Werner knallhart

Benimm-Regeln für Flüchtlinge – jetzt auch für Deutsche!

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Verhaltenstipps für über 80 Millionen Menschen

Während Frau Klöckner jetzt in Rheinland-Pfalz-Wahlkampfzeiten mit ihren Ratschlägen wohl eher die Deutschen als die Flüchtlinge überzeugen wollte, scheint es die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung mit ihren 33 Benimm-Regeln sehr, sehr ernst zu meinen. Einige Tipps scheinen ja wirklich hilfreich („Briefe von offizieller Seite sollte man immer lesen (…) Häufig sind hier Fristen zu wahren.“)

Mitunter liest es sich aber regelrecht drollig:

„Möchte man jemanden um etwas bitten, sollte man in seiner Frage entsprechend das Wort bitte gebrauchen.“ Lernt man sowas nicht im Sprachkurs?

Anderes scheint wieder Wunschdenken zu sein: „Alkohol ist im Freien nicht gern gesehen oder sogar verboten. Außer an Silvester und an besonderen Feierlichkeiten.“

Wann war da von der Stiftung das letzte Mal jemand in Deutschland? In fast jedem Park, am Baggersee, auf Plätzen, und sogar beim Spazieren in den Straßen trinken die Menschen in unseren Städten gemütlich ein Bierchen. In Köln ging vor einigen Jahren ein Aufschrei durch die Stadt, als die Kölner Verkehrsbetriebe den Alkoholkonsum in ihren Bussen und Bahnen verboten haben. Das „Wegebier“ in der U-Bahn sei schließlich ein Teil der Kölsch-Kultur.

Schlange stehen: „Wer zuerst kommt, ist zuerst dran. Vordrängeln wird nicht toleriert.“ Fehlt der Hinweis: „Öffnet eine neue Kasse, gilt in Deutschland das Recht des Stärkeren. Laufen Sie um Ihr Leben und lernen Sie, Ihre Einkäufe schon von weitem über die Köpfe der anderen Kunden hinweg auf das Fließband vorzuwerfen. Sonst kommen Sie aus dem Laden nie wieder raus.“

Länder mit der höchsten Zahl der Asylbewerber (2014)

Dann soll man laut Konrad-Adenauer-Stiftung nicht die Füße auf die Polster von öffentlichen Verkehrsmitteln legen, selbst wenn man sich die Schuhe ausgezogen hat. Will hier jemand unser Land mithilfe der Flüchtlinge umkrempeln? Kein Mensch hat doch etwas dagegen, wenn jemand mit seinen Socken ein Sitzpolster berührt. Die Socken waren doch nur in den Schuhen, während die Hosen schon auf diversen Bänken, Satteln und Autositzen gerieben wurden. Wer denkt sich diesen spießigen Unsinn aus?

Wie gesagt: Mit Verhaltenstipps für Flüchtlinge allen das Leben leichter machen zu wollen, ist aller Ehren wert. Und wer hierher kommt, muss flexibel sein und kann nicht darauf pochen, alles so zu halten, wie in seinem Herkunftsland. Aber wir sollten nicht anfangen, unausgesprochene gesellschaftliche Regeln nach eigener Wahrnehmung selbstherrlich in Stein zu meißeln.

Wer es wirklich gut meint, ohne erziehen zu wollen, dem bricht kein Zacken aus der Krone, wenn er auch mal selbstkritisch darauf hinweist, dass einige deutsche Eigenheiten für Außenstehende durchaus zum Schmunzeln sind.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt: „Bei roten Ampeln müssen Fußgänger stehenbleiben, auch wenn weit und breit kein heranfahrendes Auto zu sehen ist.“

Stimmt. Und wer erwischt wird, muss zahlen. Wäre es dennoch nicht fair zu ergänzen: „Wer aber wiederum nachts in klirrender Kälte auf einsamer Flur an der roten Fußgängerampel wartet, hat entweder einen an der Klatsche oder Dreck am Stecken. Sie kommen noch dahinter.“

Nutzen wir doch die Gelegenheit, unsere eigenen Regeln kritisch zu überprüfen. Und halten wir uns an die wirklich hilfreichen wenigstens selber. Dann kommen nicht nur eine Million Menschen voran, sondern über 80 Millionen.

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