US-Konjunktur Die Zweifel an Obamas Programm wachsen

Die Zweifel an der Wirksamkeit des amerikanischen Konjunkturpakets wachsen. US-Präsident Barack Obama gerät unter Zugzwang.

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Hilfe aus Washington

Hätten sie sich doch besser auf die Zunge gebissen. Doch als es den Wirtschaftsexperten des neuen US-Präsidenten Barack Obama im Februar darum ging, in Washington das bislang größte Konjunkturprogramm durchzuboxen, ließen sie sich zu einer gewagten Prognose hinreißen: Mit dem Paket werde die Arbeitslosenquote in den USA auf maximal rund acht Prozent begrenzt. Jetzt liegt sie bereits bei 9,5 Prozent – und wird wohl bald zweistellig werden. „Wir haben das falsch gelesen“, gesteht der für das 787,2 Milliarden Dollar schwere Wirtschafts-Doping verantwortliche Vize-Präsident Joe Biden zerknirscht ein. „Wir hatten unzureichende Informationen“, sagt dagegen Barack Obama und versucht damit, den höchsten Stand an Arbeitslosen seit mehr als einem Vierteljahrhundert als Erblast seines Vorgängers George W. Bush darzustellen.

Längst tobt der Streit über die Wirksamkeit des Konjunkturpakets. Der linksliberale Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman hält es für nicht ausreichend und fordert bereits weitere Stützungsmaßnahmen für die US-Wirtschaft. Konservative Politiker beklagen dagegen, es enthalte zu viele Transferleistungen – etwa 81 Milliarden zum Schutz von Bedürftigen – und zu wenige Anreize für kleine und mittlere Unternehmen, wieder Leute einzustellen. Regierungsvertreter halten dagegen: Es sei noch zu früh, ein Urteil zu fällen, seine volle Kraft werde das Paket erst noch entfalten.

Tatsächlich scheint bisher vieles zu verpuffen, weil die Bundesstaaten mit dem Geld der Zentralregierung oft Budgetlöcher stopfen, die aus massiven Steuerausfällen resultieren. Zudem geben die durch die Krise verunsicherten Amerikaner das Geld aus den Steuererleichterungen – die rund ein Drittel des Gesamtpaketes ausmachen – nicht aus, sondern legen es auf die hohe Kante. Vorsorglich hatte Obama immer schon davon gesprochen, man werde mit der Rekordstütze Arbeitsplätze „schaffen – oder retten“. Jetzt geht es vor allem um Letzteres.

Gerade weil sich die Wirtschaftskrise so in die Länge zieht, könnte dieses US-Konjunkturpaket – anders als viele andere – tatsächlich nicht erst dann seine belebende Wirkung entfalten, wenn die Krise schon vorbei ist. Denn ein großer Batzen des Geldes fließt erst im nächsten und übernächsten Jahr. Rechnet man die Steuererleichterungen heraus, waren von den dann verbliebenen knapp 500 Milliarden Dollar bis Anfang Juli gerade mal gut 60 Milliarden Dollar ausgegeben. Viele der größeren Projekte befinden sich noch in der Antragsphase. Bis September 2010 sollen 70 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel investiert sein.

Pike Place Market in Seattle Quelle: dpa

Das gilt vor allem für die umfangreichen Infrastrukturprojekte und Initiativen im Energiebereich. Von den bisher beim US-Energieministerium ausgeschriebenen 44 Projekten mit einem Volumen von rund 22 Milliarden Dollar, die sich unter anderem auch mit dem Obama-Lieblingsthema erneuerbare Energien beschäftigen, sind erst fünf Bewerbungsverfahren geschlossen. Bis die Aufträge bei den Unternehmen ankommen, werden insbesondere bei Großprojekten weitere Monate verstreichen.

Selbst amerikanischen Konzernen machen zudem die komplizierten Regeln zu schaffen, die bei der Auftragsvergabe zu beachten sind. Sie betreffen zum Beispiel die Herkunft verwendeter Materialien oder Zulieferungen. Zwar wurde die ursprüngliche „Buy American“-Klausel im Gesetzentwurf für das Konjunkturpaket auf Bundesebene wegen internationaler Proteste entschärft. Dennoch provozierten zum Beispiel beim Import von Stahl, Zement und Textilien einige protektionistische Regeln Gegenreaktionen bei amerikanischen Handelspartnern. Peking kündigte vor knapp einem Monat eine „Buy Chinese“-Regel an, nach der inländische Anbieter bei Aufträgen aus dem dortigen 585-Milliarden-Dollar-Paket bevorzugt werden sollen. Und in Kanada, wichtigster Handelspartner der USA, verabschiedeten im Juni Lokalverbände eine Resolution, nach der Infrastrukturaufträge nur an Unternehmen gehen sollen, „deren Ursprungsländer keine Handelsbarrieren gegen Güter oder Materialien eingeführt haben, die aus Kanada stammen“.

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