Zukunft der Abgeltungsteuer Angriff auf die Reichen

Wer ein großes Vermögen besitzt, hat durch die Abgeltungsteuer eine geringere Steuerlast als die arbeitende Mittelschicht. Der CDU-Arbeitnehmerflügel will das ändern – mit Unterstützung von SPD und Grünen.

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Demonstration in Berlin (Archivbild): Kritiker sehen in der Abgeltungsteuer eine

Berlin „Lieber 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix“: So hatte der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge begründet. Jetzt kommt die Pauschalsteuer auf Zinsen, Dividenden und andere Kapitaleinkünfte unter heftigen Beschuss.

Das hat zum einen damit zu tun, dass Politiker von CDU, SPD und Grünen die Privilegierung von Zinseinkünften gegenüber Arbeitseinkommen als ungerecht erachten, aber auch damit, dass immer mehr Länder gegen Steuerbetrug vorgehen. Dahinter stehe die Pläne von bisher fast 100 Staaten, vom Herbst 2017 an untereinander umfassend Daten über Konten, Zinsen, Dividenden und andere Kapitaleinkünfte oder Veräußerungserlöse auszutauschen. Steuerflucht soll so eingedämmt werden, das Bankgeheimnis hat damit praktisch ausgedient.

Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, stellt angesichts des bevorstehenden automatischen Informationsaustausches in Steuersachen die Abgeltungssteuer infrage. Wenn das Projekt eines globalen Informationsaustausches gelinge, „gibt es keinen Grund mehr für eine steuerliche Privilegierung von Kapitaleinnahmen“, sagte der CDU-Politiker dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Wer arbeitet darf nicht schlechter behandelt werden, als derjenige, der Kapitalerträge erzielt.“

Bäumler unterstützt damit ausdrücklich eine entsprechende Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). In einem im Juni veröffentlichten Positionspapier hatte der DGB verlangt, die aus der unterschiedlichen Behandlung von Kapitaleinkommen einerseits und Arbeitseinkommen andererseits herrührende Gerechtigkeitslücke „unverzüglich“ zu schließen.

Bäumler sagte dazu: „Diese Forderung teile ich dahingehend, dass ab 2018 Kapitaleinnahmen nicht mehr mit 25 Prozent, sondern mit dem jeweiligen persönlichen Steuersatz versteuert werden sollen.“ Die Mehreinnahmen sollten nach Meinung Bäumlers in die Sanierung und den Ausbau der Infrastruktur investiert werden.

Der Chef der Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Sieling, sprach von einem wichtigen Signal aus der Union. „Herr Bäumler hat Recht: Spätestens 2018 muss Schluss sein mit der Abgeltungsteuer, besser schon 2017“, sagte Sieling dem Handelsblatt (online-Ausgabe).

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dürfe daher nicht weiter zaudern, sondern müsse unverzüglich mit der Arbeit anfangen und einen Gesetzentwurf erarbeiten. Die Koalition müsse auch in der Steuerpolitik Handlungsfähigkeit zeigen. „Wer jetzt noch warten will, will in Wirklichkeit alles beim Alten lassen“, warnte Sieling. „Ich hoffe, der Vorstoß von Herrn Bäumler sorgt bei der Union endlich für Bewegung in dieser Frage.“


„Nicht alles was populär ist, ist auch richtig“

Eingeführt wurde die pauschale Abgeltungssteuer im Jahr 2009 mit dem Ziel, die Steuerflucht ins Ausland einzudämmen. Von den Kapitalerträgen ziehen die Banken seither anonym und pauschal 25 Prozent ein und leiten das Geld an das Finanzamt weiter. Damit ist die Steuerlast abgegolten. Ihren Arbeitslohn müssen Steuerpflichtige dagegen mit dem persönlichen  Steuersatz, also mit bis zu 45 Prozent, versteuern.  Die Abgeltungsteuer ist daher seit ihrer Einführung umstritten - weil sie diesen großen Unterschied macht.

Daher hält auch die steuerpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Paus, den Vorstoß aus der CDU für richtig, die Abgeltungsteuer abzuschaffen. Allerdings nicht in der nächsten Wahlperiode, sondern sofort. „Die Ungleichbehandlung von Einkünften aus Kapital und Arbeit ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Sie führt zu massiven Steuerprivilegien für hohe Einkommen“, sagte Paus dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Eine Abgeltungsteuer sei heute zudem „noch weniger begründbar als bei der Einführung, weil sich das Entdeckungsrisiko der Steuerhinterziehung wesentlich erhöht hat“, sagte Paus weiter. Das Festhalten an der anonymen Abgeltung passe nicht zusammen mit einem konsequenten Kampf gegen Steuerhinterziehung. „Die Bundesregierung sollte die ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer ernst nehmen, wenn sie ein weiteres Debakel wie bei der Erbschaftsteuer vermeiden will“, so Paus.

Der Steuerzahlerbund lehnt eine Abschaffung der Pauschalsteuer ab. „Nicht alles was populär ist, ist auch richtig“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Natürlich sei die Abgeltungsteuer auch deshalb eingeführt, damit Steuerhinterziehung bekämpft werden könne. „Mindestens genauso wichtig waren und sind aber auch die Vereinfachungseffekte für Steuerzahler und Verwaltung.“ Dies Steuer werde an der Quelle unbürokratisch abgeführt. „Wer dies abschaffen will, erzeugt deutlich mehr Bürokratie“, warnte Holznagel.


Steuerzahlerbund gegen Abschaffung, aber für eine Reform

Holznagel kritisierte zudem, dass in der Diskussion „Vieles durcheinander“ gehe. „So wird ignoriert, dass Kapitaleinkünfte bereits vor Steuern einer besonderen Belastung ausgesetzt sind.“ Zum einen bewirke die Inflation Jahr für Jahr einen Substanzverlust, den die erzielten Zinserträge erst einmal ausgleichen müssten. „Diesen Part vergessen sowohl Gewerkschaften als auch einige Politiker bei der Diskussion.“ Dabei müsse jedem klar sein, dass dieser Inflationsausgleich noch keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermittle. „Eine Besteuerung der vollen Nominalzinsen greift deshalb in die Substanz ein und widerspricht einer gerechten Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip.“

Der Steuerzahlerbund-Chef gab überdies zu bedenken, dass auch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) eine „Bedrohung der Kapitalsubstanz der Sparer“ darstelle. „Die Nominalzinsen sind derart niedrig, dass sie in der Regel nicht einmal eine Geldentwertung kompensieren können“, sagte Holznagel. Eine höhere Zinsbesteuerung würde daher in einer solchen Situation die „Kalte Enteignung“ der Sparer noch zusätzlich verschärfen. „Deshalb ist die Abgeltungsteuer ein geeignetes Instrument, um die besondere Inflationsanfälligkeit des Geldvermögens zu berücksichtigen.“ Ihre Abschaffung sei daher „weder sinnvoll noch ordnungspolitisch geboten“.

Offen zeigte sich Holznagel indessen für eine Reform der Abgeltungsteuer, damit ein ausreichender Inflationsausgleich bewirkt werden könne. Er schlägt vor, den Steuersatz von derzeit 25 Prozent auf höchstens 20 Prozent abzusenken. „Das unterstützt nicht nur die Inflationsbereinigung, sondern trägt auch der erfolgten Verbreiterung der Bemessungsgrundlage – zum Beispiel durch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen unabhängig von der Haltedauer - Rechnung.“

Daneben sollten nach Holznagels Vorstellung die Werbungskosten bei Kapitaleinkünften wieder in tatsächlicher Höhe geltend gemacht werden können. Die Wiedereinführung des Werbungskostenabzugs würde dann den Sparer-Pauschbetrag überflüssig machen. „Er ist durch einen klassischen Sparer-Freibetrag und einen Werbungskosten-Pauschbetrag zu ersetzen“, so Holznagel.


Ausgleich für Geldentwertung schaffen

Darüber hinaus plädiert Holznagel dafür, den Sparer-Freibetrag, der im Jahr 2007 750 Euro betrug und seitdem nicht erhöht wurde, zum Ausgleich der zu erwartenden Geldentwertung auf mindestens 900 Euro anzuheben. Der ursprünglich aus dem Jahr 1975 stammende Werbungskosten-Pauschbetrag von 100 D-Mark oder 51 Euro sollte dann entsprechend der bisherigen Geldentwertung auf 150 Euro erhöht werden. Insgesamt sei dann ein Freibetrag von 1.050 Euro zu gewähren, regte der Experte an. 

„Mit diesen Anpassungen“, so Holznagel weiter, „wäre auch ein gewisser Vorhalteeffekt für die nächsten Jahre sichergestellt.“ Insgesamt würden Kapitaleinkünfte zukünftig in Höhe von insgesamt mindestens 1.050 Euro steuerfrei sein. „Darüber hinaus könnten die tatsächlichen Werbungskosten, sofern sie den Pauschbetrag übersteigen, durch Veranlagung wieder geltend gemacht werden“, fügte Holznagel hinzu.

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