Wohnungsbau „Alte Koalition ohne neue Ideen“

In Deutschland fehlen Tausende von Wohnungen. Ob es einer neuen großen Koalition gelingt, die dringend benötigte Wohnungsbauoffensive zu starten, ist fraglich. Das Sondierungspapier lässt viele Fragen unbeantwortet.

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Pro Jahr brauchen wir bis 400.000 neue Mietwohnungen, wenn die Mieten bezahlbar bleiben sollen, sagt Mietrechtsexperte Jan-Marco Luczak. Quelle: dpa

Berlin Bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 wollen Union und SPD 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut sehen, heißt es in dem Sondierungspapier der möglichen Koalitionäre. Das wären pro Jahr 375.000 Wohnungen – was eigentlich noch immer zu wenig ist. Jan-Marco Luczak, Mietrechtsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wies in seiner ersten Bewertung des Sondierungspapiers darauf hin, dass „wir bis zu 400.000 neue Wohnungen jedes Jahr brauchen, wenn die Mieten bezahlbar bleiben sollen“.

In der vergangenen Legislaturperiode sei im Wohnungsbau sei zu wenig passiert, sagte Luczak dem Handelsblatt. Eine solche Aussage mutet seltsam an, schließlich hatten es Union und SPD schon in den vergangenen vier Jahren in der Hand, mehr zu leisten. 2016 etwa sind nur 278.000 Wohnungen gebaut wurden. Zuletzt kam der Wohnungsbaumotor wieder ins Stocken.

Doch Luczak ist optimistisch. Deutschland, sagt der CDU-Politiker, stehe endlich die dringend notwendige Wohnungsbauoffensive bevor. Das Sondierungspapier enthalte gute Regelungen. Aus der SPD sind skeptische Töne zu hören. Berlins Regierender Bürgermeister erklärte, das Sondierungsergebnis sei eine „Grundlage für weitere Gespräche. Mehr aber nicht.“ Dezidiert nannte er das Thema Wohnen, bei dem nachgebessert werden müsse.

Familien den Weg in die eigenen vier Wände zu erleichtern war erklärtes Ziel der Union, erklärte Luczak. „Das haben wir erreicht.“ Man werde finanzielle Anreize für die Bildung von Wohneigentum schaffen, indem den Ländern die Möglichkeit eingeräumt werde, Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer einzuführen. „Die Länder müssen dann aber auch liefern.“

Insgesamt sollen zusätzlich vier Milliarden Euro in der Legislaturperiode in den Bereich Bauen und Wohnen investiert werden. So will sich der Bund in den Jahren 2020 und 2021 mit zwei Milliarden Euro weiterhin im sozialen Wohnungsbau engagieren. Allerdings muss vorher geklärt werden, wie das „auf rechtssicherer Grundlage“ geschehen kann – möglicherweise ist eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Denn seit der Föderalismusreform 2006 ist der soziale Wohnungsbau Ländersache. Der Bund leistet derzeit noch so genannte Kompensationszahlungen, die aber Ende 2019 auslaufen. Die Mittel waren zuletzt weiter aufgestockt worden und belaufen sich derzeit auf 1,5 Milliarden Euro jährlich. Luczak sagte, auf jeden Fall werde eine weitere Zuwendung des Bundes an die Länder klar an die Voraussetzung gebunden, dass die Mittel auch wirklich für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt würden, nicht für die Tilgung von Schulden, nicht für das Stopfen von Haushaltslöchern.

Auch steuerliche Anreize für den privaten Wohnungsbau sollen geschaffen werden – Details dazu bleibt das Papier schuldig. In der letzten Legislaturperiode war die große Koalition daran gescheitert.

Die Modernisierungsumlage wollen Union und SPD senken, unklar bleibt bislang die konkrete Höhe. Derzeit liegt sie bei 11 Prozent. Bereits im letzten Koalitionsvertrag hatte sich die große Koalition die Umlage auf zehn Prozent geeinigt - passiert ist aber nichts. Indirekt warnte Luczak davor, die Umlage stärker senken zu wollen. Die Mieter müssten entlastet, die Modernisierungen aber trotzdem gemacht werden, sagte der CDU-Politiker dem Handelsblatt. Eine Einigung dürfte einer der Knackpunkte in möglichen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD werden. Der Eigentümerverband Haus & Grund warnte vor zu großen Zugeständnissen: „Wenn wir beispielsweise unseren guten Mietwohnungsbestand zukunftsfähig umbauen wollen, dürfen Modernisierungen nicht zum Minusgeschäft für die Eigentümer werden“, sagte Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke. Insgesamt biete das Sondierungspapier „wenige Ideen für eine moderne Wohnungspolitik“, so Warnecke, der von „alter Koalition ohne neue Ideen“ sprach. Auch in der Energie- und Klimapolitik vermisst er neue positive Ansätze. So könnte klimapolitisch viel erreicht werden, wenn der Verkauf von am Gebäude erzeugten erneuerbaren Stroms an die Mieter vereinfacht würde, sagte er. Die Koalitionsverhandlungen sollten unbedingt dazu genutzt werden, um in der Wohnungs- und Mietrechtspolitik doch noch Akzente für eine moderne Wohnungspolitik zu setzen.

Laut Sondierungspapier gehört zu den erklärten Zielen auch die Gewinnung von mehr Bauland, um mehr Wohnungen bauen zu können. Wie das allerdings zu dem ebenfalls erklärten Ziel passt, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf maximal 30 Hektar zu begrenzen, ist unklar. Eine Verschärfung der energetischen Anforderungen soll es nicht geben. Bei der Gebäudesanierung werde weiterhin der Stand von 2016 gültig sein. Damit sollen weitere Kostensteigerungen für die Mieter vermieden werden.

Die Mietpreisbremse steht auf dem Prüfstand - was die Opposition verärgert. „Das Versprechen, Wohnen in Deutschland bezahlbar zu machen, und den Mietenanstieg zu bremsen, wird auch die Neuauflage der großen Koalition nicht halten“, kritisierte der Wohnungsbauexperte der Grünen, Chris Kühn. „Auch die neue Groko setzt nur auf bauen, bauen, bauen und hat nicht verstanden, dass entscheidend ist, was, wie und wo gebaut wird.“ Steuerliche Anreize ohne ohne soziale Bindung seien der falsche Weg. Als Gewinner des Sondierungspapiers machen die Grünen die Immobilienlobby aus, während die Mieter „mal wieder in die Röhre schauen“.

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