach den Aussagen der Parteien derzeit politisch nicht in Frage, sie ist aber nicht so abstrus, dass die Wahrscheinlichkeit nicht trotzdem interessant wäre.
Mithilfe der Wahrscheinlichkeiten und der Analyse verschiedenster Daten aus der Vergangenheit über Wählerverhalten und Einstellungen zu inhaltlichen Themen wollen wir diese Kolumne außerdem dafür nutzen, im Laufe des Wahlkampfs statistische Phänomene zu erklären und aktuelle Entwicklungen richtig einzuschätzen.
Werfen wir zum Schluss einen kurzen Blick auf die aktuellen Wahrscheinlichkeiten. Dass eine große Koalition und auch eine – von den beteiligten Parteien nicht angestrebte – schwarz-grüne Koalition mit einer Mehrheit rechnen könnten, wenn bereits am Sonntag Bundestagswahl wäre, dürfte nicht allzu sehr überraschen. Interessant ist vor allem, dass die Chancen im Moment sowohl für eine rot-grüne als auch für eine schwarz-gelbe Mehrheit gering sind. In der nächsten Kolumne werden wir allerdings zeigen, wie viel sich bis zur Wahl noch ändern kann und wie schnell sich die Wahrscheinlichkeiten für die Koalitionen verändern können.