Zukunft Deutschlands Willkommen im Mutti-Staat

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Merkel gibt sich siegestrunken. Aber sie sollte nicht

Reaktionen aus der Wirtschaft auf das Wahlergebnis
Wolfgang Grupp, alleiniger Inhaber und geschäftsführender Gesellschafter der Textilfirma Trigema Quelle: dpa
Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks ZDH: "Auf die kommende Bundesregierung warten große Herausforderungen: Die Bewältigung des demografischen Wandels; die Sicherung der wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen; die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands; entschlossenes Handeln hinsichtlich der energiepolitischen Baustellen sowie eine engagierte Bildungspolitik zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. Mit Tatkraft muss die Zukunftsfähigkeit Deutschlands abgesichert und weiterentwickelt werden. In diesem Sinne setzen wir auf eine zügige Regierungsbildung." Quelle: Presse
Patrick Engels, Geschäftsführender Gesellschafter der Pöschl Tobacco Group "Die Wahlberechtigten haben sich eindeutig gegen eine Politik der Steuererhöhungen und der Verbote bzw. der Einmischung vermeintlicher Gutmenschen in die Lebensgestaltung mündiger Bürger ausgesprochen. Nun geht es darum, diese Wünsche des Souveräns auf sowohl nationaler wie internationaler Ebene - und hier insbesondere in Brüssel - umzusetzen."
Stephan Koziol, Geschäftsführer Koziol Designprodukte:"Mein Resümee dieser Wahl: Die FDP hat ihren Markenkern komplett verloren, die Grünen haben ihren stark verschliffen. Die Kommunikation des Kundennutzens war bei beiden Parteien im Vorfeld katastrophal. Den restlichen Parteien ist es deutlich besser gelungen, ihre Botschaften an die Wähler zu bringen. Mein Wunsch an die künftige Regierung ist, dass sie so wenig neue Gesetze wie nur irgend möglich erlässt und das Erneuerbare-Energien-Gesetz schnellstens mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand für Deutschland erträglich korrigiert." Quelle: Presse
Friedrich von Metzler, Privatbankier Quelle: dpa
Verband der deutschen Unternehmerinnen (VdU), Präsidentin Stephanie Bschorr „Von der neuen Bundesregierung unter CDU-Führung erwarte ich vor allem einen deutlichen Schub für mehr Präsenz von Frauen in den Führungsfunktionen der deutschen Wirtschaft. Die Mitglieder des VdU fordern von der neuen Regierung vor allem eine starke Berücksichtigung der Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass mit dem Ausscheiden der FDP eine wirtschaftsnahe Partei im Deutschen Bundestag nicht mehr vertreten sein wird." Quelle: Presse
Dieter Kempf, Präsident Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom)„Wir gratulieren Union und SPD zu ihren Wahlerfolgen. Aus Perspektive der Hightech-Wirtschaft muss möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung gebildet werden, auch damit in der digitalen Wirtschaftspolitik die notwendigen Akzente gesetzt werden können. Hier sehen wir in erster Linie die beiden großen Volksparteien gefordert. Netzpolitik gehört mit ins Zentrum des nächsten Regierungsprogramms. Sicherheit und Datenschutz, der Aufbau intelligenter Netze u.a. in den Bereichen Energie, Verkehr und Gesundheit, die Modernisierung unseres Bildungswesens oder die Förderung von Start-ups sind Aufgaben, die schnellstmöglich und mit Nachdruck angegangen werden müssen. Netzpolitik muss sowohl im Parlament und als auch auf Seiten der Bundesregierung fest verankert werden. Dazu zählt an erster Stelle die Einrichtung eines ständigen Bundestagsausschusses ‚Internet und digitale Gesellschaft‘.“ Quelle: Presse

Zwar hat es die Alternative für Deutschland knapp verpasst, in den Bundestag einzuziehen. Trotzdem ist ein Ergebnis von 4,8 Prozent mit nur wenigen Monaten Vorlauf eine kleine Sensation. Das hat bisher noch keine Neugründung geschafft. Mag sie auch von vagabundierenden Protestwählern profitiert haben, die bei jeder Wahl dort ihr Kreuz machen, wo es die etablierten Parteien besonders schmerzt – mal bei den Piraten, mal bei der AfD. Aber die große Masse der Wähler kam von der FDP und der Union.

Der relative Erfolg der AfD ist auch die Quittung für eine schönfärberische Europapolitik aller anderen Parteien (bis auf die Linkspartei). Das gilt nicht nur für die Eurorettung. Seit mehr als zehn Jahren gibt es in Deutschland das ungute Gefühl, dass wir zahlen, während die anderen kassieren. Das mag oberflächlich sein, aber es ist der etablierten Politik nicht gelungen, den Nutzen des Binnenmarktes dem Normalbürger zu erklären und zu beweisen.

Verstärkt wurde dieses Gefühl durch die für jeden sichtbare Mogelei bei der Euroeinführung, bei den Rettungspaketen und bei den Erweiterungen der EU. Es wurde ja nicht einmal bestritten, dass beispielsweise Bulgarien und Rumänien die Beitrittsvoraussetzungen in punkto Rechtsstaat und Korruptionsbekämpfung nicht erfüllten. Trotzdem durften sie zum verabredeten Zeitpunkt beitreten.  Stets hieß es, ein Zurückweisen würde die europäische Idee beschädigen. Das Gegenteil war richtig, und die Bürger haben es richtig gespürt.

Die Durststrecke des politischen Permafrostes dürfte für die Euroskeptiker denn auch kürzer sein als für die Liberalen. Denn schon im kommenden Sommer dürfte die große Stunde der Alternative gekommen sein. Bei den Europawahlen steht ihr Thema automatisch auf der Tagesordnung und lässt sich nicht mehr wegschweigen. Zudem hat bis dahin Griechenland voraussichtlich seinen nächsten Geldbedarf angemeldet, und wie es – bei Fortsetzung des aktuellen Trends – im Juni unserem französischen Nachbarn geht, darüber traut man sich gar nicht nachzudenken. Der Tisch für die AfD ist im Juni bereitet. Und mit der ansehnlichen Wahlkampfkostenerstattung aus der Bundestagswahl wird die AfD in der Lage sein, einen noch auffälligeren Wahlkampf als diesmal hinzulegen.

Noch gibt sich die Merkel-CDU siegestrunken. Aber sie sollte nicht

übersehen: Wenn sich die AfD stabilisiert, setzt auch auf dem bürgerlichen Flügel eine Zersplitterung ein, wie sie auf im linken Lager bereits seit zwei Jahrzehnten voranschreitet. An der SPD ist zu besichtigen, wohin das führt. Im europäischen Vergleich ist der Vormarsch einer euroskeptischen Partei zwar ein Schritt zur Normalität. Aber eine Zersplitterung der deutschen Parteienlandschaft auf sechs, sieben oder noch mehr Kräfte ist kein Beitrag zur politischen Stabilität.

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