Das Selbstbewusstsein der katholischen Kirche kennt keine Grenzen. Kaum wendet sich das erzkatholische Land Irland der Moderne zu und stimmt für die Gleichberechtigung der Menschen bei der Ehe, da bezeichnet es die Kirche als "Niederlage für die Menschheit". Nicht als "Niederlage für die katholische Kirche". Nein, die Kirche spricht für alle, egal welchen Glaubens.
Und das ist das Selbstvertrauen, das sich viele Gegner der Ehe für alle leisten: Ich will etwas nicht, deshalb dürfen es andere auch nicht. Zackbumm.
Wie einfältig und gesellschaftsfeindlich diese Sichtweise ist, merkt man, wenn man dieses Denkmuster auf andere Situationen überträgt. Im Internet kursiert ein Spruch:
"Wenn Homosexuelle nicht heiraten dürfen, weil es deiner Religion widerspricht, dann darfst du auch keine Kekse essen. Denn ich bin gerade auf Diät."
Und zu Recht ist den Grünen ihr Veggie-Day im Bundestagswahlkampf um die Ohren geflogen. Motto: Ich mag kein Fleisch. Also iss du auch keins. Solch eine Bevormundung kommt bei vielen einfach nicht gut an.
Es gibt ein Land, da dürfen Autos nur noch weiß sein. Echt! Denn die Lieblingsfarbe des Präsidenten ist weiß. In Turkmenistan ist das. Autos in dunklen Farben wird die Inspektion verweigert. Der Import schwarzer Autos ist verboten. Das Argument von Präsident Berdimuhamedow ist letztlich das der Homo-Ehen-Gegner: ICH mag es nicht anders.
Was ging für ein Aufschrei durch Deutschland, als die selbsternannte Scharia-Polizei durch Wuppertal latschte und mitteleuropäisch sozialisierte Frauen ungefragt dafür rügte, zu aufreizend gekleidet zu sein. Der Aufschrei kam zurecht! Legt man die Homoehen-Gegner-Maßstäbe an, ist die Scharia-Polizei allerdings fein raus. Sie hat genauso versucht, anderen ihre Moralvorstellungen aufzustülpen. Ja, es stimmt: Mit dieser Moralvorstellung war die Scharia-Polizei in der Minderheit. Ihre Sicht entsprach nicht den Werten der Mehrheit und musste deshalb zurückstecken, wie es in der Demokratie üblich ist.
Das Gleiche gilt allerdings auch für die Homo-Ehen-Gegner. Sie sind nach Umfragen in Deutschland seit langem eindeutig in der Minderheit.
Also, wie hält man da als Diskriminierungs-Befürworter rhetorisch am besten noch die Fahne hoch? Dass man es irgendwie befremdlich, abstoßend, eklig findet, wenn sich zwei Männer im Standesamt küssen, kann man als Politiker ja schlecht öffentlich sagen. Selbst im bayrischen Bierzelt sind ja heute immer Leute mit Handykamera. Also muss man es verklausuliert formulieren. Aber wie?
Mittlerweile hat sich herumgesprochen: Das Kinder-haben-es-bei-zwei-Mamas-oder-zwei-Papas-schlechter-Argument lässt sich nicht durch eine einzige Studie belegen.
Nächstes Argument: "Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben bei der Formulierung der Grundrechte bei der Ehe an Mann und Frau gedacht." Stimmt, die haben damals, Ende der Vierzigerjahre noch nicht an gleichgeschlechtige Ehen gedacht. Das war damals irgendwie nicht so wirklich Thema. Aber wer will denn eine Verfassung haben, die eine Gesellschaft darin behindert, sich zu mehr Freiheit, Gleichheit und gesellschaftlichen Frieden zu entwickeln? Ich bin mir sicher: So ein Grundgesetz haben seine Väter und Mütter nicht gewollt. Denn das wäre schädlich für Deutschland.
Eine moderne Verfassung macht den Wandel einer Gesellschaft mit. Das tut das Grundgesetz schon die ganze Zeit. Und da muss weder das Wort schwul, noch das Wort Smartphone, Internet, Energiewende oder Griechenlandkrise drinstehen.
Ein unbehagliches Bauchgefühl als Entscheidungsgrundlage
Und noch ein Argument fliegt schon auf den zweiten Blick auseinander: "Die Ehe ist zum Kinderkriegen da." Was, wenn aus der Ehe keine Kinder hervorgehen und die Frau in die Wechseljahre kommt? Konsequenterweise müsste die Ehe dann wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgelöst werden. Aber das ist natürlich Unsinn. Genauso wie alles, was rauskommt, wenn man zu Ende denkt, was Gegner der Ehe für alle (wie die bekanntlich verheiratete, kinderlose Bundeskanzlerin) als Argumente anführen.
Fakt ist: Deutschland hat seit Neustem die geringste Geburtenrate der Welt. Das mit dem klassischen Papa-Mama-Kind klappt also irgendwie nicht.
Deshalb gilt zum Glück immerhin: Auch einer Frau und einem Mann, die zusammen keine leiblichen Kinder kriegen können und sich für die Adoption eines Kindes entscheiden, steht selbstverständlich die Ehe offen. Gleichgeschlechtlichen Paaren verbietet man aber die Adoption und bemängelt dann, ihre Ehe würde nicht dem Schutz der Familie dienen.
Und jetzt neu: Das Kramp-Karrenbauer-Szenario. Sinngemäß: Wenn wir in Deutschland die Ehe für gleichgeschlechtlich Liebende erlauben, was kommt als nächstes? Die Ehe zu dritt oder zwischen Verwandten? Das Wo-kommen-wir-denn-da-hin-Argument. Das einfachste von allen.
Mit diesem Argument kann man, ohne nachzudenken, alles kaputt machen. Probieren Sie es mal. Die Zerstörungskraft ist faszinierend:
1. Wenn wir das Rauchen in Kneipen verbieten, dann wird als nächstes wohl noch das Biertrinken verboten.
2. Wenn wir Cannabis erlauben, dann wird als nächstes bestimmt auch Ecstasy erlaubt.
3. Wenn wir weiter die Homo-Ehe verbieten, dann werden bestimmt bald wie in Russland heute Schwule und Lesben ins Gefängnis gesteckt, wenn sie sich öffentlich küssen.
So einfach geht das.
Das Schlimme daran, dass die Ehe in Deutschland nicht für alle offen ist, ist diese Irrationalität. Das unbehagliche Bauchgefühl Heterosexueller als Entscheidungsgrundlage. Ein Land, das für sich die Führungsrolle in Europa in Anspruch nimmt, leistet sich eine Regierung, die gegen die Mehrheitsmeinung im Volk Menschen diskriminiert, ohne ein einziges vernünftiges oder gar menschenfreundliches Argument anführen zu können. Und dafür stützen sich die C-Parteien im Zweifel auch auf die katholische Kirche. Mit der achselzuckenden SPD als Steigbügelhalter.
Mahnt der Papst zum Frieden, exportiert Deutschland mit dem OK der Regierung munter weiter Waffen. Trotz Mahnungen der Kirche zum Flüchtlingsdrama im Nahen Osten und im Mittelmeer leiden weiter Millionen von Menschen. Aber ausrechnet in Sachen Sexualität und Partnerschaft, also ausgerechnet bei dem Thema, aus dem sich die Oberen der katholischen Kirche freiwillig persönlich komplett rausgezogen haben und folglich null Expertise vorzuweisen haben, ausgerechnet dort orientiert die Bundesregierung sich an deren Haltung.
Keine vernünftigen Argumente im Köcher aber dann sein persönliches Weltbild gegen den Willen der breiten Masse zum Gesetz erheben. Und dann auch noch gegen Leute, die keinem Menschen mit ihrem Lebensmodell schaden. Kommen hier solche Allüren aber aus anderen Kulturkreisen, springt die Union im Dreieck und ruft: Abendland-Kultur geht vor!
Dann lasst das Abendland doch auch strahlendes Vorbild sein. Die große Mehrheit der Deutschen wäre dafür. Bestes Argument: Nächstenliebe. Das sticht doch alles. Seid einfach endlich mal entspannt.
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