Wirkungsloses Steinbrück-Gesetz Offiziell kennt Deutschland keine Steueroasen

Durch prominente Steuersünder sind Steueroasen wieder im Visier der Politik, dabei gibt es sie eigentlich gar nicht. Zumindest nach Definition der Bundesregierung. Grund ist ein Gesetz, das einst Steinbrück ersonnen hat.

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Wie kann man Steueroasen wie hier die Cayman-Inseln unattraktiv machen? Es gibt einige Möglichkeiten. Quelle: TripAdvisor

Berlin Das deutsche Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, das 2009 beschlossen wurde, ist weitgehend wirkungslos. Zwar darf die Bundesregierung Staaten mit Zustimmung des Bundesrats auf eine schwarze Liste setzen und Anlegern oder Unternehmen mit Bank- oder Geschäftsbeziehungen zu diesen Ländern erhöhte Mitwirkungspflichten auferlegen. Doch hierfür müssen bestimmte Bedingungen wie mangelnde Auskunftsbereitschaft und unkooperatives Verhalten gegen deutsche Finanzbehörden vorliegen. In dieses Raster passt derzeit keine Steueroase. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Frage der Linksfraktion hervor.

In dem Handelsblatt Online vorliegenden Schreiben heißt es wörtlich: „Da bisher kein Staat oder Gebiet abgelehnt hat, eine Vereinbarung mit Deutschland zu schließen, die einen Informationsaustausch entsprechend dem OECD-Standard (Artikel 26 OECD-Musterabkommen nach dem Stand von 2005) ermöglicht, wird aktuell kein Staat oder Gebiet als nicht kooperativ im Sinne des Steuerhinterziehungsgesetzes angesehen.“

Die Linkspartei reagierte mit scharfer Kritik und warf dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück vor, als damaliger Bundesfinanzminister ein „Steuerhinterziehungsermöglichungsgesetz“ geschaffen zu haben. „Dieses Gesetz ist symptomatisch für das Politiksystem Steinbrück. Erst große Worte und Drohen mit der Kavallerie, aber wenn die Scheinwerfer aus sind, dann können sich seine Auftraggeber in den Banken darauf verlassen, dass ihnen Steinbrück kein Haar krümmt“, sagte Linksparteichef Bernd Riexinger Handelsblatt Online.

Nach Einschätzung Riexingers wäre Deutschland ohne Steuerflucht schuldenfrei. Daher fordert er nun, bei den Banken anzusetzen, um der Steuerflucht Herr zu werden. „Alle Banken, die nicht bereit sind, Informationen über verdächtige Transaktionen automatisch weiter zu leiten, sollten in Deutschland ihre Lizenz verlieren“, sagte der Linksparteivorsitzende. „Dafür muss nur das Kreditwesengesetz konsequent angewandt werden.“


Grüne fordern von Schäuble eigene Oasen-Liste

Auch die Grünen sehen Handlungsbedarf. „Die Wettbewerbsbedingungen zwischen Unternehmen werden verzerrt, wenn global tätige Unternehmen ihre Steuerlast in großem Umfang mindern können, kleine, standortgebundene Unternehmen aber die vorgesehene tarifliche Belastung tatsächlich zahlen müssen“, schrieb der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, im April in einem Gastbeitrag für Handelsblatt Online.

Er verwies dabei auf die Enthüllungen über weitreichenden Steuerhinterziehungen von Privatpersonen über offshore-Finanzzentren wie die britische Jungferninseln, Cayman-Inseln oder Panama. Daran könne man sehen, dass der soziale Ausgleich misslinge, wenn sich gerade Spitzenverdiener der Steuerzahlung entzögen. Schick verwies zudem auf Schätzungen des Tax Justice Network, wonach mindestens 21 Billionen Dollar in solchen Steuerparadiesen lägen.

Wie Riexinger kritisierte auch Schick, dass das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz „völlig ins Leere“ laufe und dass das Bundesfinanzministerium bisher keine eigene Liste von Steueroasen vorgelegt habe. „Clevere Steueranwälte und Banken werben im Internet und in Publikationen für Anlagen in Steueroasen, die EU-Kommission zeigt die enormen Einnahmeverluste für die Staaten auf – und nach der Definition des Bundesfinanzministers gibt es gar keine Steueroasen“, kritisierte der Grünen-Politiker.

Schick forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, dringend wie Frankreich eine eigene Liste von Steueroasen zu erstellen und so Druck auf die Oasenstaaten auszuüben. „Denn das hat die Erstellung der Liste in Frankreich gezeigt: Um nicht auf diese Liste zu kommen, haben einige Staaten den Forderungen Frankreichs nach mehr Transparenz und besserem Informationsaustausch nachgegeben. Warum legt Deutschland unter Finanzminister Schäuble sein wirtschaftliches Gewicht nicht in die Waagschale im Kampf gegen Steueroasen?“

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