Denkfabrik

Die Unabhängigkeit der Notenbanken ist in Gefahr

Bei der Aufsicht über die Finanzmärkte sollen die Notenbanken künftig eine wichtige Rolle spielen. Das birgt Gefahren für ihre geldpolitische Unabhängigkeit, sagt Manfred Neumann.

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Skyline der Banken- und Quelle: dpa

Die feinste Finanzmarktregulierung nutzt wenig, wenn die Finanzaufsicht nicht funktioniert. Nicht nur in Deutschland hat sie eklatant versagt, aber eben auch hierzulande, wie sogar der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, zugibt. Das mag zum Teil auf eine beträchtliche Beschränktheit des Blickfeldes der Aufseher zurückzuführen sein, die es nicht gelernt haben, ihre Beobachtungen zu einem Gesamtbild zu verdichten und sich mit dem Problem des systemischen Risikos auseinanderzusetzen. Es hat aber auch damit zu tun, dass die Aufsicht über die Finanzinstitute hierzulande wie fast überall zersplittert ist. In den Vereinigten Staaten verfügen neben der Notenbank Fed drei weitere Institutionen über Aufsichtskompetenzen. In Europa hat jedes Land seine eigene Aufsicht, die sich oft nur widerwillig mit den Kollegen benachbarter Staaten austauscht. Und in Großbritannien wie Deutschland sind die Kompetenzen auf ein Aufsichtsamt und das Finanzministerium beziehungsweise die Notenbank verteilt.

Weil die Finanzmärkte weltweit in hohem Maße integriert sind, machen Finanzprotektionismus und ein unbedingtes Festhalten an der tradierten Dezentralität der Finanzaufsicht über die Institute, die Märkte und die Instrumente immer weniger Sinn. Die ultraliberale Vorstellung, man solle einen Wettbewerb der Aufsichten als ein Entdeckungsverfahren für überlegene Lösungen aufrechterhalten, geht in die falsche Richtung. Länder wie die USA und Großbritannien ziehen aus der Finanzkrise inzwischen den Schluss, dass die Finanzaufsicht innerstaatlich zentralisiert und am besten allein bei der Notenbank angesiedelt werden sollte. Es könnte sein, dass die nächste Bundesregierung sich diese Lösung auch für Deutschland zur Richtschnur macht.

Wer ist der bessere Aufseher?

Warum aber sollten Notenbanken die besseren Aufseher sein? Zentralisierung der Aufsicht ist die eine Sache, welche Institution am besten geeignet ist, die Aufsicht zu führen, eine andere. Was die Überwachung auf der Mikroebene angeht, so kann ein Aufsichtsamt, das dem Finanzministerium unterstellt ist, die gleichen Beobachtungs- und Analysetechniken verwenden und ebenso gute Arbeit leisten wie eine Abteilung der Notenbank. Wenn es dagegen im ungünstigen Fall um die Schließung eines insolventen Instituts geht und zur Deckung eines verbleibenden Verlustes der Staatshaushalt herangezogen werden muss, fällt die Entscheidung unvermeidlich in die Kompetenz des Finanzministeriums.

Deshalb ist es sachgerecht, die gesamte, auf die Beobachtung mikroprudenzieller Risiken ausgerichtete Aufsicht bei einem vom Finanzministerium beaufsichtigten Amt wie etwa der BaFin zu konzentrieren. Würde die Notenbank die Mikroaufsicht übernehmen, müsste sie sich bei Bankschließungen der Zustimmung des Finanzministeriums versichern. Eine solche Abhängigkeit aber hätte negative Folgen für den Geldwert. Sie schaffte den subtilen Anreiz, durch zu niedrige Zinssätze die Geldpolitik expansiver zu gestalten, als es zur Sicherung der Preisstabilität angezeigt wäre, und zwar um den Banken höhere Gewinne zu ermöglichen und die Wahrscheinlichkeit von Bankencrashs zu minimieren. Aus Sicht der Politik könnte ein solches Verhalten der Notenbank erwünscht sein, und es ist nicht auszuschließen, dass dies ein treibendes Motiv in den USA ist, wo sich der Präsident vehement für die Konzentration der Aufsichtskompetenzen bei der Fed ausspricht.

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