Wulffs politische Heimat Die Hannover-Connection

Jahrzehntelang unbemerkt haben Hannoveraner ein gut funktionierendes Netzwerk zwischen Wirtschaft und Politik geknüpft. Einige profitieren davon mehr als andere.

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Christan Wulff (CDU) und seine Frau Bettina mit AWD-Gründer Carsten Maschmeyer. Quelle: dpa

Sie heißt der „Bauch von Hannover“, die Markthalle am Rande der Altstadt von Hannover. Sie ist zentral gelegen: Zum Landtag, wo der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder genauso wie sein Nach-Nach-Nachfolger in Niedersachsen Christian Wulff ihre Lehrjahre als Ministerpräsidenten absolvierten, sind es keine drei Minuten. Das Sozialministerium, wo einmal Ursula von der Leyen residierte, ist sogar nur zwei Gehminuten entfernt. Nur zur  Staatskanzlei, in der neben Wulff und Schröder zwischenzeitlich auch SPD-Chef Sigmar Gabriel seinen Amtsitz gefunden hatte, sind es zehn Minuten. Dort in der niedersächsischen Staatskanzlei lernte auch Frank-Walter Steinmeier die Tiefen und Untiefen der Politik kennen. In der Markthalle war er seltener zu sehen, er galt als „Aktenfresser“.

Im Bauch von Hannover führt Familie Schröder ihre Kinder am Samstag spazieren, Margot Käßmann kauft hier ein, die ehemalige Landesbischöfin, die über eine Trunkenheitsfahrt stolperte und ihr Amt aufgeben musste. Das ist zwei Jahre her und bis heute ist das Thema: „Wer war ihr illustrer Beifahrer?“ eines derjenigen, das an den Capuchino- und Prosecco-Bars in der Markthalle immer wieder für Gesprächstoff sorgt. War es einer, der auch hier Stammgast ist?

Wo Politiker aus- und eingehen sind Journalisten nicht weit. Die Lokalreporter stehen beim Espresso an einer der großen Scheiben nach außen, sie haben das Treiben drinnen und die Geschäftigkeit draußen im Auge. Der FAZ-Korrespondent sucht die Abgeschiedenheit in der Ecke des bayerischen Leberkäs-Standes, wenn er einen Pressesprecher trifft. Der Kommunikationschef vom Autozulieferer Continental liest seine Morgenzeitung, er muss von hier noch vier Stationen mit der U-Bahn fahren, um zur Arbeit zu kommen. Continental und die Landespolitik sind eng verknüpft, seit es Schröders erste Tat als Ministerpräsident gewesen war, Conti vor einer nicht ganz so freundlich gemeinten Übernahme durch Pirelli zu verteidigen.

Conti und natürlich VW sind jene beiden Firmen, die Niedersachsens Beitrag zur Deutschland AG darstellen. Das Stammwerk von VW-Nutzfahrzeuge hat seinen Sitz in Hannover, die Konzernspitze sitzt im 50 Kilometer entfernten Wolfsburg. Das Land besitzt goldene Aktien an VW, die nicht überstimmt werden können. Erst Schröder, später Gabriel, dann Wulff, sowie sämtliche Wirtschaftsminister haben diesen alten Zopf, den die EU-Kommission in Brüssel schon lange abschneiden will, mit Klauen und Zähnen verteidigt. Selbst die FDP, sonst Hüterin liberalen Gedankenguts, ist, wenn ihre Vertreter aus Niedersachsen kommen, für diese Regelung.


Schröders Anwalt mit Beziehungen zu den Hells Angels

Derzeit ist das nicht unbedeutend, denn mit dem Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und seinem neuen Generalsekretär Patrick Döring sind immerhin zwei Spitzenpolitiker der Liberalen in Berlin, die einen Teil ihrer Sozialisierung im Bauch von Hannover absolviert haben.

Carsten Maschmeyer, der ehemalige AWD-Chef, ist seltener hier. Vielleicht zieht er lieber die Gesellschaft von Veronica Ferres vor. Der Schauspielerin gelang übrigens ein Kassenerfolg mit dem Film „Rossini“, einem Streifen über ein italienisches Lokal, dessen Vorbild knapp zwei Kilometer Luftlinie von der Markthalle entfernt in Hannover liegt. Gerhard Schröder lud dorthin gern zum Hintergrundgespräch und auch Schröder Freund Götz von Fromberg kennt das Lokal.

Von Fromberg ist Hannovers prominentester Strafverteidiger, dessen Mandanten sich auch unter den Hells Angels und im Rotlichtmilieu rekrutieren, dessen Bekanntenkreis aber genauso die große Schar der Golf spielenden Angestellten der Deutschen Bank in Frankfurt umfasst. Als Schröder bei seiner vorherigen Frau ausgezogen war, übernachtete er auf dem Sofa von Freund Fromberg und schraubte sein eigenes Messingschild mit Anwaltstitel neben die Türklingel zu Frombergs Kanzlei. Man konnte ja nie wissen, wozu die Anwaltszulassung noch gut sein würde. Der Bauch von Hannover – von hier aus sind es 160 Kilometer bis Hamburg und 220 bis Berlin. Hier gedeiht viel, ohne dass es Störfeuer von außen gibt.

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