Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde SPD provoziert Unmut in den eigenen Reihen

Die SPD-Bundestagsfraktion blockiert die Wiederwahl des Chefs der Stasi-Unterlagenbehörde. Das sorgt für Unmut - in der Union, aber auch in den eigenen Reihen. Genossen aus Sachsen warnen: „Das kann dem Amt schaden.“

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Was wird aus der Stasi-Unterlagenbehörde? Quelle: dpa

Berlin Wegen der von der SPD-Bundestagsfraktion angestrebten Verschiebung der im März anstehenden Wahl des Chefs der Stasi-Unterlagenbehörde regt sich Unmut innerhalb der Partei. In einem Brief an SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warnt die sächsische SPD vor den Folgen, sollte die Wahl solange hinausgezögert werden, bis das Ergebnis einer Expertenkommission zur Zukunft der Behörde vorliegt.

Bisher vernehme sie bei den Stasi-Opferverbänden „deutliche Irritationen aufgrund des Vorhabens, die Wahl des Beauftragten statt im März erst im Herbst stattfinden zu lassen“, schreibt die Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion im Dresdner Landtag, Hanka Kliese, in dem Brief, der dem Handelsblatt vorliegt. „Aus meiner Sicht kann das dem Amt schaden und sogar „unwürdig“ wirken, zumindest auf die Betroffenen (…).“

Der Arbeitsvertrag des amtierenden Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, läuft im kommenden Monat aus. Der Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Kultur und Medien, Siegmund Ehrmann (SPD), hatte zuletzt erklärt, seine Fraktion wolle Jahn lediglich „kommissarisch“ weiter beschäftigen, bis die vom Bundestag eingesetzte Experten-Kommission ihr Vorschläge über die Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde vorgelegt und der Bundestag darüber befunden habe.

Die Unions-Fraktion will dagegen eine rasche Wahl mit dem Ziel, Jahn in seinem Amt zu bestätigen. Auch die SPD-Politikerin Kliese macht sich für Jahn stark, den sie als „vorbildhaft in seiner Zivilcourage und seinem Engagement für die Freiheit“ bezeichnete.

Seine Entscheidungen seien zwar „sicherlich für die SPD-Fraktion nicht immer bequem“ gewesen, räumte Kliese ein. Doch: „Bei den Menschen, für die Roland Jahn zuständig ist, den Opfern der SED-Diktatur, stießen sie auf hohe Zustimmung.“ Sie selbst habe anlässlich des Bautzen-Forums der Friedrich-Ebert-Stiftung erlebt, welch „hohes Ansehen“ Jahn und seine Tätigkeit in Kreisen der Opferverbände genössen.


Historiker warnt SPD vor Rechtsbruch

Kliese erklärte weiter, dass sie das Ansinnen ihres Parteifreundes Ehrmann respektiere, zunächst die Ergebnisse der Expertenkommission abzuwarten. „Dennoch bitte ich Euch zu berücksichtigen, dass dieser logisch erscheinende Ansatz etliche Betroffene momentan sehr verunsichert“, fügt sie in ihrem Brief an SPD-Bundestagsfraktionschef Oppermann hinzu.

Sie erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass sie selbst einen Genossen kenne, der wegen seiner „mutigen Solidarisierung“ mit dem DDR-Regimekritiker Robert Havemann eine zehnmonatige Haftstrafe im Zuchthaus Cottbus verbüßte. „Für Menschen wie ihn ist eine Aussetzung der Wahl schwer nachvollziehbar“, so Kliese.

Medienberichten zufolge ist sich die Kommission wohl schon einig darüber, die Stasi-Akten künftig dem Bundesarchiv zu überlassen. Kulturausschuss-Chef Ehrmann erklärte dazu, dass es „nie geplant war, die Unterlagenbehörde für die Ewigkeit zu schaffen“.

Dass bis zu einer endgültigen Entscheidung die Wahl des Behörden-Chefs verschoben werden soll, hält auch der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, für ein Unding.

Knabe sagte dazu Ende Januar dem Handelsblatt: „Das wäre nicht nur ein Verstoß gegen geltendes Recht, sondern würde die Opfer der Stasi erheblich verunsichern. Der Bundestag sollte alles vermeiden, was nach einer Abwicklung der Aufarbeitung aussehen könnte.“


Einschneidende Veränderungen für 1600 Mitarbeiter

Der derzeitige Behördenchef Jahn war am 28. Januar 2011 gewählt worden. Laut Gesetz beträgt seine Amtszeit fünf Jahre. Der Bundestag, so Knabe, sei also in der Pflicht, das Amt „zeitnah“ zu besetzen. Knabe appellierte an die im Bundestag vertretenen Parteien, die Wahl eines Bundesbeauftragten spätestens im Februar auf die Tagesordnung zu setzen.

Da Jahn am 14. März 2011 sein Amt angetreten habe, müsse es bis zum 15. März einen neuen geben. „Das Amt des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen sollte wie bisher von parteipolitischen Auseinandersetzungen freigehalten werden“, sagte Knabe. „Eine monatelange Hängepartie würde das Amt und die Aufgabe erheblich beschädigen.“

Der 62-jährige Jahn kam im März 2011 ins Amt und möchte bleiben. Zeitweilig verlautete aus der Kommission, die Bereiche Bildung und Forschung könnten aus der Stasi-Unterlagen-Behörde ausgegliedert und der Rest in Form einer Stiftung oder ähnlichem mitsamt den Stasi-Akten an das Bundesarchiv angegliedert werden. Damit würde die Eigenständigkeit der Einrichtung symbolisch erhalten.

In jedem Fall ist mittelfristig mit einschneidenden Veränderungen für die zuletzt 1600 Mitarbeiter zu rechnen.

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