Wolfgang Bosbach im Handelsblatt-Clubgespräch „Die AfD hat ihr Maximum erreicht“

Beim Clubgespräch des Handelsblatts schaut CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach in die Zukunft der AfD. Der „Talkshow-König“ äußert sich zu Einbrüchen in Deutschland – und gibt Tipps für einen Auftritt auf der Bühne.

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CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Handelsblatt-Politikchef Thomas Sigmund. Quelle: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt

Berlin Wolfgang Bosbach gilt als der ungekrönte Talkshow-König von Deutschland. Auf der Bühne ist der CDU-Innenpolitiker schon seit Jahren in seinem Element, egal ob bei Maybritt Illner, Anne Will oder beim Wirtschaftsclub des Handelsblatts am Dienstag in Berlin. Talkshow-Neulingen gibt er gleich zu Anfang des Gesprächs mit Thomas Sigmund, Politik-Chef des Handelsblatts einen Tipp für einen gelungenen Auftritt: Authentizität. „Ich glaube die Zuschauer haben ein untrügliches Gefühl, ob jemand sich so gibt, wie er tatsächlich ist“.

Bosbach jedenfalls ist an diesem Abend, wie man es von ihm gewohnt ist. Gleich zu Beginn äußert er seinen Unmut über die erst kürzlich beschlossenen Kaufprämie für Elektroautos. Viele in der Fraktion hätten „erhebliche Bedenken gegen die Förderung“ gehabt, erzählt er. Umso überraschter sei man gewesen, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Subvention am Ende dennoch zustimmte. „Das hinterlässt schon den Nachgeschmack bei jedem einzelnen von uns: Wie viel Einfluss hast du eigentlich?“, klagte Bosbach.

Als Tauschgeschäft für die Kröte, die große Teile der Union schlucken mussten, gelten die kürzlich von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) versprochenen Hilfen für Landwirte, die unter den stark gefallen Milchpreisen leiden. Bosbach verteidigte die Subvention: „Wenn die Politik nichts tut, bekommen wir in Deutschland ein Höfesterben. Ein Milchbauer kann mit 20, 22 Cent pro Liter Milch auf Dauer nicht existieren.“

Thema des Gesprächs im Gebäude des „Tagesspiegels“, zu dem zahlreiche Handelsblatt-Leser gekommen waren, war natürlich auch die Flüchtlingskrise. Bosbach beklagte eine Zunahme der nationalstaatlichen Egoismen. Vor dem Hintergrund äußerte er Zweifel an einer gemeinschaftlichen europäischen Lösung: „Ich glaube nicht, dass es zu einem europäischen Verteilungsmechanismus kommt, mit dem alle Staaten einverstanden wären und der auch in der Praxis funktionieren würde“.

Zurzeit trägt vor allem die Türkei dazu bei, dass die Zahl der Neuankömmlinge in den vergangenen Monaten stark gesunken ist. Eine Kooperation, die der Kanzlerin in Deutschland viel Kritik eingebracht hat. Denn Staatschef Recep Tayyip Erdogan fährt derzeit einen harten Kurs gegen jene, die es wagen, sich ihm entgegen zu stellen. Auch Bosbach kritisierte die Türkei scharf für die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten, die das Parlament im Mai mehrheitlich beschlossen hatte. „Das ist nichts anderes als die Kriminalisierung eines beachtlichen Teils des der Opposition im türkischen Parlaments“.


„Wir senden das Signal aus: Wir können es nicht.“

Die EU hatte der Türkei im Zuge des Flüchtlingsabkommens unter anderem Visa-Freiheit für ihre Bürger in Aussicht gestellt. Teil der Bedingungen, die das Land zuvor erfüllen muss, ist, dass die umstrittenen Anti-Terror-Gesetze abgeschwächt werden. Auch dann, so Bosbach könne es Visa-Freiheit für die Türken jedoch nur in Verbindung mit einer Registrierungspflicht geben. „Beschlossene Sache“ sei zudem schon „eine Art Notbremse, wenn wir feststellen, dass die irreguläre Immigration ansteigt.“

Schon jetzt steht Deutschland mit der Integration der Neuankömmlinge vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Eingliederung der bisher schon in Deutschland angekommenen Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt werde eine Aufgabe von Jahren sein und Milliarden kosten, prognostizierte Bosbach.

Im Zuge der Flüchtlingskrise fühlen sich auch immer mehr Menschen zu der rechtspopulistischen AfD hingezogen. Die Große Koalition hingegen ist in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa Ende Mai erstmals unter 50 Prozent auf 49 Prozent gefallen., die AfD lag in dieser Umfrage sogar bei 15 Prozent. „Die Union muss sich schon selbstkritisch fragen, warum keine Partei so viele Wählerinnen und Wähler an die AfD verliert wie die Union“, mahnte Bosbach. Man müsse sich fragen, warum so viele Wähler zur AfD gehen. „Ich habe das nicht empirisch untersucht, aber ich glaube, es ist wesentlich mehr Protestausdruck der Unzufriedenheit als inhaltliche Überzeugung mit einem Programm der AfD, was die meisten gar nicht kennen.“

Dass die AfD jedoch noch stärker wird, sieht Bosbach nicht. „Ich glaube weder, dass die AfD den Weg der Piratenpartei gehen wird, noch dass sie von 14 auf 24 auf 34 Prozent klettern wird. Ich glaube, dass sie jetzt ihr Maximum erreicht hat.“ Ob eine AfD im Bundestag denn nicht auch den etablierten Parteien „neue Kraft, neue Ideen, neue Lust am Regieren einhauchen würde“, wollte Handelsblatt-Leser Antonius von Borcke wissen. „Mir ist persönlich nicht bekannt, und ich kenne auch kein Beispiel aus den Medien, wo die AfD, einmal in die Parlamente gewählt, wirklich durch einen überzeugende Sacharbeit, durch gute Gesetzentwürfe, intelligente Anträge, auffällt oder andere Parteien vor sich hergetrieben hat“, erwiderte Bosbach.

Auftrieb dürfte den Rechtspopulisten jedoch auch die kürzlich von Innenminister Thomas de Maizière vorgestellte Kriminalstatistik geben. Demnach ist die Zahl der Taschendiebstähle und der Einbrüche in Deutschland im vergangenen Jahr stark gestiegen. „Was ich jetzt sage, ist politisch nicht korrekt, aber es ist die Wahrheit - das ist übrigens eine sehr häufige Kombination “, führte Bosbach aus. „Wir haben eine gemeinsame polizeiliche Kriminalstatistik seit 1994. Damals waren die Zahlen wesentlich höher als heute. Sie sind deutlich zurückgegangen seit 2007. Aber seit 2007 steigen die Zahlen wieder deutlich an.

Dieser deutliche Anstieg ist nicht ausschließlich, sondern weit überwiegend auf ausländische reisende Täterbanden zurückzuführen.“ Wenn man sich anschaue, aus welchen Regionen diese Banden kommen, dann gebe es einen „unbestreitbaren Zusammenhang“ mit der Öffnung der Grenzen zu den osteuropäischen Nachbarn. Es seien meistens reisende Tätergruppen von den baltischen Staaten. „Es hat doch keinen Zweck, davor die Augen zu verschließen.“ Sie kämen aus Georgien, viele stellten in Deutschland einen Asylantrag, der dann Bearbeitungszeit braucht. „Und einige nutzen ihren Aufenthalt in Deutschland, um hier Wohnungseinbrüche zu begehen.“

Es sei nur die zweitbeste Lösung vom Staat, seine Bürger dazu aufzurufen, sich selbst besser zu schützen, so Bosbach. „Wir senden das Signal aus: Wir können es nicht“. Die Polizei brauche mehr Personal, um das Entdeckungsrisiko zu erhöhen und sollte dazu auch mehr Big Data nutzen. „Es gibt Vorhersageprogramme, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit heute prognostiziert werden kann, wo welche Straftaten begangen werden.“

Am Ende des Gesprächs wollte Handelsblatt-Politikchef Sigmund noch wissen, ob Merkel seiner Einschätzung nach noch einmal antritt. Bosbach antwortete mit einem lauten und entschiedenen „Ja!“.

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