Wohnungspolitik Deutschland gehen die Sozialwohnungen aus

Es fehlt in Deutschland an bezahlbaren Wohnungen. Die Lösung seien direkte staatliche Investitionen, vor allem in den sozialen Wohnungsbau, argumentiert die Deutsche Industriebank. Das brächte eine „ordentliche Rendite“.

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Pro Jahr würden 80.000 neue Sozialwohnungen benötigt, meint die Bundesreguierung. Quelle: dpa

Berlin Die Wohnungspolitik ist eines der großen Themen im Bundestagswahlkampf. Denn das Problem der fehlenden und vor allem bezahlbaren Wohnungen hat sich in Deutschland längst noch nicht erledigt. „Eine Million fehlende Wohnungen in Deutschland, Neubauzahlen, die deutlich hinter dem Bedarf zurückbleiben, Sozialwohnungsbestände, die weiter schrumpfen, stark ansteigende Wiedervermietungs- und jetzt auch Bestandsmieten“, kritisierte unlängst der Deutsche Mieterbund (DMB). Dazu eine Wohneigentumsquote, die mit weniger als 50 Prozent so niedrig ist wie in keinem anderen EU-Land.

Der Staat sei gefordert, meint jetzt die Deutsche Industriebank (IKB) in Düsseldorf. Häufig werde argumentiert, der Staat solle nicht direkt intervenieren, da er sonst den Privatsektor aus dem Immobilienmarkt verdrängen würde, heißt es in den neuesten IKB-Kapitalmarkt-News über den Immobilienmarkt, die dem Handelsblatt vorab vorliegen. „Doch das aktuelle Problem ist, dass die privaten Immobilienanbieter nicht ausreichend Wohnraum schaffen – wie an den zum Teil explodierenden Preisen zu erkennen ist.“

Die Lösung liegt für die IKB in einem zusätzlichen Immobilienangebot durch direkte staatliche Investitionen. „Vor allem in den lange vernachlässigten sozialen Wohnungsbau sollte der Staat stärker investieren, zumal er hier eine ordentliche Rendite erwirtschaften kann.“

Deutschland hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich Sozialwohnungen verloren. Die Bundesregierung hat reagiert und die Zuweisungen an die Länder für die soziale Wohnraumförderung seit 2016 erhöht – auf nunmehr 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Doch das reicht offenbar nicht aus. So hat sich zwar die Anzahl neuer Sozialwohnungen 2016 erhöht, unter dem Strich ist die Zahl aber gesunken, „unter anderem, weil Mietpreisbindungen ausliefen und Mieten angehoben wurden“, beobachtet die IKB.

Höhere Sozialleistungen sind aus Sicht der Bank keine Lösung: „Damit würde nur die Anzahl der Menschen weiter steigen, die vom Staat abhängig sind, während das Grundproblem eines nicht ausreichenden Wohnungsangebots bestehen bliebe.“

Aus ähnlichen Gründen lehnt die IKB auch mögliche Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer und ein Familiengeld ab, wie sie aktuell im Wahlkampf diskutiert werden: „Freibeträge und Familienbaugeld sind Transferzahlungen, die keine Rendite bringen und somit den Staatshaushalt belasten“, argumentiert IKB-Chefvolkswirt Klaus Bauknecht. Investitionen seien aufgrund der Mietrendite – auch wenn sie subventioniert seien – und Dank der niedrigen Zinskurve immer noch deutlich besser für den Staatshaushalt als weitere Transferzahlungen.

Der deutsche Staat sei in der beneidenswerten Situation, dass die Wirtschaft durch die Binnennachfrage wachse, was die Steuereinnahmen nach oben treibe, während sich die Zinszahlungen mehr und mehr reduzierten. Gleichzeitig sei der staatliche Anteil der Wohnungsbauinvestitionen gesunken, so die IKB. Dabei könne sich der Staat aktuell immer noch extrem günstig finanzieren, und die gesamte Zinskurve liege deutlich unter der aktuellen Mietrendite.

Selbst bei einer subventionierten Mietrendite müsste es zu keiner Netto-Neubelastung für den Staat kommen – vor allem, wenn die Preise für Wohnungen weiter steigen und sich somit perspektivisch sogar Kapitalerträge realisieren lassen würden, heißt es in den Kapitalmarkt-News. „So würde der Staatshaushalt nicht zusätzlich belastet wie es bei größeren Anreiz- und Transferleistungen, die keine staatlichen Einnahmen generieren, der Fall wäre.“ Zudem würde der Staat verkaufsfähiges Kapital aufbauen, so dass selbst eine Erhöhung der Schuldenquote nicht überbewertet werden sollte.


IG Bau fordert Senkung des Mehrwertsteuersatzes

Für Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) ist der soziale Wohnungsbau eine „Investition in den sozialen Zusammenhalt in unserem Land“. Sie hatte sich deswegen in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode für eine Trendwende bei der Unterstützung der für den sozialen Wohnungsbau zuständigen Länder mit Bundesmitteln eingesetzt. Die Länder gingen nach ihrem Dafürhalten jedoch unterschiedlich mit den Geldern um: „Einige Länder sind schnell aufgewacht und haben umgesteuert, andere müssen noch mehr tun“, sagte sie im Sommer.

Der Bedarf ist indes riesig. 2016 wurden 24.550 neue Sozialwohnungen errichtet. Das ist ein Plus von knapp 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Benötigt werden nach Hendricks´ Aussage aber 80.000 neue Sozialwohnungen im Jahr. „Dafür müssen wir noch viel mehr Geld in die Hand nehmen und Verantwortlichkeiten neu verteilen.“ Die Länder könnten diese große gesellschaftliche Aufgabe nicht allein stemmen. Notwendig sei darum eine Änderung des Grundgesetzes, damit auch nach 2019 ein Engagement des Bundes möglich bleibe. Bisher verbietet das Grundgesetz eine  Bundesförderung für die Zeit nach 2019.

Im Kampf gegen die Wohnungsnot fordert die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) eine deutliche Steuervergünstigung für die Errichtung neuer Sozialwohnungen. Der IG-Bau-Bundesvorsitzende Robert Feiger sprach sich am Montag für eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf sieben Prozent aus. Mit dem reduzierten Steuersatz sei es möglich, dem sozialen Wohnungsbau einen Schub zu geben. Es würde die Errichtungskosten um rund zehn Prozent senken, so Feiger. Es müsse dringend etwas passieren: „Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt bundesweit rapide ab. In jedem Jahr läuft für mehr als 50.000 Wohnungen die Mietpreisbindung aus.“

Feiger plädierte dafür, sich am österreichischen Modell zu orientieren. Dort gelte das Prinzip: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung. Auch bei der Mehrwertsteuerermäßigung gebe es bereits Vorbilder in Europa: Spanien beispielsweise praktiziere dies bereits.

Feiger machte deutlich, dass der steuerliche Anreiz der öffentlichen Hand zwar vorübergehend Mindereinnahmen bescheren werde, langfristig werde der Staat aber von einem wachsenden Bestand an Sozialwohnungen profitieren. Denn bereits heute müsse der Staat das Wohnen der Menschen mit erheblichen Ausgaben unterstützen, etwa durch Wohngeld. „Wohngeld baut aber keine Wohnungen“, sagte Feiger. „Es wird höchste Zeit, dass der Staat wieder stärker in die Objektförderung – in den Wohnungsbau - investiert, um künftig bei der Subjektförderung – also der Unterstützung der Menschen – sparen zu können.“

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