Zoff zwischen CDU und CSU Terror spaltet die Union

Der Anschlag von Berlin hat die Diskussion um Merkels Flüchtlingspolitik neu entfacht. Die CSU erhöht den Druck – und strapaziert mit gezielten Attacken das ohnehin schon angespannte Verhältnis zur Schwesterpartei.

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Berlin/München Nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt mit mindestens zwölf Toten ist der politische Streit um Sicherheit und Asylpolitik voll entbrannt. Insbesondere CSU-Chef Horst Seehofer sorgt mit seiner Forderung, nun die gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik neu zu justieren, für Diskussionsstoff.

Während CSU-Fans auf Twitter loben, Seehofer sei der Einzige, der ausspreche, was die Bevölkerung denke, ist die Kritik vonseiten der Opposition und Zeitungskommentatoren groß. Tenor: Der CSU-Vorsitzende versuche, die AfD zu übertrumpfen. Aber auch aus der Schwesterpartei muss Seehofer viel Kritik einstecken. CDU-Politiker werfen Seehofer vor, aus dem Anschlag Profit schlagen zu wollen.

„Erst aufklären, dann sachlich diskutieren und erst am Ende, falls erforderlich, Gesetze ändern“, empfahl die die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer im „Spiegel“. „Für mich ist wichtig, dass wir diese Reihenfolge einhalten und nicht heute bereits voreilige politische Schlüsse ziehen. Wir sollten uns mit schnellen plakativen Forderungen zurückhalten, solange wir nicht alle Fakten kennen.“

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner argumentierte, dass auch die von Seehofer bislang geforderte Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr die Sicherheitslage nicht grundlegend verbessern würde. „Selbst eine Obergrenze gewährleistet doch nicht, dass nur Heilige unter den Flüchtlingen wären“, sagte Klöckner in Berlin.

Und sogar der in der Flüchtlingspolitik selbst als Hardliner geltende baden-württembergische CDU-Innenminister Thomas Strobl rügt im SWR: „Das war gestern nicht sehr klug, über eine Person zu spekulieren, von der sich dann herausstellt, dass sie mit der Tat gar nichts zu tun hat.“

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster kündigte dagegen eine Kursverschärfung seiner Partei in der Asylpolitik an. Er pochte auf eine deutlichere Abgrenzung zur Opposition und zum Koalitionspartner. „Die wohltemperierte Asylpolitik der letzten Monate, die uns allzu oft durch Bundesrat und auch den Koalitionspartner aufgezwungen wurde, sehe ich so nicht als fortsetzbar an“, sagte der Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss des Bundestages nach einer Sondersitzung des Gremiums. So müsse etwa die Ausweitung der Abschiebehaft auf die Tagesordnung.


CSU stellt Spitzentreffen unter Vorbehalt

Seehofer hatte sich schon am Dienstag zu dem Anschlag geäußert und dabei die Flüchtlingspolitik von Merkel infrage gestellt. Wenig später stellt sich jedoch heraus, dass die Polizei zunächst offensichtlich den Falschen festgenommen hatte, ein Flüchtling aus Pakistan wurde wieder freigelassen.

In der Tat herrscht in der CSU Angst, die absolute Mehrheit im Freistaat im bayerischen Landtag könnte bei der nächsten weiß-blauen Wahl 2018 dank AfD flöten gehen. Die Sicherheitspolitik war über Jahrzehnte in Umfragen eine Stärke der Union. Sollten die Bürger CDU und CSU in dieser Hinsicht das Vertrauen entziehen, wäre das fatal für die Wahlaussichten. Und daher reden Seehofer und die CSU derzeit quasi ausschließlich über Sicherheit.

Das CSU-Präsidium unter Parteichef Horst Seehofer stellte am Dienstag das für Anfang Februar geplante Spitzentreffen mit der CDU in München unter Vorbehalt. Es müssten vorher entscheidende Fragen in der Zuwanderungs- und in der Sicherheitspolitik geklärt werden, sonst mache das Treffen keinen Sinn, hieß es in einer Telefonschalte des CSU-Präsidiums.

Die Spitzen der beiden Unionsparteien wollen sich nach bisheriger Planung am 5. und 6. Februar in München treffen, um nach monatelangem Dauerstreit über die Flüchtlingspolitik ein Zeichen der Geschlossenheit zu Beginn des Bundestagswahljahres zu setzen. Nun hieß es aus der CSU-Spitze, in den für die Bevölkerung drängendsten Themen müsse man sich vorher grundsätzlich einig sein. Über einzelne Forderungen wie die nach einer Obergrenze für die Flüchtlingszahlen sei in der Schalte aber nicht gesprochen worden.

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