Das Ergebnis ist durchaus überraschend. Die konstanteste Rate weist ausgerechnet die SPD auf, die bei den vergangenen Wahlen so große Verluste hinnehmen musste. Zwischen der höchsten und niedrigsten Rate liegen bei ihr gerade einmal 11 Punkte, bei den anderen Parteien sind es zwischen 21 (CSU) und 69 (Grüne).
Wenn man sich auf die Jahre seit der Wiedervereinigung konzentriert, sind die Werte aller Volksparteien aber nicht nur vergleichsweise gering, sondern auch relativ konstant. Die Werte der kleinen Parteien schwanken deutlich stärker, wenngleich hier zwei Sondereffekte zu beachten sind:
Die Linke bestand direkt nach der Wiedervereinigung (damals noch als PDS) vor allem aus den Nachfolgemitgliedern der SED. Ihre Mitgliederzahlen verringerten sich daher in den Folgejahren sehr deutlich, deshalb können erst die Werte ab 1998 für einen Vergleich herangezogen werden.
Umgekehrt bei der FDP: Im Freiheitsrausch nach dem Mauerfall verzeichnete die Partei einen massiven Mitgliederzuwachs (1987:64.000; 1990: 168.000), viele der Neumitglieder wendeten sich jedoch schnell wieder von der Partei ab. Zumindest der Wert von 1990, vielleicht auch das von 1994 ist daher ebenfalls als historischer Sonderfall zu betrachten.
Trotz dieser Sondereffekte bleibt eine erstaunlich große Schwankung der Mobilisierungsraten, die zudem in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Dies dürfte ein Abbild des sich wandelnden Wahlverhaltens sein. Der Kern der langfristig festgelegten Wähler stagniert, die Zahl der wechselbereiten Wähler wird größer. Für kleine Parteien liegt das Potenzial heute zwischen dem 25-fachen und dem hundertfachen der Mitgliederzahl. Am Beispiel der FDP: Mit vergleichbarer Mitgliederzahl (ca.70.000) hat die Partei 1998 nur drei Millionen und 2009 mehr als sechs Millionen Stimmen geholt.
Bei den großen Parteien ist das Mobilisierungspotenzial hingegen nicht so groß. Als die SPD 1998 und 2005 rund 26 Mal so viele Wähler holte, wie sie Mitglieder hatte, waren das historische Ausnahmen. Bei ihrem deutlichen Wahlsieg 2009 kam die CDU nur auf das 23-fache. Für die großen Parteien ist deshalb eine intakte Parteibasis deutlich wichtiger als für die kleinen Programmparteien.
Das Problem der SPD ist deshalb auch weniger eines mit den Wählern als mit den Mitgliedern: Traditionell besonders stark im Lebensumfeld ihrer Anhänger verhaftet, schmerzt die Partei der Mitgliederschwund stärker als andere. Der Partei ist dabei in den letzten Jahren offenbar das Geschäftsmodell abhandengekommen.
Denn den Konkurrenten ist es entweder gelungen, ihre Mitgliederzahlen auf einem vertretbaren Niveau zu stabilisieren (CDU, CSU) oder vermehrt Stimmen von Nicht-Mitgliedern zu bekommen (Linke, FDP, Grüne). Letzteres macht die Wahlergebnisse zwar besonders volatil, sorgt im Mittel aber für einen Aufwärtstrend.
Die SPD jedoch ist in einer Zwischenrolle gefangen. Ihre Mitgliederzahl ist inzwischen zu gering, um mit den in der Vergangenheit üblichen Mobilisierungsraten vertretbare Ergebnisse zu erzielen. Die Wechselwähler im linken Lager zu überzeugen ist bei den vergangenen Wahlen aber n den Grünen und der Linken besser gelungen.