Über 50 Kanzleien seien inzwischen mit Tippgebern im Geschäft, erzählt Devine. Er selber habe „häufig mit einem Whistleblower-Anwalt zu tun, der bis vor ein paar Jahren Firmen verteidigte, die durch Whistleblower in Bedrängnis kamen“.
So hat auch die Kanzlei des inzwischen verstorbenen Staranwalts Johnnie Cochran das neue Geschäftsfeld entdeckt. Cochran hatte für den unter Mordverdacht stehenden Football-Star O.J. Simpson 1994 einen Freispruch erkämpft und verteidigte Musiker wie Michael Jackson, Snoop Dogg und P. Diddy. Seit Anfang des Jahres baut die Kanzlei in Washington eine Abteilung für SEC-Whistleblower auf.
Es sei die erste Belohnung in Höhe mehrerer Millionen US-Dollar im vergangenen Jahr gewesen, die die Kanzlei auf das Thema aufmerksam gemacht habe, sagt David Haynes, Partner der Kanzlei: „Da ist echtes Potenzial, denn Tatsache ist, dass Insidergeschäfte und andere Verstöße gegen Aktienrecht nie aufhören werden.“
Politisch sind die Fronten bei dem Thema klar in den USA. Die Demokraten sind meist pro Whistleblower-Schutz, die Republikaner möchten lieber die Unternehmen vor den Whistleblowern schützen. Und so sorgen die Profiteure auf beiden Seiten dafür, dass ihre Einnahmequellen erhalten bleiben. 2012 trat Barack Obama zur Wiederwahl an, und sein republikanischer Widersacher Mitt Romney versprach, im Fall eines Wahlsiegs das Dodd-Frank-Gesetz wieder abzuschaffen. Prompt sah Rechtsanwalt John Phillips aus Washington, ein Urgestein im Whistleblower-Business, seine Felle davonschwimmen und erkannte: „Die Industrie hat Milliardenstrafen gezahlt, und die Gefahr ist riesig, dass die Politik auf ihren Druck hin nun zurückrudert.“
Daraufhin begann Phillips, der allein an einem Whistleblower des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline eine zweistellige Millionensumme verdient hatte, Wahlkampfspenden für Obama einzutreiben. Schnell hatte er 200.000 Dollar beisammen. Sein Kollege John Morgan aus Florida brachte es sogar auf 1,7 Millionen Dollar. Ebenfalls unter den Obama-Spendern: die Kanzlei Grant & Eisenhofer aus Delaware, die unter anderem einen Whistleblower unter Vertrag hatte, der dem US-Justizministerium im Zuge einer Strafe zu einer 800-Millionen-Dollar-Einnahme verhalf.
„Man kann nur erahnen, was es bedeutet, wenn neuerdings so viel Geld mit der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität gemacht wird“, sagt Whistleblowing-Experte Devine: „Das verändert die Machtverhältnisse zwischen der Wirtschaft, ihren Kontrolleuren und einzelnen Whistleblowern tief greifend.“ Denn Recht zu bekommen koste in den USA in der Regel viel Geld, so Devine: „Wer viel Geld hat, bekommt öfter recht, so einfach ist das.“
Wer wüsste das besser als die Hausherren des neoklassizistischen Gebäudes direkt gegenüber des Präsidentensitzes: die amerikanische Handelskammer U.S. Chamber of Commerce. Sie ist der weltgrößte Unternehmensverband, die mächtigste Lobbyorganisation der USA – und der erbittertste Gegner von Whistleblower-Rechten. Der Verband lief jahrelang Sturm gegen die Verabschiedung des neuen SEC-Gesetzes und bekämpft es bis heute.