Zypries in den USA Ein Flyer gegen die Dummheit

Donald Trump und seine Mitstreiter offenbaren beängstigende Unkenntnis über die Handelsbeziehung zwischen den USA und Europa. Die Bundesregierung gibt deshalb Nachhilfe auf Mittelstufenniveau. Vielleicht hilft's. 

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Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries Quelle: REUTERS

Als Brigitte Zypries vor zwei Tagen den US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer in seinem Büro in Washington traf, um die künftige Wirtschaftsbeziehung zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten auszuloten, gab es anschließend noch ein paar Fotos für die Presse. Plötzlich fiel der SPD-Ministerin ein, dass sie dem Unterhändler von US-Präsident Donald Trump in Sachen Handelsabkommen noch einen Stoß Papiere überreichen wollte. Sie bat ihre Mitarbeiter dringend um die Infos. Lighthizer nahm sie entgegen, tat interessiert und bedankte sich höflich. 

Die Strategie der deutschen Wirtschaftsministerin, mit gedruckten Seiten und farbigen Hochglanzbroschüren die Amerikaner vom Freihandel zu überzeugen, ist eine weitere Absurdität im ungeklärten Verhältnis zwischen Deutschland und den USA. Noch immer rätseln deutsche Regierungsbeamte über Motive, Ziele und Wissensstand der US-Administration. 

Nach den jüngsten Attacken von Trump und den peinlichen Enthüllungen über die Unwissenheit seiner Wirtschaftsberater scheint ein wenig Nachhilfe in Sachen Wirtschaftsbeziehung angebracht. Zahlen und Grafiken sollen Wunder wirken. 

In Brüssel hat der US-Präsident gerade mal wieder beängstigende Ahnungslosigkeit der ökonomischen Zusammenhänge offenbart. Laut Medienberichten soll Trump bei einem Treffen mit der EU-Spitze die Deutschen als "böse, sehr böse" bezeichnet haben. Grund für die Vorwürfe war erneut der deutsche Handelsbilanzüberschuss. "Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen", soll Trump laut Spiegel Online gesagt haben. "Fürchterlich. Wir werden das stoppen." Sein Wirtschaftsberater Gary Cohn blamierte sich offenbar mit der Aussage, dass zwischen den USA und Deutschland andere Zolltarife herrschten als zwischen den USA und Belgien. Dabei verhandelt die EU-Kommission gleiche Zölle für die gesamte Union.

Die Broschüre der Bundesregierung, die Zypries auf ihrer Reise nach Boston, Washington, South Carolina und Kalifornien im Gepäck hat, soll nun wichtige Aufklärungsarbeit leisten. Wann immer sie einen Termin in Washington hatte, durfte der Flyer "German Business - Driver of Investment and Jobs in the U.S." nicht fehlen. Im Untertitel heißt es: "German-American Trade and Investment: Facts and Figures". Acht Grafiken bringen den US-Politikern an der Schnittstelle zum Weißen Haus die Vorteile des Freihandels näher. Der Flyer erinnert an Erdkunde-Aufgaben in der zehnten Klasse. 

Doch möglicherweise macht genau das Sinn.  Hier eine Auswahl der Botschaften:

- So macht der Flyer deutlich, dass die Deutschen 319 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten investiert haben. Deutschland sei für zehn Prozent der ausländischen Investitionen verantwortlich, heißt es. Die Quintessenz: Abschottung würde den USA schaden.  

- Deutschland ist außerdem der drittgrößte Arbeitgeber aus dem Ausland - nach britischen und japanischen Unternehmen. Insgesamt sind 672.000 Amerikaner bei Unternehmen wie Siemens, SAP, Telekom und den zahlreichen Mittelständlern beschäftigt. 

- Ganz vorne stehen deutsche Unternehmen ohnehin bei der Bezahlung ihrer Angestellten. Im Schnitt überweisen deutsche Firmen einem Beschäftigten pro Jahr 89.369 Dollar. Japanische Unternehmen folgen auf Rang zwei mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von rund 81.000 Dollar. Die Botschaft: Deutsche Unternehmen schaffen hochqualifizierte Arbeitsplätze. 

- Nicht zu vergessen die "manufacturing jobs". Deutsche Unternehmen bauen vor allem Arbeitsplätze auf, die Trump und seinen Wählern so sehr am Herzen liegen müssten: im produzierenden Gewerbe. Insbesondere die Autokonzerne, die chemische Industrie und der Maschinenbau haben einen Großteil der 314.000 "manufacturing jobs" geschaffen. 

- Zu guter Letzt ist da auch noch die "duale Bildung", die nicht nur bei Trumps Tochter Ivanka einen hohen Stellenwert genießt, sondern vermehrt auch bei den Unternehmen in den USA - wenngleich auf niedrigem Niveau. Lag die Anzahl der Trainees 2013 noch bei rund 132, waren es im vergangenen Jahr bereits fast drei Mal so viel. Deutsche Betriebe tun also was gegen den Fachkräftemangel, den auch amerikanische Konzerne inzwischen deutlich spüren. 

Ganz wichtig ist der Bundesregierung der Hinweis im Flyer, dass die Zahlen von der US-amerikanischen Statistikbehörde US Bureau of Economic Analysis (BEA) stammen. Hier wurde also nichts geschönt, sondern lediglich schnöde zusammen getragen, was die Trump-Regierung endlich begreifen sollte. 

Ob es hilft, bleibt abzuwarten. Denn am Ende entscheiden nicht jene, die sich innerhalb der Regierung noch am ehesten kenntnisreich zeigen, sondern Donald Trump. Angesprochen auf mögliche Strafzölle auf Stahlimporte, sagte Wirtschaftsminister Wilbur Ross nach dem Gespräch mit Zypries, er wolle noch im Juni einen Bericht mit Empfehlungen vorlegen. Ross gilt im Berliner Wirtschaftsministerium als einer der klugen Köpfe innerhalb der US-Administration. Doch am Ende sei es eben Trump, der eine Entscheidung treffe, sagte Ross, "wie immer sie dann auch ausfallen mag". 

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