Energie-Streit Russland dreht Ukraine den Gashahn zu

Der russische Staatskonzern Gazprom hat seine Drohungen wahr gemacht und die Gaslieferungen an die Ukraine am Neujahrsmorgen eingestellt. Der Transport nach Europa sei jedoch nicht beeinträchtigt, hieß es. In Deutschland warnten Politiker vor einer zu großen Abhängigkeit von Moskau.

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Gazrpom-Chef Alexej Miller. Quelle: dpa

HB MOSKAU. Die Versorgung sei mit Auslaufen des alten Vertrags um 10.00 Uhr Moskauer Zeit (08.00 Uhr MEZ) gestoppt worden, teilte der Gas-Monopolist Gazprom mit. "Wir werden Europa weiterhin voll beliefern", hieß es. Die Regierung in Kiew hatte der Europäischen Union bereits zuvor versprochen, es werde trotz ihres Streits mit Russland keine Unterbrechung der Erdgaslieferungen nach Europa geben.

Der größte deutsche Ferngas-Versorger E.on Ruhrgas sieht seine Lieferfähigkeit durch den Gas-Streit zwischen der russischen Gazprom und der Ukraine jedenfalls nicht beeinträchtigt. "Wir sind gut vorbereitet. Selbst bei einer fortdauernden Auseinandersetzung wird es nicht zu Liefereinschränkungen für Haushalte und Endverbraucher kommen", sagte der Vorstandschef der E.on-Tochter, Bernhard Reutersberg, am Donnerstag. Auch Großkunden seien derzeit nicht betroffen. E.on Ruhrgas bezieht 26 Prozent seines Erdgases aus Russland, der Rest kommt vor allem aus Norwegen, den Niederlanden und aus deutschen Quellen. Zudem habe Ruhrgas zwölf Erdgasspeicher einsatzbereit.

Das russische Staatsfernsehen berichtete am Donnerstag in einer Live-Schaltung von einer Pumpstation an der Grenze zur Ukraine. Dort sei man von der Gazprom-Zentrale in Moskau angewiesen worden, kein Gas mehr durchzuleiten. Gazprom-Chef Alexej Miller hatte zuvor in Moskau erklärt, beide Seiten hätten sich nicht über die Rückzahlung ukrainischer Schulden und Details eines neuen Liefervertrages einigen können.

Europa bezieht etwa ein Fünftel seines Gases über die Pipeline in der Ukraine. Für Russland ist die Röhre ungleich wichtiger: Durch die Verbindung werden etwa 80 Prozent des russischen Gases für Westeuropa geleitet. Deshalb baut Russland derzeit auch eine weitere Pipeline durch die Ostsee unter Umgehung der Ukraine und anderer osteuropäischer Länder. Vor drei Jahren war bei einem ähnlichen Streit zwischen Russland und der Ukraine zeitweise weniger Gas nach Deutschland gelangt.

Im jüngsten Streit will Gazprom den Preis für die Ukraine von zuletzt etwa 180 Dollar pro 1000 Kubikmeter auf 250 Dollar erhöhen. Damit müsste die ehemalige Sowjetrepublik für das russische Gas immer noch nur etwa halb soviel zahlen wie andere europäische Kunden. Trotzdem lehnt die Ukraine die Erhöhung ab.

Die Regierung in Kiew will nach Angaben der russischen Agentur Interfax höchstens 201 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas zahlen. Neben dem Gaspreis streiten beide Seiten auch über die Gebühren, die Russland an die Ukraine für die Durchleitung des Brennstoffs nach Westeuropa zahlt. Russland will die Transitgebühr bei 1,70 Dollar pro 1000 Kubikmeter belassen, während die Ukraine eine Erhöhung auf mindestens zwei Dollar anstrebt.

Die Ukraine kann den Lieferstopp nach eigenen Angaben mehrere Wochen überbrücken: Die nationalen Gas-Reserven umfassen demnach 17 Mrd. Kubikmeter und damit etwa 20 Prozent des jährlichen Verbrauchs. Einen Versorgungsengpass für deutsche Gaskunden dürfte es vorerst nicht geben. So versicherte die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko dem EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso in einem Telefonat, es werde trotz des Streits keine Unterbrechung der Lieferungen nach Mittel- und Westeuropa geben.

In Deutschland warnten Politiker vor einer zu großen Abhängigkeit von Moskau. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Peter Ramsauer, unterstrich die Bedeutung einer besseren europäischen Energiepolitik. Deutschland könne sich zwar auf die Lieferzusagen Russlands verlassen, weil Moskau es sich "gerade bei sinkenden Energiepreisen gar nicht leisten kann, treue und gut zahlende Kunden zu verprellen", sagte Ramsauer dem "Handelsblatt". "Wir müssen aber dennoch alles tun, damit wir nicht noch abhängiger von Russland werden." Die Auseinandersetzung sei auch deshalb "irrational", weil sich "in eine reine Lieferanten-Kunden-Beziehung politische Nachbarschaftsstreitigkeiten mischen", warnte Ramsauer. Der Koordinator für die deutsch-russischen Beziehungen, Andreas Schockenhoff (CDU), forderte die Tschechische Ratspräsidentschaft auf, eine gemeinsame Energie-Außenpolitik Europas gegenüber Russlands zu erarbeiten. "Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zeigt, dass wir in der EU einen gemeinsamen Ansatz der Abnehmerländer finden müssen. Genauso wie Russland eine Lieferstrategie gegenüber der gesamten EU hat, brauchen die Abnehmerländer in der EU eine gemeinsame Strategie gegenüber Russland", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem "Handelsblatt". "Dies ist ein wichtiger Punkt für das jetzt auszuhandelnde Nachbarschaftsabkommen mit Russland. Die Tschechische Ratspräsidentschaft wäre gut beraten, wenn sie den Punkt Energiesicherheit nicht isoliert mit Russland verhandeln würde, sondern als Bestandteil des neuen Nachbarschaftsabkommens."

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Eckart von Klaeden (CDU) forderte Russland und die Ukraine auf, ihren Streit um Gaslieferungen nicht auf dem Rücken der europäischen Verbraucher auszutragen. "Russland hat zwar nicht gegenüber Deutschland, aber durchaus in der unmittelbaren Nachbarschaft seine Energielieferungen als politisches Druckmittel eingesetzt. Die Situation in diesem Fall ist aber so unübersichtlich, dass man sich vor einseitigen Schuldzuweisungen hüten muss", sagte von Klaeden dem "Handelsblatt". "Deswegen sind beide Seiten aufgefordert, schnell zu einer vertraglichen Lösung zu kommen und dafür zu sorgen, dass der Streit nicht auf dem Rücken der europäischen Gasverbraucher ausgetragen wird", so der CDU-Außenpolitikexperte.

Unterdessen forderte die stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Katherina Reiche (CDU) von der SPD erneut ein Umdenken in der Energiepolitik. "Der zwischen Russland und der Ukraine erneut eskalierte Gasstreit zeigt, dass der Weg der SPD zu mehr Abhängigkeit von russischem Gas auch für Deutschland gefährlich ist", sagte die Politikerin im Gespräch mit Handelsblatt.com. So sei der von der SPD betriebene Ausstieg aus der Kernenergie "ein Geschenk der Sozialdemokraten an die staatlich gelenkte Energieindustrie Russlands".

Reiche mahnte die SPD vor diesem Hintergrund, "endlich" zur Vernunft zu kommen. "Die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland ist zu wichtig für ideologisch bestimmte Rechthaberei", sagte Reiche und fügte hinzu: "Deshalb müssen in Deutschland die Kernkraftwerke weiter betrieben werden." Auch seien der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Investition in moderne CO2-freie Kohlekraftwerke Wege, um die Abhängigkeit von russischem Gas nicht weiter zu verschärfen. "Russland hat sich erneut als unsicherer Energielieferant erwiesen, der im Zweifel nicht davor zurückschreckt, seine Liefermacht politisch auszuspielen", betonte die CDU-Politikerin.

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