Ach, was war das für ein Sommer dieses Jahr. Die jungen Grünen posteten: "Zur Fußballeuropameisterschaft fordern wir alle Fans dazu auf, nationalistischem Gedankengut keinen Raum zu lassen! Fußballfans Fahnen runter!"
Diese Haltung ist nicht nur sehr grün, sie ist sehr deutsch. Stellen wir uns mal folgendes Experiment vor: Einhundert Menschen wird irgendwo in Deutschland an einem Tag ohne Fußball-Großereignis eine Deutschlandfahne in die Hand gedrückt mit der Aufgabe: "Überqueren Sie mit der wehenden Fahne in der Hand den belebten Marktplatz Ihrer Stadt."
Ich sage Ihnen, mindestens neunzig Leute würden sich dabei ziemlich bekloppt vorkommen. Ich käme mir auch komisch vor und hätte das Gefühl, die Passanten würden denken: "Wann schreit der Nazi wohl 'Sieg Heil'?"Und selbst Pegida-Anhänger dürften sich unbehaglich fühlen - außerhalb der wohligen Wärme des schützenden Mobs der Gleichgesinnten.
Und schuld daran sind Leute wie die verkrampften jungen Grünen. Die die Identifikation mit ihrem eigenen Land automatisch als feindliche Gesinnung brandmarken.
Die Konsequenz ist: Die deutsche Flagge wird alleine von jenen gehisst, die sie tatsächlich als Ausdruck von dumpfem Deutschtum hochhalten, um allem, das nicht deutsch ist, zu zeigen: Du gehörst nicht dazu. Damit legen all die, die Schwarz-Rot-Gold als beschämend empfinden, unsere Fahne freiwillig in die Hände derer, die unser Land wirklich beschämen.
Und all das nur, weil die symbolische Identifikation mit dem eigenen Land per se als Ausgrenzung empfunden wird. Das gilt aber doch nur, wenn "typisch deutsch" für "fremdenfeindlich" steht.
Aber wenn man sich aktuelle Umfragen anguckt, die zeigen, dass die Mehrheit der Deutschen es auch heute noch für richtig hält, dass wir damals die vielen Flüchtlinge bei uns aufgenommen haben, dann steht "typisch deutsch" eben gerade nicht für Ausgrenzung. Es kommt einem aber so vor: Denn "Deutschland!" wird voller Inbrunst und fahnenschwenkend eben nur von jenen gebrüllt, die die Ausländer loswerden wollen.
Oder eben von Fußball-Fans. Denen zu sagen "Fahnen runter" ist gleich doppelt bescheuert. Denn es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder man unterstellt abwegigerweise: Alle Fußballfans sind fremdenfeindliche Nationalisten. Dann bleiben sie es auch, wenn man ihnen die Fahnen wegnimmt. Nur dass man ihre Gesinnung nicht mehr erkennt.
Oder man unterstellt: Die Fußballfans demonstrieren mit der Fahne überwiegend ihre Zuneigung zur deutschen Mannschaft. Dann ist die Fahne Fan-Symbol im Wettstreit der Nationen. Wer "Nation gegen Nation" nicht will, muss internationale Sportturniere mit Länderwertung wie die Olympischen Spiele nach aktuellem Schema abschaffen. Viel Spaß!
Die weltoffenen Deutschen müssen sich ihre Fahne zurückholen
Man könnte es aber auch anders sehen: Warum ist ein Sylt-Aufkleber auf dem Auto nur spießig, ein Deutschland-Aufkleber aber befremdlich? Warum kann man jederzeit bedenkenlos die Europa-Flagge auf dem Balkon-Hissen, Schwarz-Rot-Gold aber nur alle zwei Jahre zu Zeiten der großen Fußball-Turniere?
Warum hat es einfach was heimeliges, wenn jemand sagt: "Ich bin stolz, ein Kölner zu sein"? - und peinlich zu sagen: "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein"?
In NRW wird es regelrecht als kulturelles Manko empfunden, dass sich die Menschen im Rheinland, in Westfalen und in Lippe in diesem künstlich zusammengesetzten Bundesland nicht als Nordrhein-Westfalen empfinden. Warum sollte ein Zusammengehörigkeitsgefühl auf Bundesebene dann aber schädlich sein?
Antwort wieder: Weil "deutsch" von den Falschen unter Beschlag genommen wird. Genauso aber, wie die Bundeskanzlerin sinngemäß sagt, sie lasse sich von "Wir sind das Volk"-Rufen der Ewiggestrigen nicht absprechen, ebenfalls Teil dieses Volkes zu sein, genauso wenig sollten wir uns unsere Nationalflagge von den Fremdenfeinden und EU-Hassern abspenstig machen lassen.
Schwarz-Rot-Gold sind mehrheitlich die Farben der fried- und freiheitsliebenden, weltoffenen Deutschen. Basta! Wir müssen da nur umdenken.
Beispiel: Hitler war Vegetarier. Und trotzdem hat keiner den Grünen vorgeworfen, mit dem Veggi-Day im rechten Lager wildern zu wollen. Weil das Image vom Vegetarismus trotz allem in Ordnung ist. Und so, wie Grüne selbstbewusst auf Fleisch verzichten, könnten sie doch auch die Fahne schwenken. Für ein lockeres Schwarz-Rot-Gold auf die grüne Art.
Daraus folgt: Die weltoffenen Deutschen müssen sich ihre Flagge zurückholen und sie selber hissen. Im übertragenen Sinne.
Das Münchner Streetwear-Modelabel K1X startet morgen, am 15. Dezember, in Kooperation mit den Modebloggern von Dandy Diary die Kollektion "Das Deutschland Pack" (benannt frei nach Sigmar Gabriel): eine Kombination aus Jacke, Kapuzenpulli, Hose, Kappe, T-Shirt und Stiefeln. Das Motiv auf den Teilen ist die Deutschlandflagge. "Unser Ziel ist es, die Flagge in einem neuen Kontext zu zeigen", sagt Blogger David Roth der WELT. "Fernab von AfD und Pegida, die in den vergangenen Jahren diese Symbolik erfolgreich instrumentalisiert haben. (...) Denen sagen wir: Nein, diese Flagge gehört nicht euch! Sie gehört uns allen!"
Das könnten wir doch alle mal probieren. Muss ja nicht gleich ein Sonntagsspaziergang mit wehenden Fahnen um Hals und Hüfte sein. Es geht auch anders: Die Schweden zum Beispiel hängen Girlanden aus kleinen schwedischen Fahnen in den Weihnachtsbaum.
Warum nicht mal ein Weihnachtsbaum in Schwarz-Rot-Gold? Hohoho! Ist das Frevel? Oder zumindest eine Verweltlichung des Weihnachtsbrauchs? Naja, Zweites vielleicht ein bisschen. Aber für den guten Zweck. Und im weitesten Sinne ja als Symbol für Nächstenliebe.
Und der Schritt dahin wäre ja nicht allzu groß. Rot und Gold hängt bei vielen von uns meist eh schon am Baum.