Wahlsager

Genauer hinsehen als die Demoskopen

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Sieg und Niederlage

Wer bietet was?
Foto: Angela Merkel Quelle: AP
Foto: FDP-Fähnchen Quelle: dpa
Schriftzug SPD Quelle: dpa
Logo Bündnis 90 Die Grünen Quelle: dpa

Bei den Sonntagsfragen kann das natürlich keiner überprüfen, weil nächsten Sonntag keine Wahl stattfindet, spätestens bei der Wahl aber wird sich der Wert dieser Aussage erweisen. Aus zwei Gründen könnte dieser Erfolg dennoch nicht eintreten. Erstens: Eine einzelne Umfrage kann immer besser abschneiden als der Mittelwert, man weiß allerdings vorher nie ob das der Fall ist und die Umfrage welchen Instituts das sein wird - deshalb sollte der gewichtete Mittelwert meistens besser abschneiden. Zweitens: Sollten alle Umfragen eine gleichartige Fehlerquelle in sich bergen, von der wir nichts wissen, würden auch wir diesem Fehler unterliegen. Wir sollten der schnellste in der Herde sein, aber wenn die ganze Herde falschliegt, dann stürzen wir mit ins Elend.

Wir wollen aber nicht nur mehr aus den Daten der Institute machen, wir wollen auch ehrlich sagen, wo die Grenzen von Umfragen liegen. Denn an dieser Stelle lassen die Institute zu, dass ihre Werte zu wörtlich genommen werden. Sie veröffentlichen ihre Ergebnisse als sogenannte Punktschätzungen, zum Beispiel: CDU 38,5 Prozent. Klar, das lässt sich besser verkaufen, doch ihre Daten geben das gar nicht her. Wie alle Statistiker unterliegen auch die Meinungsforscher einer Reihe von Fehlerquellen und insbesondere dem Zufallsfehler. Will heißen: Wenn man ein und dieselbe Untersuchung mehrmals durchführt, wird nicht in allen Fällen exakt das gleiche herauskommen. Vielmehr streuen die Ergebnisse rund um einen mittleren Schätzwert. Wir werden deshalb die sogenannten Konfidenzintervalle mit veröffentlichen. Das sieht dann zwar nicht mehr so schön eindeutig aus, bei einem mittleren Schätzwert von beispielsweise 4,5 Prozent für die FDP sind Aussagen wie "FDP schafft es nicht mehr ins Parlament" dann nur noch sehr eingeschränkt möglich. Dafür lassen die Intervalle eine zutreffende Aussage zu: "Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent würde das Wahlergebnis der FDP momentan zwischen 3,1 und 5,9 Prozent liegen." Die meisten Institute geben zwar Fehlermargen an, in den Medienberichten über Umfrageergebnisse spielen diese aber meistens keine oder nur eine untergeordnete Rolle.

Wahlversprechen, und was daraus wurde
1988: „Eins ist sicher: die Rente“ (CDU) Noch im Sommer forderte Bundessozialministerin Ursula von der Leyen, eine Zuschussrente einzuführen. Das soll die Armut im Alter verhindern, die viele Deutsche fürchten. Denn die staatliche Rente allein reicht längst nicht mehr. Schon 2001 führte die Bundesregierung mit der Riester-Rente eine zusätzliche Vorsorge-Möglichkeit ein. 1988 klangen noch andere Töne: Einen abgesicherten Lebensabend versprach damals CDU-Sozialminister Norbert Blüm im Wahlkampf. Mit dem Spruch „Eins ist sicher: die Rente“ hatte die CDU für sich geworben. Quelle: AP
1990: CDU will Aufbau Ost aus der Porto-Kasse zahlen„Blühende Landschaften“ versprach Kanzler Helmut Kohl 1990 in den neuen Bundesländern. Dafür hatte er vor der Bundestagswahl ausgeschlossen und wollte die Wiedervereinigung „aus der Portokasse“ finanzieren. Stattdessen kam der Solidaritätszuschlag. Dieser sollte aber nicht lange bleiben. 1996 versprach Kohl: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“ Heute gibt es ihn immer noch. Quelle: dapd
2005: SPD schließt eine höhere Mehrwertsteuer ausFranz Müntefering fand es 2005 als Vizekanzler „unfair“, dass die Regierung „an dem gemessen wird, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist“. Seine SPD hatte im damaligen Wahlkampf gesagt, dass es mit ihre keine höhere Mehrwertsteuer geben würde. Die CDU hatte sich für eine Erhöhung um zwei Prozentpunkte eingesetzt. Schließlich wurden es drei Prozentpunkte – mit der SPD als Koalitionspartner. Quelle: dpa/dpaweb
2005: CDU will erst raus aus dem Atomausstieg - und dann doch nichtSchon im Wahlkampf 2005 stellt die CDU den unter der SPD beschlossenen Atomausstieg in Frage. Raus aus dem Ausstieg wagt sie sich jedoch erst 2010 in einer Koalition mit der FDP. Lange fest hält sie daran nicht. Kanzlerin Angela Merkel änderte ihre Haltung ein knappes Jahr später nach der Atom-Katastrophe von Fukushima. Im Juni 2011 beschlossen Bundestag und Bundesrat, die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke und das Kraftwerk Krümmel sofort stillzulegen sind. Die restlichen deutschen Kernkraftwerke sollen bis 2022 abgeschaltet werden. Quelle: AP
2008: Hessens SPD will erst ohne, dann mit der LinkenRoland Koch als hessischen Ministerpräsidenten zu Fall bringen: Das war 2008 das Ziel von SPD-Spitzenkandiidatin Andrea Ypsilanti im hessischen Wahlkampf. Dafür wollte sie sogar ihr Wahlversprechen brechen, keine Koalition mit der Linken einzugehen. „Wir werden uns nicht einmal von ihr tolerieren lassen. Auch nach dem Wahlabend nicht, garantiert!“ Das waren Ypsilantis Worte vor der Wahl gewesen. Als sie sich nach der Wahl doch von der Linken tolerieren lassen wollte, ließ sie nach heftigem Widerstand von ihrem Vorhaben ab und trat zurück. Quelle: dpa
2009: CDU und FDP wollten das Kindergeld auf 200 Euro erhöhen200 Euro Kindergeld versprach die FDP vor der Bundestagswahl 2009. Die Koalition mit der CDU einigte sich sogar auf diese Erhöhung – geschehen ist seit dem nichts: Der Kindergeld-Satz liegt derzeit bei 184 Euro für das erste und zweite Kind, sowie 190 Euro für das dritte Kind. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung von November 2012 können Eltern immerhin auf eine Erhöhung von zwei Euro bis spätestens 2014 rechnen. Quelle: AP
2009: CDU will Eingangssteuersatz senkenZum Jahresbeginn2013 dürfen sich die Steuerzahler über eine Erleichterungen freuen. Der Grundfreibetrag steigt ab jetzt schrittweise bis 2014 von 8.004 auf 8.354 Euro. Der Eingangssteuersatz bleibt jedoch gleich. Dabei hatte die CDU im Wahlkampf 2009 versprochen, ihn in zwei Schritten von 14 auf zwölf Prozent zu senken. Quelle: dpa

Die vermeintlichen Punktschätzungen fallen den Instituten immer dann auf die Füße, wenn die Wahl besonders knapp verläuft. Durch die Punktschätzungen vermitteln sie den Eindruck, eine Aussage über Sieg und Niederlage treffen zu können. Auch wenn sie im Sinne des Konfidenzintervalls am Ende des Wahlabends völlig richtig liegen, haben sie dann scheinbar auf das falsche Pferd gesetzt. Bestes Beispiel dafür war die jüngste Niedersachsen-Wahl: Selbst nach den ersten Hochrechnungen war noch unklar, wer gewinnen würde. Wie soll da eine Umfrage zehn Tage vorher richtig liegen?

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