Werner Zirnzak ist sauer auf Politiker und Fernsehintendanten: „Diese Zuwächse sind regelrecht unsittlich. Die glauben wohl, sie könnten die überbordenden Ausgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf dem Rücken des Mittelstands bezahlen.“
Was den Geschäftsführer beim Industrieverband Technische Textilien in Frankfurt auf die Palme treibt, sind Briefe und Mails seiner 200 Mitgliedsunternehmen, die über den Rundfunkbeitrag klagen, der seit dem 1. Januar fällig ist und sich nach Haushalten und Betriebsstätten richtet. Unternehmen wie die Wagenfelder Spinnereien aus Niedersachsen, Ruess aus Wolfsburg oder TexTechno aus Mönchengladbach müssen viel mehr zahlen: „Zwischen 63 und 525 Prozent höher liegt der neue Beitrag“, schimpft Zirnzak, „der Mittelstand soll als Cashcow für ARD und ZDF herhalten.“
Die wichtigsten Fragen zur neuen Rundfunkabgabe
Sie wird zunächst für jeden Haushalt und Betrieb fällig. Hartz-IV-Empfänger können einen Antrag auf Befreiung stellen. Menschen mit Behinderungen werden mit einem reduzierten Beitrag eingestuft. Bislang richtet sich der zu zahlende Betrag nach den vorhandenen Geräten.
Ab 1.1.2013 kostet die Haushaltsabgabe 17,98 Euro pro Monat. Somit wird es nicht teurer fernzusehen, Radio zu hören oder im Internet zu surfen - zumindest für diejenigen, die schon zahlen.
Ja. Die Gebühr betrifft alle. Verfassungsrechtler haben die Rechtmäßigkeit bereits mehrfach geprüft.
Wer Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder eine Ausbildungsförderung wie Bafög oder Ausbildungsgeld erhält, wird davon befreit - allerdings nur auf Antrag. Blinde oder stark Sehbehinderte, Gehörlose und schwer behinderte Menschen sind künftig nicht mehr grundsätzlich befreit. Sie sollen nunmehr einen ermäßigten Beitrag von einem Drittel der regulären Gebühr zahlen.
Der neue Rundfunkgebühren-Staatsvertrag soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Es ändert sich für bereits zahlende Kunden nichts.
Wer seiner Anzeigepflicht nicht nachkommt oder den fälligen Rundfunkbeitrag länger als sechs Monate nicht oder nur teilweise zahlt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.
Nein. Die Schnüffelei der GEZ ist nicht mehr nötig. Da jeder zahlen muss, ist es egal, ob jemand Geräte hat oder nicht.
Die Beiträge für Firmen werden künftig pro Betriebsstätte erhoben und nach der Zahl der Mitarbeiter gestaffelt.
Die Textilunternehmen stehen nicht allein. Soeben hat die Drogeriemarktkette Rossmann Klage gegen den Beitrag eingereicht. Gleichzeitig hat der Handelsverband HDE nach Informationen der WirtschaftsWoche beim Leipziger Staats- und Medienrechtler Christoph Degenhart ein Gutachten zur Verfassungskonformität der Gebühr in Auftrag gegeben, das Anfang Februar vorliegen soll. Auch Autovermieter Erich Sixt steht Gewehr bei Fuß: Trudelt der Zahlbescheid in Pullach ein, will der Bayer klagen.
Neben zahlreichen Bürgern, die nicht einsehen wollen, dass sie für eine Leistung zahlen müssen, die sie nicht haben wollen, formiert sich bei Unternehmen erstmals breiter Widerstand gegen die Finanzreform im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit gegen ein System, das offenbar keine Grenzen mehr kennt.
Tatsächlich leistet sich die Republik einen Rundfunkapparat, der mit einer Finanzausstattung von zuletzt 7,4 Milliarden Euro im Jahr 2012 allein aus Gebühren weltweit seinesgleichen sucht. Finanziert wird so ein überdimensioniertes Monstergebilde mit 25 000 fest angestellten Mitarbeitern, die täglich 22 TV-Sender, 67 Radioprogramme und eine kaum zu überschauende Zahl von Internet-Seiten füllen.
Wirtschaftskrise und Sparzwänge gehen größtenteils vorbei am öffentlich-rechtlichen Schlaraffenland. Alle vier Jahre melden ARD, ZDF und Deutschlandradio an, was sie mehr an Geldmitteln haben wollen, und bekommen es in den meisten Fällen zugestanden. Denn das ist die Krux des Konstruktes: Was ARD und ZDF bekommen, orientiert sich an den Kosten, die ihnen bei der Erfüllung ihres politisch gewollten Auftrages entstehen. Das führt dazu, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten in der laufenden Gebührenperiode von 2013 bis 2016 mit 29,6 Milliarden Euro Gebührengeldern rechnen können.
Auf Wunsch der Politik
Ernsthaft gedeckelt werden die Wünsche der Intendanten kaum. Zwar überprüfen die 16 Mitglieder der bei der Mainzer Staatskanzlei ansässigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) die Anmeldungen. Für die laufende Gebührenperiode etwa müssen ARD und ZDF auf 304 Millionen Euro verzichten. Die Gebührenwächter hatten ihnen diese zwar zugestanden, die Zahlung aber ausgesetzt, um die Auswirkungen der Beitragsreform abzuwarten.
Jedoch kommen die Gebührenwächter über homöopathische Einsparungen selten hinaus. So machen allein die Personalkosten bei der ARD 34 Prozent der Gesamtaufwendungen aus; hinzu kommen in der laufenden Periode Nettoaufwendungen von 1,5 Milliarden Euro für die nach Vorbild des öffentlichen Dienstes organisierte Altersversorgung der Mitarbeiter. 25 Cent des Rundfunkbeitrags fließen zweckgebunden in diesen Topf. Da kommen die Gebührenwächter kaum dran. Wirklich große Würfe – Medienexperte Hans-Peter Siebenhaar brachte in seinem Buch „Die Nimmersatten“ den Vorschlag, das Erste und das Zweite zusammenzulegen, was auf einen Schlag jährlich zwei Milliarden Euro sparen würde – sind nicht zu erwarten.
Denn zum einen erfordern ernsthafte Reformen das einstimmige Ja aller 16 Länderparlamente. Zum anderen ist ein großer Teil der Leistungen von ARD und ZDF politisch schlicht gewünscht. „Und daran etwas zu ändern ist so gut wie unmöglich“, heißt es resigniert im Umfeld der KEF.
Denn Politik und Intendanten spielen Doppelpass. So waren es letztlich die Ministerpräsidenten, die sich von „ihren“ Sendern immer neue Töchter wünschten. Die KEF rechnete bereits vor zehn Jahren aus, dass ein guter Teil der gebührenfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Senderexplosion auf ausdrücklichen Wunsch der Politik zustande gekommen war: Ohne den deutsch-französischen Kultursender Arte, Phoenix, den Kinderkanal, die ausgebauten dritten ARD-Programme oder den Ausbau des digitalen Rundfunks (DAB) hätte die Rundfunkgebühr nach KEF-Berechnungen schon damals im Monat um 2,30 Euro niedriger sein können.
Mit der neugestalteten Zwangsabgabe wird nun der Ruf nach einer Bestandsaufnahme und genaueren Fassung des Auftrags von ARD und ZDF immer lauter. Claus Grewenig, Geschäftsführer des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien, fordert: „Erst der Auftrag, dann die Finanzen. Die Konkretisierung, was ARD und ZDF eigentlich leisten sollen, muss der erste » » Schritt sein. Er könnte eine erneute Beitragsspirale verhindern und sogar zu Einsparpotenzialen führen.“
Noch scheitert es an der Transparenz der Ausgaben
Voraussetzung fürs Sparen wäre aber, dass die Sender auf Heller und Pfennig ihre wesentlichen Ausgaben veröffentlichen müssten. Daran hapert es bisher. Zwar hat allein das jüngste Gutachten der KEF von Anfang 2012 samt Anlagen stolze 311 Seiten. Auch die statistischen Jahrbücher und Geschäftsberichte der Sender sind dicke Wälzer. Doch das geht etwa den Korruptionswächtern von Transparency International nicht weit genug.
„Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten jährlich detailliert Auskunft darüber geben, wie sie die Beiträge verwenden, die bisherigen Jahresberichte reichen dazu nicht aus“, fordert Transparency-Mitgründer und Vorstandsmitglied Jürgen Marten. Mit der Umstellung sei eine „völlig neue Qualität erreicht: Der Rundfunknutzer hat einen klaren Anspruch darauf, zu erfahren, was mit seinen Beiträgen finanziert wird“, sagt der Jurist.
Dann würde besser sichtbar, wo ARD und ZDF ernsthaft sparen könnten.
Viel Sparpotenzial bieten die Sportrechte, die mit Abstand teuersten Programme. So wird allein die ARD jetzt 420 statt bislang 400 Millionen Euro an die 36 Profi-Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga zahlen.
Die Summe sickerte nach Indiskretionen durch, offiziell nennt die ARD keine Zahl. Privatsender wie RTL, die Rechtepreise über Werbeeinnahmen statt Gebühren refinanzieren müssten, können da nicht mithalten: „Warum sichert sich das ZDF die Champions-League-Rechte mit einem für unsere Verhältnisse wirtschaftlich nicht machbaren Angebot?“, wetterte ProSieben- Sat.1-Vorstandschef Thomas Ebeling, als das Zweite seinem Sender Sat.1 die Rechte für angeblich mehr als 50 Millionen Euro pro Saison wegschnappte.
Mittlerweile haben ARD und ZDF alle maßgeblichen Fußballrechte eingesammelt, ob DFB-Pokal, Fußball-WM oder Frauen-Bundesliga. Ein Verzicht darauf würde Millionen sparen – und die Rechtepreise wohl sinken lassen.
- Zu Millioneneinsparungen würde die Fusion des Saarländischen Rundfunks mit dem SWR sowie von Radio Bremen mit dem NDR führen. Die beiden Klein-Anstalten gelten allein als kaum überlebensfähig, ihr Ende könnte Doppelstrukturen beenden, vom Fuhrpark bis zum Intendanten.
- Hohe Einsparungen ergäben sich bei einer Zusammenlegung der 14 Landesmedienanstalten, die mit knapp 143 Millionen Euro jährlich aus den Rundfunkbeiträgen bezahlt werden. Sie kontrollieren die Privatsender – obwohl Gewerbeaufsicht staatliche Aufgabe ist. Man könnte sie zu einer Regulierungsbehörde zusammenfassen.
- Sparen ließe sich bei den sechs Digitalsendern, für die allein das ZDF 2012 rund 70 Millionen Euro ausgab. Selbst der Ex-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, brachte ein Aus gleich aller sechs Kanäle ins Spiel.
Wo und wie die Sender am besten sparen könnten
- Sparen ließe sich bei den sechs Digitalsendern, für die allein das ZDF 2012 rund 70 Millionen Euro ausgab. Selbst der Ex-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, brachte ein Aus gleich aller sechs Kanäle ins Spiel.
Seit Jahren fordern Kritiker von ARD und ZDF, sich von ihren Beteiligungen an den Produktionsfirmen Studio Hamburg und Bavaria zu trennen. Ihr Vorwurf lautet, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Beteiligungstöchter immer wieder mit Aufträgen versorgen, die private Produzenten preisgünstiger erledigen könnten.
Sparen könnten die Sender auch intern. So unterhält der SWR drei Funkhäuser in Stuttgart, Baden-Baden und Mainz. Hinzu kommen neun Studios, elf Korrespondenten- und zwölf Regionalbüros, davon gleich zwei am Bodensee: eines in Friedrichshafen und in Konstanz. Angesiedelt bei der Sächsischen Staatskanzlei fahndet die Arbeitsgruppe Beitragsstabilität im Auftrag der Länder nach Sparpotenzialen. Sie hat auch die Vielzahl der Rundfunkprogramme der ARD-Anstalten im Visier.
Ob es tatsächlich zu nennenswerten Reformen kommt, bezweifeln Experten. Dabei steigt der Spardruck. Denn derzeit rechnen die Mitglieder der KEF aus, welche Konsequenzen ein komplettes Werbeverbot im Programm von ZDF und ARD hätte, eine alte Forderung der Privatsender. Die KEF-Kalkulation kann Folgen für den Beitragszahler haben: Der müsste den Ausfall der Reklameeinnahmen ersetzen. 2005 hat die KEF das schon mal durchgerechnet. Ergebnis: Der Rundfunkbeitrag müsste steigen, um 1,24 Euro.