„Wem gehört die Welt?“ Lehrstunde in Kapitalismus

In diesen Tagen, wo die Welt nach der US-Wahl politisch neu vermessen wird, kommt ein Buch auf den Markt, dass ein nicht minder brisantes Thema in den Blick nimmt: die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus.

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Hans-Jürgen Jakobs, Senior Editor des Handelsblatts (l.) und Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bei der Vorstellung des Buchs „Wem gehört die Welt?“. (Foto: HB)

Berlin Seit Donald Trump zum neuen US-Präsidenten gewählt wurde, macht sich der Rest der Welt ausschweifende Gedanken darüber, was sich denn nun alles ändert. Dass nun ein Milliardär und Geschäftsmann die Geschicke der Weltmacht USA lenken wird, hat viele in eine Art Schockzustand versetzt. Kaum jemand vermag eine Prognose zu stellen, was diese Wahl für das Weltgeschehen bedeutet. Zumal sich viele politische Fragen plötzlich ganz neu stellen – und damit verbunden die wohl alles entscheidende Frage nach den Auswirkungen für die Weltwirtschaft.

Eine nicht sehr euphorische Antwort gibt der frühere Handelsblatt-Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs. Zwar gebe es zu wenige Fakten, um Trump beurteilen zu können, sagt er. Aber mit seinem „verschachtelten Imperium“ habe es der Unternehmer sehr weit gebracht. So weit, dass er jetzt Präsident der Vereinigten Staaten ist und in dieser Rolle wohl, so die Prognose von Jakobs, mit den Regeln der Finanzmärkte nicht brechen wird. Im Gegenteil: „Ich glaube, es wird ein Liebesverhältnis, weil die Banken seine politischen Projekte finanzieren sollen.“

Der Analyse des Wirtschaftsjournalisten, der auch schon für den „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ tätig war, hören knapp 100 Zuhörer aufmerksam zu. Sie sind in die Berliner Bundespressekonferenz gekommen, weil der studierte Volkswirt heute sein neues Buch vorstellt. Ein fulminantes Werk, dass nicht die Politik zum Thema hat. Aber wunderbar zu den jüngsten Entwicklungen in den USA und die Debatte um Trump passt. Jakobs hat die Strippenzieher des Weltfinanzwesens in den Blick genommen. Mit „Wem gehört die Welt?“ (Knaus Verlag) hat er nicht nur eine spannende Frage gestellt, er hat in seinem großen Report dann auch kenntnisreiche und in ihrer zahlenträchtigen Detailschärfe auch äußerst beeindruckende und zugleich beängstigende Antworten geliefert.

Auf 680 Seiten beschreibt Jakobs unter Mitwirkung von 20 Auslandskorrespondenten und 30 Fachredakteuren des Handelsblatts sowie der Hilfe von Mitarbeitern des von Bert Rürup geleiteten Handelsblatt Research Instituts, wer die zentralen Felder der Weltwirtschaft dominiert und welche Geldmassen dabei im Spiel sind. Die Politik, so scheint es, spielt in dem Werk eine Nebenrolle. In Wahrheit ist sie aber geforderter denn je. In einer Zeit, in der Trump zum US-Präsident gewählt werde, die Briten sich für den Brexit entschieden und populistische Tendenzen in Europa zunähmen, sei es „höchste Zeit“, so Jakobs, „soziale Verpflichtungen von Eigentum und Kapital nicht nur einzufordern, sondern zu garantieren“.

Die Schwierigkeiten, vor der die Politik in dieser Hinsicht steht, klingen in der Diskussion zum Buch an. So stellt Wolfgang Herles, der Moderator der Runde mit Jakobs und Steffen Kampeter, dem Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und ehemalige Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, die naheliegende Frage, ob Trump als Präsident womöglich die Marionette von Larry Fink sein wird.

Vergegenwärtigt man sich, welches Gewicht der CEO und Chairman des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock hat, zeigt sich schnell, dass die von Herles gestellte Frage einen ernsten Hintergrund hat. Denn es geht bei all dem, was das Buch auf sehr eindrucksvolle Weise darstellt, nur zu einem geringen Teil um politische Macht.

Vielmehr bekommt man, wenn man sich durch die fast 700 Seiten Porträts und Analyse gekämpft hat, eine Ahnung davon, welchen Einfluss Akteure wie Fink inzwischen schon haben. Nicht umsonst wird der Manager im Buch als der „der unerklärte Präsident der Weltfinanzgemeinde, der Oberste der Ober-Kapitalisten, der Gesetze und Geschicke des Kapitalismus mehr bestimmt als viele andere“ beschrieben. Das lässt sich auch als Anspielung darauf verstehen, dass die Politik solchen mächtigen Finanzjongleuren nur wenig entgegenzusetzen hat.

Im Fall von Blackrock wird schon beim Blick auf eine Zahl deutlich, mit welcher ökonomischen Macht man es hier zu tun hat: 4,9 Billionen Dollar (30. Juni 2016) bringt das Unternehmen in die Weltwirtschaft ein. So viel Vermögen wird dort verwaltet. Und noch eine Zahl ist interessant, die Jakobs in seinem Buch zutage fördert: 47 Billionen US-Dollar. Das ist der Betrag, mit dem die 200 mächtigsten Vermögensverwalter, Fondsmanager, Scheichs, Oligarchen und Familien spekulieren und investieren.


„Wir brauchen jetzt keinen irrsinnigen Nationalismus“

Das ist nicht nur Larry Fink, sondern auch Stephen Schwarzman (Blackstone), Abdullah bin Mohammed bin Saud Al-Thani (Qatar Investment) und viele andere. Mit ihren billionenschweren Fonds legen sie mehr Geld an als Deutschland erwirtschaftet. „Sie dominieren längst die zentralen Felder der Weltwirtschaft und konzentrieren Geld und Einfluss wie nie zuvor“, resümiert Jakobs.

Steffen Kampeter, der das Buch wegen seiner Opulenz nicht in Gänze gelesen, aber „schlaglichtartig“ überflogen hat, sieht die Lage nicht ganz so düster. Er nimmt die zahlreichen Vermögensverwalter, Fondsmanager, Scheichs, Oligarchen und Familien, die Jakobs in seinem Buch näher und auch sehr kritisch unter die Lupe genommen hat, sogar ein Stück weit in Schutz.

„Warum sind Asset-Manager so erfolgreich?“, fragt er. Und schiebt kurz und knapp hinterher: „Weil sie gut sind.“ Deswegen halte er auch nichts von überzogener Kritik. „Ein Bashing einzelner Akteure finde ich wenig überzeugend.“ Denn die Frage, wer den Blackrock-Chef Fink kontrolliere, beantworte sich am Ende selbst. „Wenn er nicht gut performed, dann ziehen die Kunden ihr Geld ab.“

Gleichwohl lobt Kampeter, dass Jakobs mit dem Buch eine „sehr kluge und streitbare Analyse“ vorgelegt habe. Jakobs sei „im positiven Sinne ein Aufklärer“, weil er Personen und Strukturen vorstelle, die viele so noch nicht gekannt hätten. Am stärksten findet er die Passagen, in denen Jakobs das Problem der Schattenbanken analysiert. „Bei der Regulierung von Schattenbanken müssen wir richtig Gas geben“, stimmt Kampeter Jakobs zu. Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete hofft, dass man im kommenden Jahr bei dem Thema weiterkommt, wenn Deutschland den Vorsitz der G20-Staaten hat.

Andererseits fürchtet Kampeter aber auch, dass die Regulierungsfrage von der immer lauter werdenden „Rhetorik von Populisten“ überlagert werden und Schattenbanken schnell wieder von der politischen Tagesordnung verschwinden könnten. Bei diesem Punkt ist sich Kampeter mit Jakobs einig.

„Die Mini-Trumps stehen in Europa bereit“, warnt denn auch der Ex-Handelsblatt-Chefredakteur. Was Jakobs sorgt, ist, dass Leute wie Marine Le Pen oder Frauke Petry deutlich an Rückhalt gewinnen könnten, wenn sich an der globalen Umverteilung von „unten nach oben“, an dem ungezügelten Wachstum und der ungeregelten Gier nach Rendite nichts ändert. Die mächtigsten Akteure des Weltfinanzwesens sind für ihn inzwischen „zur größten Bedrohung für unser aller Wohlstand geworden“.

Die Antwort Europas auf diese Entwicklung müsste aus Jakobs‘ Sicht lauten, näher zusammenzurücken. Das gelinge aber nur, wenn die nationalen Regierungen und die Bürger mitspielten. Derzeit aber, räumt Jakobs ein, habe es den Anschein, als würden die „Renationalisierungs-Strategien bestimmter Staaten“ immer stärker zum Tragen kommen. Kampeter pflichtet dem bei. „Was wir jetzt brauchen, ist eine Stärkung der europäischen Institutionen und keinen irrsinnigen Nationalismus.“ Ob die Warnungen erhört werden, wird sich schon bald zeigen – bei den anstehenden Wahlen im kommenden Jahr.

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