Wirtschaftsweise Jamaika-Verhandler sollten Finanzspielraum nicht überschätzen

Der Sachverständigenrat fordert in seinem Jahresgutachten Steuersenkungen und Investitionen von der neuen Regierung. Bundeskanzlerin Angela Merkel verspricht Reformen, aber „mit der richtigen Balance“.

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„Es ist auf jeden Fall richtig, dass wir auf eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik achten sollten“, meint die Bundeskanzlerin zum Gutachten des Sachverständigenrates. Quelle: Reuters

Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte höflich: „Es ist auf jeden Fall richtig, dass wir auf eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik achten sollten“, sagte die CDU-Chefin am Mittwoch, als ihr die fünf Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten überreichten. Allerdings seien die geforderten Strukturreformen nicht so einfach, da gerade in guten Zeiten der Wunsch nach Verteilung dominiere, sagte Merkel. „Hier die richtige Balance zu finden, das ist unsere Aufgabe“, sagte sie mit Blick auf die Sondierung von CDU, CSU, FDP und Grünen zur Bildung einer neuen Bundesregierung.

Das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung trägt den Titel „Für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik“. Wie die Ökonomen der großen Wirtschaftsforschungsinstitute sagen auch die fünf Weisen: Deutschlands Wirtschaft erlebt einen sehr langen und sehr kräftigen Aufschwung, der sehr viele Arbeitsplätze geschaffen hat und weitere schaffen wird. Sie erhöhten ihre Wachstumsprognose für 2017 auf 2,0 Prozent und für 2018 auf 2,2 Prozent.

Anders als die Ökonomen der Institute, die vor drei Wochen ihre Gemeinschaftsdiagnose im Wirtschaftsministerium ablieferten, fürchten die Weisen sogar, dass die Wirtschaft überhitzt: Denn die Fabriken kommen den Aufträgen aus aller Welt nicht mehr hinterher. DIW-Ökonom Marcel Fratzscher widerspricht allerdings: Die Löhne seien bisher zwar etwas, aber nicht besonders stark gestiegen, und die Inflation bleibt mau trotz Geldschwemme der Europäischen Zentralbank. Dass die Wirtschaftsweisen vorrangig Steuersenkungen verlangen, stehe im Widerspruch zur Überhitzungs-These: Denn diese würden die Konjunktur weiter anheizen. „Ich sehe eine höhere Dringlichkeit sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmen bei den Zukunftsinvestitionen in Bildung und Infrastruktur“, sagte Fratzscher dem Handelsblatt.

Die Wirtschaftsweisen um den Vorsitzenden Christoph Schmidt sprechen sich für Steuerentlastungen bei der Einkommensteuer und den schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags aus. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wollen sie zusätzlich durch eine Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags entlasten. „Insgesamt lässt sich eine Entlastung von gut 30 Milliarden Euro begründen, ohne dass im Gegenzug der Spitzensteuersatz angehoben werden müsste“, heißt es im Gutachten.

Am Mittwoch warnten die Weisen allerdings die Regierung davor, ihre finanziellen Spielräume zu überschätzen: Sobald ein Abschwung einsetze, würden die Überschüsse schnell schmelzen, warnten sie. Auf gar keinen Fall dürfe es neue Sozialleistungen geben, etwa die Mütterrente der CSU oder eine höhere Kindergrundsicherung der Grünen.

Der DIHK und der CDU-Wirtschaftsrat lobten die Vorschläge, Kritik kam von den Grünen: „Der Niedriglohnsektor ist riesig, viele Kinder sind armutsgefährdet“, sagte die Grünen-Abgeordnete Katharina Dröge. „Steuergeschenke für Reiche sind der falsche Weg“, wies sie den Soli-Abbau zurück.

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