Wut auf den neuen Rundfunkbeitrag Wo die Sender unsere Gebühren verschleudern

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Auf Wunsch der Politik

Hund soll Rundfunkgebühr zahlen
Eine kuriose Zahlungsaufforderung zum Rundfunkbeitrag ist Anfang 2015 in Koblenz an einen Janosch Städtler gegangen. Doch dabei handelt es sich um einen Hund - genauer gesagt, um einen sechsjährigen Ungarischen Jagdhund, wie sein Herrchen Christian Städtler berichtet. Dabei schaue Janosch gar nicht gern Fernsehen, meinte Städtler scherzend - anders als sein früherer Hund, der Tierfilme mitgeguckt habe. „Janosch will abends seine Ruhe haben.“ Bleibt die Frage, wie es zu dem Missgeschick kommen konnte. „Das hört sich sehr nach einem Scherz an“, zitierte die „Rhein-Zeitung“ einen Sprecher des Beitragsservices. Angemeldet worden sei das Tier im Internet auf der Seite rundfunkbeitrag.de - vermutlich von einem Witzbold. Quelle: dpa
Auch Tote stehen auf der GEZ-Fahndungsliste: Schon im Jahr 2009 bekam der Rechenmeister Adam Ries, besser bekannt als Adam Riese, Post von der GEZ. Das Adam-Ries-Museum in dessen ehemaligem Wohnhaus im sächsischen Annaberg-Buchholz erhielt ein Schreiben, das den Mathematiker aufforderte, seine Rundfunkgeräte anzumelden. Allerdings war Ries bereits am 30. März 1559 gestorben, also vor gut 450 Jahren. Die Berichte zu der Posse haben das Museum damals sogar im Ausland bekannt gemacht - das fand der Chef des Adam-Ries-Bundes, Rainer Gebhardt, noch ziemlich gut. Erst ein klärender Anruf der Museumsdirektion konnte die Gebührenfahnder davon überzeugen, dass bei Adam Ries nichts mehr zu holen war. Diese wertvolle Information hat die Umwandlung der GEZ in den ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice offensichtlich nicht überdauert: Denn Anfang Februar ist beim Adam-Ries-Museum wieder Post eingegangen. In dem Schreiben wurde "Herr Adam Ries" aufgefordert, für das erste Quartal dieses Jahres 53,94 Euro an Rundfunkgebühren zu entrichten. Der Verein, der das Museum betreibt, habe höflich geantwortet, dass maximal 17,97 Euro fällig sein dürften - wegen der Gemeinnützigkeit von Verein und Museum, teilte Gebhardt mit. Diesmal findet er den Vorfall weniger lustig. "Wir wollen als seriöses Museum wahrgenommen werden", sagte er. Quelle: Gemeinfrei
Bei ihrer Jagd auf Schwarzseher macht die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) keine Kompromisse. So forderte sie 2003 von einer „Frau Walburga ST“ im Münsterland unter Androhung von 1000 Euro Bußgeld ultimativ die Entrichtung von Rundfunkgebühren. Jedoch handelte es sich bei der vermuteten Schwarzseherin um die Heilige Walburga, Schutzpatronin einer katholischen Kirchengemeinde. Der Pfarrer der Kirche schrieb zunächst noch belustigt einen Antwortbrief im Namen der Schutzpatronin: „Ich - um 710 geboren, da es noch keine Radio- und Fernsehgeräte gab - kann ja verstehen, dass man in Zeiten knapper Kassen jedem Hinweis nachgehen muss, wo noch was zu holen ist. Aber dass Sie dabei nicht einmal vor der Kirche und den Heiligen Halt machen, stimmt mich doch ein bisschen traurig.“ Ein Jahr war Ruhe, dann forderte die GEZ von Frau Walburga ST 1242,82 Euro für den Betrieb eines alten Videogeräts im örtlichen Pfarrheim. Quelle: dpa
In München forderte die GEZ einen toten Dackel auf, für seinen Fernseher zu zahlen. 2010 flatterte der ehemaligen Besitzerin des bereits vor fünf Jahren verstorbenen Hundes ein Bescheid ins Haus. Die GEZ entschuldigte sich für die Panne und begründete sie damit, dass der Name des Hundes, "Bini", nicht als Haustiername erkannt worden sei. Zudem würden Besitzer oft den Namen ihres Haustiers etwa bei Gewinnspielen angeben - über Adresshändler landeten die Daten dann bei der GEZ. Quelle: dpa
frau spielt mit baby Quelle: dpa
Auch Dichter Friedrich Schiller war nicht vor einem GEZ-Schreiben gefeiht. Die "Dresdner Morgenpost" berichtete 2008, dass die GEZ Mahnbriefe an die sächsische "Friedrich Schiller"-Grundschule schickte. Die Briefe waren an "Herrn Friedrich Schiller" addressiert; in der Schule hielt man es zunächst für einen schlechten Scherz und antwortete der Zentrale, dass Schiller seit 200 Jahren tot und nicht mehr in der Lage sei, ein Radio anzumelden. Daraufhin erhielt die Schule jedoch nur ein weiteres Mahnschreiben. Quelle: dpa/dpaweb
2010 berichtete die Zeitung „tz“ von einem Brief der GEZ, der an einen Orlando Henne adressiert war. Allerdings handelte es sich bei Orlando um das Haustier eines Münchners. Der Golden Retriever war auf mysteriöse Weise in den Datenbestand der GEZ gelangt. Quelle: dpa

Ernsthaft gedeckelt werden die Wünsche der Intendanten kaum. Zwar überprüfen die 16 Mitglieder der bei der Mainzer Staatskanzlei ansässigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) die Anmeldungen. Für die laufende Gebührenperiode etwa müssen ARD und ZDF auf 304 Millionen Euro verzichten. Die Gebührenwächter hatten ihnen diese zwar zugestanden, die Zahlung aber ausgesetzt, um die Auswirkungen der Beitragsreform abzuwarten.

Jedoch kommen die Gebührenwächter über homöopathische Einsparungen selten hinaus. So machen allein die Personalkosten bei der ARD 34 Prozent der Gesamtaufwendungen aus; hinzu kommen in der laufenden Periode Nettoaufwendungen von 1,5 Milliarden Euro für die nach Vorbild des öffentlichen Dienstes organisierte Altersversorgung der Mitarbeiter. 25 Cent des Rundfunkbeitrags fließen zweckgebunden in diesen Topf. Da kommen die Gebührenwächter kaum dran. Wirklich große Würfe – Medienexperte Hans-Peter Siebenhaar brachte in seinem Buch „Die Nimmersatten“ den Vorschlag, das Erste und das Zweite zusammenzulegen, was auf einen Schlag jährlich zwei Milliarden Euro sparen würde – sind nicht zu erwarten.

Denn zum einen erfordern ernsthafte Reformen das einstimmige Ja aller 16 Länderparlamente. Zum anderen ist ein großer Teil der Leistungen von ARD und ZDF politisch schlicht gewünscht. „Und daran etwas zu ändern ist so gut wie unmöglich“, heißt es resigniert im Umfeld der KEF.

Denn Politik und Intendanten spielen Doppelpass. So waren es letztlich die Ministerpräsidenten, die sich von „ihren“ Sendern immer neue Töchter wünschten. Die KEF rechnete bereits vor zehn Jahren aus, dass ein guter Teil der gebührenfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Senderexplosion auf ausdrücklichen Wunsch der Politik zustande gekommen war: Ohne den deutsch-französischen Kultursender Arte, Phoenix, den Kinderkanal, die ausgebauten dritten ARD-Programme oder den Ausbau des digitalen Rundfunks (DAB) hätte die Rundfunkgebühr nach KEF-Berechnungen schon damals im Monat um 2,30 Euro niedriger sein können.

Mit der neugestalteten Zwangsabgabe wird nun der Ruf nach einer Bestandsaufnahme und genaueren Fassung des Auftrags von ARD und ZDF immer lauter. Claus Grewenig, Geschäftsführer des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien, fordert: „Erst der Auftrag, dann die Finanzen. Die Konkretisierung, was ARD und ZDF eigentlich leisten sollen, muss der erste » » Schritt sein. Er könnte eine erneute Beitragsspirale verhindern und sogar zu Einsparpotenzialen führen.“

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