Zukunftsängste in Deutschland „Generation Mitte“ im Stimmungstief

Die Umfrageergebnisse überraschen selbst die Meinungsforscher: Die Deutschen mittleren Alters blicken mit Angst in die Zukunft. Die Stimmungslage ist so schlecht wie zu Zeiten der Korea- oder Öl-Krise.

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Flüchtlinge, Niedrigzinsen, Digitalisierung, Terrorismus: Die „Generation Mitte“ macht sich viele Sorgen. Quelle: dpa

Berlin Die Stimmung erinnert an die Korea-Krise. Oder an die Ölkrise in den Siebzigern, die Anschläge vom 9. September 2001 oder die Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009. Fragt man die so genannte „Generation Mitte“, also die 30- bis 59-Jährigen in Deutschland, dann schätzen sie ihre eigene Lage und auch die Lage im Land so schlecht ein wie zur Zeit dieser großen Krisen.

1100 Menschen aus dieser Altersgruppe hat das Allensbach Institut im Juni im Auftrag des Versicherungsverbandes GDV befragt. Und die Ergebnisse haben in ihrer Deutlichkeit selbst die Meinungsforscher überrascht. Nur 43 Prozent der Deutschen im mittleren Alter sehen den kommenden zwölf Monaten mit Hoffnung entgegen. Fast genauso viele fürchten sich: Vor den immer größer werdenden Unterschieden zwischen Arm und Reich, steigender Fremdenfeindlichkeit, terroristischen Anschlägen, den vielen Flüchtlingen. Aber auch vor niedrigen Zinsen und dem Fachkräftemangel in einigen Branchen.

„Eine solche Stimmung hatten wir seit Beginn unser Aufzeichnungen im Jahr 1949 nur sieben Mal“, bringt Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) auf den Punkt. Eben zu Zeiten der großen politischen und wirtschaftlichen Krisen.

Bereits zum vierten Mal haben die Meinungsforscher im Auftrag des GDV die Bevölkerungsgruppe der 30-59-Jährigen befragt. Sie prägen deshalb besonders das Bild, weil sie für 70 Prozent der Erwerbstätigen im Land stehen und für 82 Prozent der steuerpflichtigen Einkünfte. Noch nie waren die Ergebnisse so schlecht wie diesmal. Noch vor einem Jahr gingen 57 Prozent der Befragten hoffnungsvoll in die kommenden zwölf Monate.

Die schlechten Ergebnisse vom Juni dieses Jahres nahmen die Meinungsforscher zum Anlass, nun jeden Monat nach dem Befinden der Deutschen zu fragen. Das Ergebnis vom August war indes noch schlechter. Nur noch 37 Prozent blickten da mit Hoffnung in die Zukunft.


Meinungsforscher sehen Schuld bei der Bundesregierung

Für die deutschen Versicherer ist die Umfrage ein Warnsignal, das sie sehr ernst nehmen. Zwar haben sich die größeren Herausforderungen unter den Kunden inzwischen hinreichend herumgesprochen. Dass länger gearbeitet werden muss, die Renten- und Krankenkassenbeiträge steigen und auch die Notwendigkeit besteht, privat für das Alter vorzusorgen. All das gehört mittlerweile zum allgemeinen Konsens.

Dem gegenüber steht aber in erschreckender Weise, dass der Anteil der Menschen mittleren Alters, die auf jegliche materielle Planung verzichten, in den vergangenen beiden Jahren von 18 auf 23 Prozent gestiegen ist. „Dabei ist die deutsche Bevölkerung im europäischen Vergleich bei solchen Fragen mit am besten informiert“, beobachtet Studienleiterin Köcher hier. Es herrscht somit eine große Diskrepanz zwischen dem, was die Menschen für notwendig halten und dem, was ihnen möglich erscheint. Immerhin sagen sogar knapp 40 Prozent der Befragten und damit der mit Abstand größte Teil, dass sich ihre finanzielle Zukunft auf weniger als fünf Jahre im Voraus planen lässt.

Eine erhebliche Mitschuld an dieser Stimmungslage beim leistungsfähigsten Teil der Bevölkerung sieht die Geschäftsführern des Allensbach Instituts in der Politik seit dem Spätsommer 2015. Viele Themen bereiten seither den Menschen Sorgen: Die Flüchtlingskrise steht dabei an erster Stelle. Zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass die gut eine Million angekommener Menschen im vergangenen Jahr in Deutschland weniger oder gar nicht gut in die Gesellschaft einzugliedern sind. Umgekehrt glaubt nur ein Prozent, dass dies sehr gut gelingen könnte.

„Man hat die Bevölkerung wie ein kleines Kind behandelt“, schimpfte die Allensbach-Geschäftsführerin. Die Politik habe die Kontrolle verloren, aber den Menschen gesagt, sie könnten ruhig schlafen.
Ähnlich stehe es bei Themen wie der Inneren Sicherheit. Auch hier gehen zwei Drittel laut der Umfrage davon aus, dass die Zahl der Verbrechen weiter zunehmen wird. Auch dieses Problem habe die Politik viel zu lange ignoriert, glaubt Renate Köcher. Die Terroranschläge der vergangenen Monate, aber auch die höchste Zahl an Wohnungseinbrüchen seit 2003 haben die Menschen bei diesem Thema sehr sensibilisiert.

Beinahe wehmütig blickt GDV-Präsident Alexander Erdland daher auf die Umfrageergebnisse von vor einem Jahr. Fast alle Befragten waren da mit ihrem eigenen Leben und mit ihrem Land überaus zufrieden. Und auch der Blick in die Zukunft zeigte großen Optimismus. Der ist nun verschwunden. „Die Besorgnis ist wieder da“, lautet seine eher düstere Prognose für die nächsten zwölf Monate.

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