Herr Dittmer, Sie kommen aus Schleswig-Holstein, dem Land mit den meisten Windrädern Deutschlands. Gibt ihnen der Blick aus dem Fenster ein gutes Gewissen?
Gonde Dittmer: Es wäre schön, wenn wir beim Blick auf all die Windräder hier frohen Mutes sein könnten und Augenzeugen wären, wie der CO2-Ausstoß kräftig gesenkt wird. Das wäre wahrhaft beruhigend. Aber das hat mit der Realität natürlich nichts zu tun. Bisher wurde durch die Energiewende nicht eine Kilowattstunde fossile Energie eingespart und nicht ein Kilogramm CO2-Emission vermieden, eher ist das Gegenteil der Fall.
Sie unterstützen die These von Friedrich Schmidt-Bleek, der von Grünen Lügen sprach und im Interview mit uns ausführte, dass die Erneuerbaren alles andere als grün sind?
Ja, natürlich. Angeblich erzeugen wir etwa 25 Prozent unserer verbrauchten elektrischen Energie erneuerbar. Das aber ist eine Täuschung, weil der fossile Energieaufwand weder zur Erzeugung noch zum Betrieb der Anlagen berücksichtigt wird.
Zur Person
Gonde Dittmer ist ehemaliger Professor der Fachhochschule Kiel (Regelungstechnik, elektrische Antriebe, Management). Der Elektrotechniker war zuvor Vorstandsmitglied und Aufsichtsratsvorsitzender eines international tätiges Automobilzulieferunternehmens, sowie eines IT-Unternehmens. Von 2005 bis 2013 war Dittmer Mitglied im Beirat des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft. Dittmer ist Autor mehrerer Fachbücher.
Wie hoch ist der fossile Aufwand?
Wir erzeugen zwar – bezogen nur auf den elektrischen Energieverbrauch – acht Prozent Windenergie und 4,3 Prozent Solarenergie. Diese 12,3 Prozent reduzieren aber nicht die Menge an fossiler Primärenergie um 12,3 Prozent. Die Folge ist im Gegenteil eine erhöhte CO2-Emission. Wenn es um CO2-Emissionen geht, darf man außerdem nicht nur den Verbrauch elektrischer Energie, sondern muss die gesamte verbrauchte Energie betrachten. Ein Windrad braucht etwa vier Jahre um die Energie zurückzugewinnen, die bei der Herstellung benötigt wurde. Also: Erst nach frühestens 48 Monaten liefert ein Windrad netto eine erste Kilowattstunde Strom.
Aus diesen Gründen schwitzt die Erde
Die Anzahl der Menschen auf der Erde wächst jedes Jahr um etwa 70 bis 80 Millionen Personen. Das entspricht fast der Bevölkerungsgröße Deutschlands. Bis 2050 soll laut Schätzungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dass die Kinder nicht hierzulande oder bei unseren europäischen Nachbarn geboren werden, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika und Asien wächst die Bevölkerungszahl. Dadurch wächst auch der Bedarf an Rohstoffen, Energie, Wasser und Nahrung.
Trotz Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1992 hat sich der CO2-Ausstoß kaum verringert. Lediglich als 2009 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Industriestätten weniger produzierten, sank der Wert der Kohlendioxidemission auf 784 Millionen Tonnen. Schon ein Jahr später lag der Wert wieder bei 819 Millionen Tonnen. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen in nur wenigen Ländern wie China, den USA und der EU.
Während Carsharing und der öffentliche Nahverkehr in Ländern wie Deutschland in Zeiten hoher Benzinkosten viele Anhänger findet, ist der weltweite Trend eindeutig ein anderer. Immer mehr PKW fahren über den Globus. 2010 wurde erstmals die Eine-Milliarde-Marke geknackt. Besonders viele Autos pro Einwohner werden in Monaco und den USA gefahren.
Der seit Mai 2012 stetig ansteigende Ölpreis hat dafür gesorgt, dass Kohle wieder an Attraktivität gewonnen hat. Die Wiederauferstehung der Kohle ist für die Umwelt eine Katstrophe. Laut BUND sind Kohlekraftwerke mehr als doppelt so klimaschädlich wie moderne Gaskraftwerke. Die großen Dampfwolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke machen ein anderes Problem deutlich: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht meist als ungenutzte Wärme verloren.
Das Handout der Umweltschutzorganisation WWF zeigt die illegale Abholzung eines Waldgebietes in Sumatra (Indonesien). Jährlich gehen knapp 5,6 Millionen Hektar Wald verloren. Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt entsprechend mit zur globalen Erderwärmung bei. Denn die Wälder speichern Kohlendioxid.
Rinder sind wahre CO2-Schleudern. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. In diese Rechnung fließen mehrere Faktoren ein. Zum einen können auf dem für die Rinder genutzten Weideland keine Wälder mehr wachsen. Zum anderen scheiden Rinder das klimaschädliche Gas Methan aus. Laut WWF sind in Deutschland fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen auf die Ernährung mit tierischen Produkten zurückzuführen.
Nicht nur Unmengen an Verpackungsmüll produzieren die Deutschen. Wir schmeißen auch jede Menge Lebensmittel weg, pro Kopf etwa 100 Kilogramm pro Jahr. Auch diese Verschwendung wirkt sich massiv negativ auf das Klima aus.
Flugzeuge stoßen CO2, Stickoide, Wasserdampf, Ruß, Sulfat und andere Partikel aus und verpesten so die Umwelt. Die größte Klimawirkung hat laut atmosfair.de das reine CO2, das immer beim Verbrennen von Benzin oder Kerosin entsteht. Außerdem die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, der Aufbau vom Treibhausgas Ozon in einem sensiblen atmosphärischen Stockwerk sowie der Abbau von Methan.
Das dürfte bei den Anlagen der neuesten Generation anders sein.
Bitte, ich werbe für eine Politik mit Sinn und Verstand. Im Augenblick werden Windräder bereits „repowert“. Das heißt: Ältere Anlagen, die fünf oder acht Jahre alt sind und gerade ein paar Monate oder Jahre dabei sind, netto Energie zu erzeugen, werden ersetzt durch größere Anlagen, die wiederum mit noch größerem Energieverbrauch und Kohlenstoffdioxidausstoß hergestellt wurden. Das ist völlig kontraproduktiv. So wird der Zeitpunkt des Nutzens immer weiter nach hinten verschoben. Mein Verdacht ist daher: Das wahre Ziel der Energiewende ist nicht die Reduktion von Kohlenstoffdioxidemissionen – sondern der ökonomische Gewinn.
Aber es profitieren doch längst nicht alle! Gewinn machen die Besitzer von Solarzellen und Windrädern – zulasten der Privathaushalte. Die Verbrauchenr müssen immer höhere Stromrechnungen bezahlen.
Das ist wahr. Nicht alle profitieren von der Energiewende. Es handelt sich um eine Umverteilung von unten nach oben. Profitieren tun zum Beispiel die Firmen, die die Energieerzeugeranlagen herstellen. Die Länderregierungen können auch zu den Siegern zählen, nämlich dann, wenn sie den Wettlauf um die Beute aus den Subventionstöpfen gewinnen. Schleswig-Holstein erweist sich hier als besonders stark. Die Länder streichen die hohen Subventionen ein und lassen alle Stromkunden für die Verluste an den Börsen zahlen.
Nicht zu vergessen sind die Investoren und die Landbesitzer, die vielleicht größten Profiteure. Jeder Bauer, der einen Hof geerbt, hat, kann bei einem optimalen Standort bis zu 100.000 Euro im Jahr an Standmiete für eine Windkraftanlagen einstreichen. Da ist es doch verständlich, wenn der Landwirt seine Kühe abschafft. Das ist absurd. Die Subventionen sind so hoch, dass die Investoren es sich leisten können diese Summen zu zahlen – und selbst noch massiv profitieren.
Verlierer sind wie Sie richtig sagen neben dem Klima die Privathaushalte, die dieses System mit Zwangsabgaben finanzieren. Das Perfide dabei ist: Die Bürger machen gerne mit. Denn ihnen wird suggeriert, dass sie etwas Gutes tun. Das glauben sie auch. Sie sind außerstande, dieses komplexe System zu durchschauen.
"Energiewende beruht auf Naivität, Unwissen und Ideologie"
War der Atomausstieg ein Fehler?
Die Stilllegung von Kernkraftwerken ist nur ein Randaspekt. Ob wir nun zehn oder 15 Atomkraftwerke am Netz haben oder keines, macht kaum einen Unterschied. Denn: Unser Gesamtenergieverbrauch wird zu 80 Prozent aus nicht-elektrischer Energie bestritten. Wir müssen den Großteil unserer Energie fossil gewinnen. Die Vorstellung, die uns von Umweltpolitikern vermittelt wird, die Erzeugung von alternativer Energie sei praktisch kostenlos, finanziere sich von selbst und würde sogar zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, ist eine naive Illusion. Wir verfügen auf Sicht nicht über eine Technologie und die Mittel für eine ernsthafte Alternative. Die bisherige Energiewende-Politik beruht auf Naivität, Unwissen, Ideologie, Illusionen sowie falschen Anreizen.
Der Klimawandel in Zahlen
Um 70.000 km² – das entspricht etwa der Größe Bayerns – ist der Eispanzer der Arktis in diesem Sommer gegenüber 2007 geschrumpft. 2050 könnte das nördliche Polarmeer im Sommer eisfrei sein.
Fast verfünffacht hat sich die Zahl der Wetterkatastrophen in Nordamerika seit 1980. In Asien legte sie um das Vierfache, in Europa um das Zweifache zu.
Rund ein Drittelsaurer sind die Meere geworden. Folge: Korallen, Muscheln und Fische wachsen langsamer. Bis 2100 könnte die Versäuerung um 150 Prozent steigen.
0,4°C ist die Erde seit 1980 wärmer geworden. Bis 2100 könnte sich das Klima um rund vier Grad aufheizen.
Um 5 cm sind die Meeresspiegel seit 1990 im Mittel gestiegen. Bei einer globalen Erwärmung um zwei Grad werden die Pegel wahrscheinlich um 2,7 m höher sein.
Um 15 Prozent sinkt die Reisproduktion bis 2050 in den Entwicklungsländern als Folge der globalen Erwärmung. Bei Weizen werden 13 Prozent weniger geerntet werden.
Wenn wir die Energie nicht – wie Sie sagen – in dem Maße sauber herstellen können, wie benötigt, bleibt dann nur die massive Reduzierung unseres Energieverbrauchs?
Ja, ich denke schon. Wir müssen uns komplett neu aufstellen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir hochverdichtete Energie in Form von Kohle und Gas und Öl in der Größenordnung von 500 Millionen Tonnen jährlich verbrauchen. Das ist eine unvorstellbar große Menge. Zu glauben, dass wir diese Energie durch das Aufstellen von ein paar Windmühlen und Solardächer aufbringen können, ist absurd. Eine einfache Rechnung zeigt, dass wir mehr als hundert mal so viele Windmühlen bräuchten wie wir zur Zeit haben, um unsere gesamte Energie erneuerbar zu erzeugen. Das aber ist unrealisierbar. Die geplanten Stromautobahnen stellen keinen sinnvollen Ansatz zur Energiewende dar, so plausibel das auf den ersten Blick erscheinen mag. Wir benötigen im Gegensatz dazu Energiespeicher, die jedoch unbezahlbar sind. Wir haben dazu die Flächen nicht, wir haben das Geld nicht und wir haben die Technik nicht. Der einzige Weg ist, beim Verbrauch anzusetzen.
Ist es folglich ein richtiger Schritt, mehr auf Hybrid- oder Elektroautos zu setzen?
Nein, ganz im Gegenteil. Wenn ich ein Elektroauto in den Verkehr bringe, habe ich einen zusätzlichen elektrischen Verbraucher. Ich muss das Auto ja aufladen – mit Strom, statt mit Benzin. Wir brauchen also mehr Strom. Wenn ich diesen Mehrbedarf aus den Erneuerbaren Energien abzweige, dann kann ich damit weniger fossile erzeugte Energie reduzieren. Oder ich produziere den benötigten Strom direkt aus Kohlekraft. Es entsteht so oder so ein hoher Teil an CO2-Emissionen. Hinzu kommt: Der Strom, der bereitgestellt wird, steht nur zu 50 bis 60 Prozent für den eigentlichen Zweck, der Fortbewegung, zur Verfügung.
Verbrauchswerte von Hybridautos
Motor: Drei-Zylinder-Benziner + Elektromotor
Leistung: 231 PS Benzinmotor + 131 PS Elektro
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 4,4 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Verbrauch: 2,1 Liter Super/100 km nach ECE-Norm CO2-Ausstoß: 49 Gramm pro km
Gewicht: 1485 Kilogramm
Verkaufspreis: Basispreis: 126.000 Euro
Leistung: 416 PS (Elektro und Benzin)
Fahrleistungen: elektrische Reichweite 30 km, 270 km/h
Normverbrauch: 3,1 Liter pro 100 km
Preis: ab 110.409 Euro
Leistung: 280 PS (Elektro und Diesel)
Fahrleistungen: elektrische Reichweite 50 km, 230 km/h
Normverbrauch: 1,8 Liter pro 100 km
Preis: ab 58.710 Euro
Leistung: 203 PS (Elektro und Benzin)
Fahrleistungen: elektrische Reichweite 50 Kilometer, 170 km/h
Normverbrauch: 1,9 Liter pro 100 km
Preis: ab 39.990 Euro
Leistung: 204 PS (Elektro und Benzin)
Fahrleistungen: elektrische Reichweite 50 km, 222 km/h
Verbrauch: 1,5 Liter pro 100 Kilometer
Preis: ab etwa 37.000 Euro
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir eine Batterie haben, dass wir einen Elektromotor haben, die einen Wirkungsgrad von jeweils unter 100 Prozent besitzen. Maximal 60 Prozent der aufgewendeten, fossil erzeugten Energie dient also der Fortbewegung. Und das auch nur bei Spitzenbedingungen im Sommer. Unterm Strich emittiert ein Dieselauto damit nur etwa die Hälfte der CO2-Gase im Vergleich zu einem Elektroauto. Wir brauchen sinnvolle und radikale Lösungen, keine Schnellschüsse.
Wie radikal muss der Wechsel ausfallen?
Das muss die Gesellschaft in einer offenen Diskussion klären. Meine Großeltern hatten nur ein einziges beheiztes Zimmer im ganzen Haus. Heute haben wir in jedem Zimmer eine Heizung. Wollen wir daran etwas ändern? Nein, natürlich nicht. Aber wir sollten uns schon fragen, ob es sinnvoll ist, Krabben, die in der Nordsee gefangen werden, zum Puhlen nach Tunesien zu fliegen. Apropos fliegen: Es kann nicht sein, dass sich unsere Mitbürger Solarlichter in den Garten stellen und denken, dann sei es auch kein Problem, in den Urlaub auf die Malediven fliegen. Hier muss ein Umdenken her. Das alleine wird nicht reichen, aber es wäre ein wichtiger Schritt.