Werner knallhart

Homo-Ehe: "Was droht uns als nächstes?"

Die Feinde der Homo-Ehe haben ein Problem: Für ihre Ablehnung der Gleichberechtigung gibt es keine rationalen Argumente. Deshalb kommen ab jetzt die frechsten rhetorischen Tricks zum Einsatz.

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Homosexuelle Ampelmännchen Quelle: dpa

Das Selbstbewusstsein der katholischen Kirche kennt keine Grenzen. Kaum wendet sich das erzkatholische Land Irland der Moderne zu und stimmt für die Gleichberechtigung der Menschen bei der Ehe, da bezeichnet es die Kirche als "Niederlage für die Menschheit". Nicht als "Niederlage für die katholische Kirche". Nein, die Kirche spricht für alle, egal welchen Glaubens.

Und das ist das Selbstvertrauen, das sich viele Gegner der Ehe für alle leisten: Ich will etwas nicht, deshalb dürfen es andere auch nicht. Zackbumm.

Wie einfältig und gesellschaftsfeindlich diese Sichtweise ist, merkt man, wenn man dieses Denkmuster auf andere Situationen überträgt. Im Internet kursiert ein Spruch:

"Wenn Homosexuelle nicht heiraten dürfen, weil es deiner Religion widerspricht, dann darfst du auch keine Kekse essen. Denn ich bin gerade auf Diät."

Diese Länder befürworten die Homo-Ehe
Beim Referendum zur Homo-Ehe hat in dem erzkatholischen Irland am Samstag eine klare Mehrheit für die Gleichstellung homosexueller Paare gestimmt Quelle: AP
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann (r) und sein Lebensgefährte trauen sich in Stuttgart. Doch eine wirkliche Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren ist Homosexuellen in Deutschland verwehrt. Die seit 2001 bestehende eingetragene Lebenspartnerschaft gibt homosexuellen Paaren in einigen Bereichen ähnliche Rechte wie Heterosexuellen, nicht jedoch bei der Steuer und der Adoption. Leibliche und angenommene Kinder eines Partners kann zwar der andere adoptieren, eine Adoption als Paar ist aber nicht möglich. Deutsche Politiker fordern jetzt, Deutschland solle nachziehen. Quelle: dpa
Demonstrationen, die Erfolg brachten: Die Homo-Ehe ist in Frankreich seit Mai 2013 erlaubt. Zuvor galt die seit 1999 eingeführte Lebenspartnerschaft, die Gleichstellung in bestimmten Steuer- oder sozialen Fragen, nicht aber bei Erbschaften und Adoption gewährte. Quelle: dpa
England und Wales stimmten im Juli 2013 für die Einführung der Homo-Ehe, Schottland folgte im Februar 2014. Zuvor gab es eine „bürgerliche Partnerschaft“, die seit 2005 Gleichstellung bei Adoption, Erbschaft, Arbeit und Rente gewährte. Quelle: dpa
Homosexuelle Paare haben praktisch dieselben Rechte wie Heterosexuelle. Die Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen ist dort seit 2003 erlaubt, die Adoption von Kindern seit 2006. Quelle: dpa
Die Homo-Ehe ist seit Juli 2005 eingeführt. Auch die Adoption durch homosexuelle Paare, ob verheiratet oder nicht, ist erlaubt. Quelle: dpa
In Portugal sind Homo-Ehen seit Juni 2010 erlaubt, Adoptionen durch Homosexuelle weiterhin unzulässig. Quelle: dpa

Und zu Recht ist den Grünen ihr Veggie-Day im Bundestagswahlkampf um die Ohren geflogen. Motto: Ich mag kein Fleisch. Also iss du auch keins. Solch eine Bevormundung kommt bei vielen einfach nicht gut an.

Es gibt ein Land, da dürfen Autos nur noch weiß sein. Echt! Denn die Lieblingsfarbe des Präsidenten ist weiß. In Turkmenistan ist das. Autos in dunklen Farben wird die Inspektion verweigert. Der Import schwarzer Autos ist verboten. Das Argument von Präsident Berdimuhamedow ist letztlich das der Homo-Ehen-Gegner: ICH mag es nicht anders.

Was ging für ein Aufschrei durch Deutschland, als die selbsternannte Scharia-Polizei durch Wuppertal latschte und mitteleuropäisch sozialisierte Frauen ungefragt dafür rügte, zu aufreizend gekleidet zu sein. Der Aufschrei kam zurecht! Legt man die Homoehen-Gegner-Maßstäbe an, ist die Scharia-Polizei allerdings fein raus. Sie hat genauso versucht, anderen ihre Moralvorstellungen aufzustülpen. Ja, es stimmt: Mit dieser Moralvorstellung war die Scharia-Polizei in der Minderheit. Ihre Sicht entsprach nicht den Werten der Mehrheit und musste deshalb zurückstecken, wie es in der Demokratie üblich ist.

Das Gleiche gilt allerdings auch für die Homo-Ehen-Gegner. Sie sind nach Umfragen in Deutschland seit langem eindeutig in der Minderheit.

Also, wie hält man da als Diskriminierungs-Befürworter rhetorisch am besten noch die Fahne hoch? Dass man es irgendwie befremdlich, abstoßend, eklig findet, wenn sich zwei Männer im Standesamt küssen, kann man als Politiker ja schlecht öffentlich sagen. Selbst im bayrischen Bierzelt sind ja heute immer Leute mit Handykamera. Also muss man es verklausuliert formulieren. Aber wie?

Mittlerweile hat sich herumgesprochen: Das Kinder-haben-es-bei-zwei-Mamas-oder-zwei-Papas-schlechter-Argument lässt sich nicht durch eine einzige Studie belegen.

Nächstes Argument: "Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben bei der Formulierung der Grundrechte bei der Ehe an Mann und Frau gedacht." Stimmt, die haben damals, Ende der Vierzigerjahre noch nicht an gleichgeschlechtige Ehen gedacht. Das war damals irgendwie nicht so wirklich Thema. Aber wer will denn eine Verfassung haben, die eine Gesellschaft darin behindert, sich zu mehr Freiheit, Gleichheit und gesellschaftlichen Frieden zu entwickeln? Ich bin mir sicher: So ein Grundgesetz haben seine Väter und Mütter nicht gewollt. Denn das wäre schädlich für Deutschland.

Eine moderne Verfassung macht den Wandel einer Gesellschaft mit. Das tut das Grundgesetz schon die ganze Zeit. Und da muss weder das Wort schwul, noch das Wort Smartphone, Internet, Energiewende oder Griechenlandkrise drinstehen.

Ein unbehagliches Bauchgefühl als Entscheidungsgrundlage

Und noch ein Argument fliegt schon auf den zweiten Blick auseinander: "Die Ehe ist zum Kinderkriegen da." Was, wenn aus der Ehe keine Kinder hervorgehen und die Frau in die Wechseljahre kommt? Konsequenterweise müsste die Ehe dann wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgelöst werden. Aber das ist natürlich Unsinn. Genauso wie alles, was rauskommt, wenn man zu Ende denkt, was Gegner der Ehe für alle (wie die bekanntlich verheiratete, kinderlose Bundeskanzlerin) als Argumente anführen.

Fakt ist: Deutschland hat seit Neustem die geringste Geburtenrate der Welt. Das mit dem klassischen Papa-Mama-Kind klappt also irgendwie nicht.

Deshalb gilt zum Glück immerhin: Auch einer Frau und einem Mann, die zusammen keine leiblichen Kinder kriegen können und sich für die Adoption eines Kindes entscheiden, steht selbstverständlich die Ehe offen. Gleichgeschlechtlichen Paaren verbietet man aber die Adoption und bemängelt dann, ihre Ehe würde nicht dem Schutz der Familie dienen.

Die populärsten Irrtümer über die Liebe
Eine Frau zerreißt ihr Hochzeitsfoto Quelle: dpa
Liebe auf den ersten BlickGerade im Frühling spannt Amor seinen Bogen und zielt auf Männlein und Weiblein. Trifft er, entflammen die Herzen der Getroffenen und sie leben ab da glücklich bis an ihr Lebensende. So zumindest der Volksmund. Alles Blödsinn, sagt dagegen die Wissenschaft. Die Liebe auf den ersten Blick ist eine Erfindung Hollywoods, schreibt Christian Thiel, Autor des Buches „Wieso Frauen immer Sex wollen und Männer immer Kopfschmerzen haben “. Das, was wir für Liebe auf den ersten Blick halten, ist nur eine Mischung aus erotischer Anziehung und dem schönen Gefühl, begehrt zu werden. Es handelt sich also um Erotik auf den ersten Blick. Quelle: obs
Sozialer aufstieg durch Heirat Quelle: dpa
Immer mehr Singles Quelle: dpa
Rollenverteilung beim FlirtenBeim Flirten oder der Partnersuche ist der Mann der Jäger und die Frau das Wild, das es zu erlegen gilt, so zumindest die landläufige Meinung. Dabei wählen Männer ihre Beute nicht aus, sie werden ausgewählt, wie Paarberater und Buchautor Christian Thiel schreibt. Frauen werben um Männer mit nonverbalen Signalen und machen so den ersten Schritt: Sie schauen ihn an, lächeln ihm zu und signalisieren ihm somit, dass er sie ansprechen darf beziehungsweise soll. Folgt er der Aufforderung, macht er damit den zweiten Schritt. Quelle: dpa
Schönheit ist Trumpf Quelle: dpa
Beziehungen sind harte ArbeitHat man sich dann endlich gefunden, bleibt die Beziehung nur bestehen, wenn man viel harte Arbeit investiert. Beziehungsarbeit eben. Sie besteht aus quälend langen Beziehungsgesprächen, die der Partnerschaft gut tun sollen. Single- und Partnerschaftsberater Thiel hält davon gar nichts. Statt stundenlang darüber zu diskutieren, wie die Partnerschaft besser zu machen ist, sollten sich Partner lieber miteinander beschäftigen und die gemeinsame Zeit miteinander genießen. Eine Stunde kuscheln macht nämlich glücklicher als vier Stunden diskutieren. Und glückliche Partner bleiben auch länger zusammen. Quelle: Fotolia

Und jetzt neu: Das Kramp-Karrenbauer-Szenario. Sinngemäß: Wenn wir in Deutschland die Ehe für gleichgeschlechtlich Liebende erlauben, was kommt als nächstes? Die Ehe zu dritt oder zwischen Verwandten? Das Wo-kommen-wir-denn-da-hin-Argument. Das einfachste von allen.

Mit diesem Argument kann man, ohne nachzudenken, alles kaputt machen. Probieren Sie es mal. Die Zerstörungskraft ist faszinierend:

1. Wenn wir das Rauchen in Kneipen verbieten, dann wird als nächstes wohl noch das Biertrinken verboten.

2. Wenn wir Cannabis erlauben, dann wird als nächstes bestimmt auch Ecstasy erlaubt.

3. Wenn wir weiter die Homo-Ehe verbieten, dann werden bestimmt bald wie in Russland heute Schwule und Lesben ins Gefängnis gesteckt, wenn sie sich öffentlich küssen.

So einfach geht das.

Verliebt, verlobt, versteuert
Wer den diesjährigen Valentinstag zu einem Heiratsantrag nutzen möchte, sollte wissen, dass schon mit dem Heiratsversprechen – also der Verlobung – wichtige Rechtsfolgen eintreten. Ein so genanntes Verlöbnis ist ein Vertrag, in dem die Verlobten sich verpflichten, später eine gemeinsame Ehe einzugehen. Diese gegenseitige Verpflichtung ist allerdings nicht einklagbar, erklärt der Bund der Steuerzahler (BdSt) beantwortet die wichtigsten Fragen. Um einen Vertrag wirksam schließen zu können, müssen die Verlobungswilligen geschäftsfähig sein. Wer etwa stark betrunken ist, also unter einer „vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit“ leidet, kann sich nicht wirksam verloben. Quelle: dpa
Bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen schaut das Finanzamt oft ganz genau hin. Zu den nahen Angehörigen gehören neben Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern auch Verlobte. Damit die geschlossenen Verträge vom Finanzamt anerkannt werden, müssen sie wirksam geschlossen und denen unter Fremden geschlossenen Verträgen entsprechen. Das heißt: Die Vereinbarungen müssen dem entsprechen, was üblicherweise auch mit einem anderen Vertragspartner vereinbart wird. Verlobte sollten also vorsichtig sein, wenn sie mit dem Partner ein Arbeitsverhältnis eingehen, einen Mietvertrag aufsetzen oder ihm ein Darlehen gewähren. Quelle: dpa
In der Regel gelten Verlobungsgeschenke als Schenkung mit aufschiebender Bedingung. Somit wird die Schenkung erst wirksam, wenn die Ehe geschlossen wird. Folglich greift bei großzügigen Verlobungsgeschenken die Steuerpflicht erst nach der Eheschließung, und Verlobungsgeschenke mit einem Wert von bis zu 500.000 Euro bleiben steuerfrei. Quelle: AP
Sollten es sich die beiden Partner anders überlegen und ihre Verlobung auflösen, gilt dieser Freibetrag aber nicht. In diesem Fall gilt lediglich ein Freibetrag von 20.000 Euro. Vorweg ausgehändigte Geschenke müssen dann entweder zurückgegeben oder die Schenkung versteuert werden. Der über den Freibetrag hinausgehende steuerpflichtige Erwerb wird mit einem Mindeststeuersatz von 30 Prozent bemessen. Bei kostspieligen Geschenken sollten Verlobte an die geltenden Freibeträge im Schenkungsteuerrecht denken, um Steuernachzahlungen zu vermeiden, empfiehlt der Bund der Steuerzahler. Quelle: dpa
Vor dem Gesetz gelten Verlobte als Angehörige und haben im Steuerrecht ein Auskunfts- und Eidesverweigerungsrecht. Daher ist es möglich, im Besteuerungs- und Ermittlungsverfahren sowie bei Betriebsprüfungen, die den Partner betreffen, die Aussage zu verweigern. Quelle: dpa-dpaweb
Für Eheleute und eingetragene Lebenspartner gelten im Steuerrecht bestimmte Sonderregelungen. Begründet ist diese Sonderstellung darin, dass die Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft eine gleichberechtigte Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft sind, in der die Partner gemeinsam zum Haushaltseinkommen beitragen. Quelle: dpa
In Deutschland haben Ehepaare die Wahl, ob sie ihr Einkommen individuell oder gemeinsam versteuern. Erzielen die Eheleute unterschiedlich hohe zu versteuernde Einkommen, ist in der Regel die Zusammenveranlagung mit dem Splitting-Verfahren die für sie beste Variante. Das Splitting trägt der Tatsache Rechnung, dass verheiratete Paare über das gleiche Haushaltseinkommen verfügen und damit auch gleich viel Einkommensteuer zahlen – unabhängig davon, wie viel jeder Partner zum Einkommen beiträgt. Entscheiden sich die Partner dafür, zusammen veranlagt zu werden, kann das Finanzamt dann auch beide in die Pflicht nehmen, die Einkommensteuer zu zahlen. Quelle: dpa

Das Schlimme daran, dass die Ehe in Deutschland nicht für alle offen ist, ist diese Irrationalität. Das unbehagliche Bauchgefühl Heterosexueller als Entscheidungsgrundlage. Ein Land, das für sich die Führungsrolle in Europa in Anspruch nimmt, leistet sich eine Regierung, die gegen die Mehrheitsmeinung im Volk Menschen diskriminiert, ohne ein einziges vernünftiges oder gar menschenfreundliches Argument anführen zu können. Und dafür stützen sich die C-Parteien im Zweifel auch auf die katholische Kirche. Mit der achselzuckenden SPD als Steigbügelhalter.

Mahnt der Papst zum Frieden, exportiert Deutschland mit dem OK der Regierung munter weiter Waffen. Trotz Mahnungen der Kirche zum Flüchtlingsdrama im Nahen Osten und im Mittelmeer leiden weiter Millionen von Menschen. Aber ausrechnet in Sachen Sexualität und Partnerschaft, also ausgerechnet bei dem Thema, aus dem sich die Oberen der katholischen Kirche freiwillig persönlich komplett rausgezogen haben und folglich null Expertise vorzuweisen haben, ausgerechnet dort orientiert die Bundesregierung sich an deren Haltung.

Keine vernünftigen Argumente im Köcher aber dann sein persönliches Weltbild gegen den Willen der breiten Masse zum Gesetz erheben. Und dann auch noch gegen Leute, die keinem Menschen mit ihrem Lebensmodell schaden. Kommen hier solche Allüren aber aus anderen Kulturkreisen, springt die Union im Dreieck und ruft: Abendland-Kultur geht vor!

Dann lasst das Abendland doch auch strahlendes Vorbild sein. Die große Mehrheit der Deutschen wäre dafür. Bestes Argument: Nächstenliebe. Das sticht doch alles. Seid einfach endlich mal entspannt.

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