Windräder im Pfälzer Wald Die Energiewende zerstört Deutschlands letztes Idyll

Hofstätten ist das vielleicht einsamste Dorf Deutschlands. Doch 2015 könnte die Energiewende das bescheidene Idyll zerstören. Ein Hilferuf wider die Windräder.

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Es gibt nicht mehr viele idyllische Orte in Deutschland, doch Hofstätten gehört dazu. Noch zumindest.

Das Dorf mitten im Pfälzer Wald hat etwa 100 Einwohner. Der Weg dorthin führt von Kaiserslautern 28 Kilometer durch den Wald, über eine kleine holprige Seitenstraße der B48. Irgendwann endet die Straße plötzlich - in einem der wenigen Sackgassendörfer nördlich der Alpen.

Hofstätten ist seit Jahrzehnten nur um wenige Wochenendhäuser gewachsen. Es gibt weder eine Sparkassenfiliale noch ein Gewerbegebiet. Kühe beweiden die Wiesen, direkt dahinter beginnen die bewaldeten Berge. In der Gaststätte „Zum Pfälzer Wald“ gibt es eine riesige Portion Wildschweinbraten für 12 Euro und eine köstliche Schwarzwälder Kirschtorte, die die Inhaberin Silke Haag-Henninger selbst backt. 

Morgens werden die Bewohner von zwei Hähnen geweckt, die um die Wette krähen. Blicken sie aus dem Fenster, sehen sie den malerischen Sandstein-Kirchturm - und sonst vor allem den Wald.

Im Herbst röhren die Hirsche. Manchmal hört man eine Motorsäge, ein oder zwei Mal pro Wochentag donnert ein Düsenjäger von der US-Air-Base Rammstein über das Dorf. Doch davon abgesehen stört nichts die Ohren und Augen der Hofstätter und der wenigen Wochenend-Besucher, zu denen auch ich gehöre.

Doch das wird sich bald ändern. Und das ist der Grund, warum ich über dieses stille, unspektakuläre Idyll schreibe: Es ist gefährdet.

Was Zweihundert Jahre Industrialisierung nicht schafften, wird nun, wenn kein Wunder geschieht, der so genannten Energiewende gelingen. 2015 sollen auf den Bergen um Hofstätten herum bis zu vierzig Windräder aufgestellt werden.

Die Untersuchungen und Tests zur Machbarkeit laufen in der Verbandsgemeinde Annweiler am Trifels schon. Dass die Ergebnisse „positiv“ sein werden, zieht niemand ernsthaft in Zweifel. Wie das eben so läuft, wenn ein politischer Wille da ist, der nur noch die wissenschaftliche Bestätigung sucht.

Und außerdem: Hofstätten gehört nicht zur Verbandsgemeinde Annweiler, sondern ist eine Exklave der Gemeinde Wilgartswiesen und hat vermutlich keine besonders schlagkräftige Lobby im Annweiler Rathaus. Schon im nächsten Jahr, so hört man von gut informierten Dorfbewohnern, sollen die ersten Windkraftanlagen stehen.  

Was das bedeutet für eine Landschaft, hat man auf dem Weg nach Hofstätten allzeit vor Augen. Die Höhenzüge der Eifel und des Hunsrücks sind in wenigen Jahren mit hunderten riesigen Windrädern gespickt worden. Wöchentlich werden es mehr. Eine der wenigen bevölkerungsarmen und waldreichen Regionen Deutschlands ist damit zerstört.

Bisher war der Pfälzer Wald noch windradfrei. Doch das wird nun bald vorbei sein. 

Wir wissen nicht, was wir tun

Die Gewinner und Verlierer der EEG-Reform
Betreiber von Biomasseanlagen Quelle: dpa
Betreiber von Solarparks Quelle: dpa
Betreiber von Offshore-Windparks Quelle: dpa
Große energieintensive Unternehmen Quelle: dpa/dpaweb
Große Eigenstromerzeuger Quelle: dpa
Onshore-Windrad-Bauer, Zulieferer, Entwickler Quelle: dpa
Energieintensive Mittelständler und Kleinbetriebe Quelle: dpa

Zugegeben: Die Energiewende erfordert von vielen Gemeinden Opfer. Natürlich gibt es nichts umsonst - schon gar nicht Strom, den Lebenssaft unserer Wirtschaft. In unserer Redaktion hängt eine große Deutschlandkarte an der Wand, auf der all die „Windparks“ – was für ein verlogener Euphemismus ! – und neuen Stromtrassen markiert sind. Kaum eine Region bleibt unberührt.

Warum soll Hofstätten geschont werden, wenn zum Beispiel Meerbusch-Osterath bei Düsseldorf mit einer neuen Stromtrasse leben muss?

Vielleicht, weil Windräder im Pfälzer Wald einfach nichts zu suchen haben. Vielleicht, weil ein Land, das keine stillen Rückzugsorte vor den Zumutungen der Moderne mehr hat, kein liebenswertes Land mehr ist. Vielleicht weil das unschuldige Hofstätten einen kleinen Eindruck davon geben kann, wie das wahre Glück auf Erden aussehen könnte.

Ich weiß, dass viele Menschen sagen, der Anblick von gigantischen, weißen Windrädern in der Landschaft, die nachts wie Raumschiffe rot blinken, störe sie nicht. Aber vielleicht liegt das daran, dass sie in Landstrichen wohnen, die den Augen zwischen Autobahnen und Gewerbegebieten seit Jahrzehnten ohnehin keine Erholung von den hässlichen Denkmälern unserer industriellen Vermessenheit gönnen. Wahrscheinlich waren diese Menschen auch noch nie in Hofstätten.

Ich weiß auch, dass es in Verwaltung und Wirtschaft viele Menschen gibt, die voller Enthusiasmus für die Energiewende zu Werke gehen, weil sie glauben, dass es unbedingt notwendig ist, Deutschland mit „grüner“, „erneuerbarer“ Energie zu versorgen und von den alten, nicht nachhaltigen, ungrünen Energieträgern zu befreien. Weil Atomkraftwerke strahlenden Abfall hinterlassen und Braunkohlekraftwerke nach neuesten Studien Quecksilber in die Luft blasen, der irgendwelche Grenzwerte überschreitet.

Ich fürchte sogar, dass diese Menschen, wenn sie auf der A1 oder der A61 durch Hunsrück und Eifel fahren, nicht nur reinen Gewissens, sondern sogar mit Genugtuung die Rotorenblätter und die Solarzellen-Felder auf den Hügeln betrachten.

Mag sein, dass diese Energiewende das Risiko eines GAU beseitigt und die fossilen Ressourcen schont. Und dennoch kann ich mich darüber nicht freuen.

Mir kann niemand weismachen, was an gigantischen Betontürmen mit Rotoren „grün“, „nachhaltig“ oder „ökologisch“ sein soll. Und warum soll ich es weniger schlimm finden, diese Ungetüme dauernd anblicken zu müssen, als Schadstoffe in der Luft oder im Boden zu registrieren.

Ausgerechnet der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland behauptet, „dass wir alle davon [von der Energiewende] profitieren werden“. Leider kann ich das nicht glauben. Ich fürchte, uns ist nur noch nicht richtig klar geworden, was wir da tun. Ich fürchte, es wird uns eines Tages ebenso gehen, wie den einst euphorischen Anhängern der Atomenergie, die vor fünfzig Jahren glaubten, den Stein der Weisen für eine ewig sprudelnde Energiequelle gefunden zu haben. Ich fürchte, wir retten die Natur, indem wir sie verschandeln und uns dabei mit verlogenen Begriffen und etwas grüner Farbe an den Sockeln der Windräder die Absolution erteilen.

Wenn ich an die Energiewende denke, denke ich nicht an stillgelegte Atomkraftwerke, nicht an irgendwelche Grenzwerte und irgendeine angebliche Nachhaltigkeit, sondern an Hofstätten. In den nächsten Monaten werde ich noch möglichst viel Zeit dort verbringen. Bevor die Windräder das Idyll zerstören.

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