Wohnungseinbrüche Einbrecherjagd über Landesgrenzen hinweg

Einbrecher machen nicht an der Landesgrenze halt, Ermittlungen der Polizei mitunter schon. Hessen und seine Nachbarn wollen das ändern. Ob die Kooperation die Einbruchszahlen aber wirklich eindämmen kann, ist fraglich.

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Bei Ermittlungen gegen Einbrecher gilt das Tatortprinzip. Das bedeutet: Die Polizei desjenigen Bundeslandes ist zuständig, in dem der Einbruch passiert ist. Das ist ein Problem. Quelle: dpa

Wiesbaden Anfang Juni in einem abgelegenen Ortsteil des südhessischen Bürstadt: Unbekannte schleichen sich in den Garten eines Einfamilienhauses, brechen mit brutaler Gewalt die Eisentür zum Keller auf. Auch zwei abgeschlossene Zwischentüren im Haus sind schnell ausgehebelt. Schmuck, überwiegend aus Gold, wandert in die Taschen der Einbrecher – keine halbe Stunde später sind sie wieder verschwunden. Die Autobahn ist nah, nur wenige Kilometer bis zu den Landesgrenzen nach Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Damit beginnt häufig das Problem. Denn während die Einbrecher nicht an der Landesgrenze halt machen, gilt bei den Ermittlungen das Tatortprinzip: zuständig ist in diesem Fall die hessische Polizei. Steigen dieselben Einbrecher auf der anderen Rheinseite im acht Kilometer entfernten Worms ein, werden Beamte in Rheinland-Pfalz tätig. Um Zusammenarbeit und Informationsaustausch zu verbessern, wollen sich beide Länder jetzt einer Kooperation von Bayern und Baden-Württemberg anschließen. Auf der Innenministerkonferenz im Saarland soll das Abkommen unterzeichnet werden.

Denn aufgeklärt werden Wohnungseinbrüche nur selten. Gerade mal rund 15 Prozent der Fälle waren es bundesweit im vergangenen Jahr. Rund 167 000 Einbrüche und Einbruchsversuche in Häuser und Wohnungen zählte die Polizei 2015, in mehr als vier von fünf Fällen wird nie ein Tatverdächtiger ermittelt. „Das ist extrem wenig und für die Betroffenen schlimm“, sagt der Wiesbadener Kriminologe Rudolf Egg. In den vergangenen Jahren sei die Aufklärungsquote sogar noch gesunken.

Die größten Sorgen machen den Ermittlern kriminelle Banden aus dem Ausland. „Die sind professionell organisiert und kommen einzig und allein zum Zweck des Einbruchs nach Deutschland“, sagt Egg. Nach der Tat schaffen sie die Beute sofort außer Landes, und Opfer und Ermittler stehen mit leeren Händen da. Ein Großteil des Anstiegs der Wohnungseinbrüche in den vergangenen Jahren geht Egg zufolge auf das Konto solcher Banden.


„Täterorientierter Verfolgungsansatz“

Helfen soll jetzt der „täterorientierte Verfolgungsansatz“ der Kooperation. Das heißt: Die Ermittlungen zu allen Delikten, die einem Täter oder einer Gruppe zugeordnet werden können, werden über die Ländergrenzen hinweg zusammengeführt. So will man an die Hintermänner der Banden kommen. „Das ist keine Herausforderung für nur ein Bundesland, sondern bundesweit, weil es reisende Tätergruppen sind“, sagt der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD).

Mancher Fahnder scheint jedoch skeptisch, ob die neue Kooperation wirklich ein entscheidender Schritt nach vorne ist. „Wenn wir Bezüge erkennen, setzen sich unsere Ermittler natürlich schon jetzt mit den Kollegen aus anderen Bundesländern an einen Tisch“, berichtet Polizeisprecher Bernd Hochstädter vom Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt. „Es wäre ja ein Unding, wenn wir sagen würden, wird sind Hessen und was die in Rheinland-Pfalz machen, interessiert uns nicht.“

Generell seien die Möglichkeiten der Behörden begrenzt, erklärt Egg. „An öffentlichen Plätzen kann man die Videoüberwachung hochfahren. Geht es um Häuser und Wohnungen, ist vor allem der Eigentümer gefordert, sein Hab und Gut zu schützen.“ Einbruchsichere Fenster- und Türrahmen ließen sich auch gut nachrüsten – und zeigten Erfolg.

In Bayern wurden im vergangenen Jahr rund 2500 Einbrüche durch solche Sicherheitsvorrichtungen und aufmerksame Nachbarn verhindert. Für das bayerische Landeskriminalamt Beleg für den Erfolg eines Präventionsprogramms, das wie die neue Kooperation länderübergreifend angelegt ist. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schlägt für den Kampf gegen Einbrecher die Ausweitung der Schleierfahndung – also verdachtsunabhängiger Kontrollen – auf ganz Deutschland vor.

Denn bei der Verfolgung der Täter gibt es noch Luft nach oben. „Sicherlich erhöht es die Aufklärungsquote, wenn es mehr Personal gäbe, dass sich darum kümmert“, sagt Egg. Dann könnte auch häufiger ein Schlag gegen die kriminellen Banden gelingen.

Oft verzichten die Täter mittlerweile sogar auf den Schutz der Dunkelheit und räumen Häuser und Wohnungen am helllichten Tag aus – so auch bei dem Fall in Bürstadt. Nachts könnte der Krach für Aufsehen sorgen und Nachbarn aufschrecken. „Wenn tagsüber ein Möbellaster vorfährt, interessiert das niemanden“, sagt Egg.

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