Zwieback für den Notfall Was Sie zum neuen Zivilschutzkonzept wissen sollten

Am Mittwoch stellt Bundesinnenminister Thomas de Maizière ein neues Konzept für den Zivilschutz vor. Warum jetzt? Wie groß ist die Gefahr? Wie wird im Notfall gewarnt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Ein Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) kontrolliert die Wasseraufbereitungsanlage in Simbach am Inn, die nach der Flutwelle in Niederbayern Anfang des Jahres aufgebaut wurde. Quelle: dpa

Die Bundesregierung sorgt mit einem neuen Zivilschutzkonzept für Wirbel. Das 69-seitige Konzept aus dem Haus von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) fordert die Bürger auf, Vorsorge für den Fall einer Katastrophe oder militärischen Verteidigung zu treffen. Gleichzeitig beschreibt es Maßnahmen, die Krankenhäuser, Behörden und Technisches Hilfswerk ergreifen sollen. Es soll Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden.

Warum kommt das Konzept gerade jetzt?

Dass das Konzept zur Notfallvorsorge ausgerechnet jetzt aufpoppt, ist eher Zufall. Eigentlich wurde das Konzept schon vor vier Jahren in Auftrag gegeben. Es gibt zwar seit 2004 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), das als Folge der Elbe-Hochwasserkatastrophe von 2002 entstanden ist. Es empfiehlt den Bundesbürgern bereits seit langem, sich mit dem Anlegen ausreichender Vorräte für den Krisenfall zu wappnen. Doch der Bundesrechnungshof vermisste 2012 ein schlüssiges Gesamtkonzept für den Zivilschutz, das der Bund nach dem Ende des Kalten Krieges vernachlässigt hat. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte das Konzept deshalb 2012 initiiert. Nun will das Kabinett das neue Papier am Mittwoch verabschieden.

Die Bundesregierung will am Mittwoch ein neues Zivilschutzkonzept beschließen. Schon diskutiert die Republik über Sinn und Notwendigkeit von Hamsterkäufen. Was dahinter steckt.
von Niklas Dummer

Was soll in den Notfallkoffer?

Die Faustformel lautet: Jeder Bürger sollte Lebensmittel für zehn Tage und Trinkwasser für fünf Tage im Keller haben. Je mehr Personen in einem Haushalt leben, desto höher müssen die Vorräte sein. Ziel der vorgeschlagenen Maßnahmen: Die Bevölkerung soll im Notfall zum Selbstschutz fähig sein, bevor staatliche Maßnahmen anlaufen, um eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Energie und Bargeld sicherzustellen. Das BBK stellt zudem eine Liste mit den geeigneten Lebensmitteln ins Netz. Die Maxime lautet: keine Experimente. Gelagert werden sollten nur Lebensmittel, die man sonst auch isst. Außerdem soll das Essen auch ohne Kühlung wochenlang haltbar sein.

Welche Aufgaben übernimmt der Staat?

Auch Krankenhäuser und Behörden sollen Vorsorge treffen, und zwar in Form von Pockenimpfstoffen, Antibiotika und Jod-Tabletten. Die Medikamente sollen die Gesundheit bei so genannten ABC-Angriffen schützen. Dabei handelt es sich um Angriffe mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen. Auch Unterstützung für die Armee ist geplant. Falls militärische Einheiten verlegt werden, müssten zivile Einrichtungen etwa dafür sorgen, dass die Straßen frei sind. Bereits Anfang August war bekannt geworden, dass das Konzept die dezentrale Einlagerung von Erdölreserven für 90 Tage, eine staatliche Notversorgung der gesamten Bevölkerung mit Wasser für mindestens 14 Tage durch Brunnen sowie für die Energieversorgung ein "Gesamtkonzept Notstrom" enthält.

Was hilft gegen Killer aus dem All?
Meteoritenhagel auf Russland und ein Asteroid, der unsere Erde gefährlich nahe passiert - der vergangene Freitag hat uns gleich mit zwei dramatischen Ereignissen vor Augen geführt, wie verletzlich unser Planet für Geschosse aus dem All ist. Weltweit suchen Forscher nach Wegen, potenzielle Killer aus dem Weltraum zu entschärfen. Ein Überblick über einige der vorgeschlagenen Methoden. Quelle: dpa
Hinfliegen und kaputtmachen - der Klassiker unter den Abwehr-Szenarien: Eine Kernwaffenexplosion auf oder nahe bei einem Astroiden soll diesen auf eine ungefährliche Bahn schubsen. Befürworter dieser Methode ist unter anderem die US-Weltraumbehörde Nasa. Problem dabei: Eine solche Explosion könnte den großen Brocken in mehrere Teile zerlegen, die dann ihrerseits die Erde bedrohen. Quelle: dpa
Deutlich sanfter ginge es bei einem von den Nasa-Astronauten Ed Lu und Stanley Love vorgeschlagenen Verfahren zu: Sie wollen ein schweres Raumschiff in der Nähe eines potenziell gefährlichen Asteroiden "parken". Durch die Anziehungskraft des Schiffes würde der Brocken allmählich aus seiner verhängnisvollen Bahn gelenkt werden, so die Überlegung. Quelle: Dan Durda - FIAAA / B612 Foundation
Auch unsere Sonne könnte helfen, einen gefährlichen Asteroiden abzulenken: Auf Raumschiffen montierte Spiegel sollen Sonnenlicht gebündelt auf den Astroiden richten und einen Teil seines Gesteins verdampfen. Über Monate hinweg ließe sich der Brocken so allmählich umlenken. Quelle: rtr
Einen ähnlichen Effekt könnten Laserstrahlen erzielen: Gepulste Laserstrahlung würde einen Teil des Asteroiden verdampfen und so einen Schub erzeugen, der die Flugbahn des Himmelskörper verändert. Quelle: rtr
Die US-Forscher Clark Chapman, Daniel Durda und Robert Gold haben die Möglichkeit untersucht, einen konventionellen Raketenmotor auf einem Asteroiden zu montieren und diesen so aus der Gefahrenzone zu bugsieren. Angesichts der exorbitanten Treibstoffmenge, die dafür benötigt würden, ein eher unrealistisches Szenario. Quelle: Curventa/Siemens
Auch die "Paintball"-Methode des MIT-Forschers Sung Wook Paek gehört zu den eher exotischeren Vorschlägen: Er möchte potenzielle Killer-Brocken mit gigantischen Kugeln voll heller Farbe beschießen und so die Fähigkeit der Asteroiden-Oberfläche, Sonnenlicht zu reflektieren, erhöhen. Wenn mehr von der Sonne einfallende Lichtteilchen von der Oberfläche „abprallen“, würde dies die Flugbahn des Asteroiden über Jahre hinweg messbar beeinflussen, so der Forscher, der mit seiner Idee im vergangenen Jahr den von der UNO ausgelobten Wettbewerb "Move an Asteroid" gewann. Quelle: dpa

Welche Rolle spielt das Technische Hilfswerk?

Geprüft werden soll, inwieweit der Bund Schutzausrüstung zum Atem- und Körperschutz für die Bevölkerung vorhalten muss oder entsprechende Empfehlungen in den Selbstschutz einbezogen werden sollen (etwa Mundschutz in der Hausapotheke). Das Technische Hilfswerk (THW) wird mit dem Konzept verpflichtet, jeweils ein Drittel aller Basiseinheiten und Fachgruppen innerhalb von 24 Stunden flächendeckend oder an mehreren Schwerpunkten gleichzeitig einsetzen zu können.

Textnachrichten im Krisenfall

Wie wird im Katastrophenfall informiert?

Auch in Zukunft sollen die Bürger über die üblichen Wege informiert werden: Radio, Fernsehen, Lautsprecherdurchsagen und Sirenen. Es gab mal 90.000 Sirenen, doch inzwischen stehen nur noch ein Drittel davon auf deutschen Dächern. Dafür sollen Warnungen in Zukunft auch per SMS und im Internet verbreitet werden. Das BBK hat vor einigen Monaten die App „Nina“ auf den Markt gebracht. Sie ist kostenlos und wurde bereits 850.000 mal runtergeladen. Sie informiert bei Unwettern, wenn Blindgänger entschärft werden und notfalls auch bei Angriffen.

Die Innenminister von CDU und CSU haben sich für mehr Videoüberwachung ausgesprochen. Der Bundesminister will nicht nur mehr Kameras. Terrorverdächtige sollen per Software automatisch erkannt werden.

Wie groß ist die militärische Gefahr?

Gering. Die Bundesregierung selbst schreibt im neuen Weißbuch, "dass ein Angriff auf das Territorium Deutschlands, der eine konventionelle Landesverteidigung erfordert, unwahrscheinlich" sei. Der Katastrophenschutz ist also keine Folge einer angespannten Sicherheitslage, sondern Ergebnis einer Aktualisierung überholter Konzepte. Ein Großteil der heute noch gültigen Maßnahmen im Not- und Katastrophenfall gehen auf das Konzept der "Gesamtverteidigungsrichtlinien" aus dem Jahr 1989 zurück. Allerdings wird das Verhalten Russlands etwa mit Blick auf die Annektierung der Krim und der Rolle im Ukraine-Konflikt in Nato-Kreisen inzwischen mit großer Sorge gesehen.

Wie sind die Reaktionen auf das Notfallschutz-Konzept?

Dass sich die Bundesregierung Gedanken darüber macht, wie Menschen für den Katastrophenfall vorsorgen, wird eigentlich nicht kritisiert. Die Opposition schlachtet die Initiative aus dem Hause von de Maizière dennoch aus, weil die Bundesregierung die Sorge der Bürger um ihre Sicherheit „durch künstliche Hektik befördert“, so Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Der Politiker spricht von Angstmache. Die Aufforderung zu Hamsterkäufen würde die Menschen „völlig verunsichern“.

Auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz kritisiert die Vermischung von ziviler Vorsorge mit militärischen Szenarien und Hinweisen auf terroristische Gefahren. "Ich sehe kein Angriffsszenario, für das sich die Bevölkerung Vorräte anlegen sollte", sagte der Innenexperte. Auf Twitter sorgt das Konzept der Bundesregierung für reichlich Hohn und Spott unter dem Hashtag #hamsterkäufe.

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