Euro-Krise 2014 wird ein heikles Jahr für die EZB

Der EZB steht ein heikles Jahr 2014 ins Haus - mit einem neuen Euro-Land, einer neuen EZB-Direktorin, der Übernahme der Aufsicht über „neue“ Banken in einem neuen Hauptquartier und der Gefahr einer neuen Krise.

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Der Neubau der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB). 2014 verändert sich nicht nur die Heimat der EZB. Quelle: dpa

Frankfurt Die EZB geht mit einem rekordniedrigen Leitzins ins Jahr 2014: Seit November können sich die Geschäftsbanken bei ihr für nur noch 0,25 Prozent Zinsen refinanzieren. Zudem hat der EZB-Rat beschlossen, dass die Institute noch bis mindestens Mitte des übernächsten Jahres so viel Liquidität bekommen, wie sie bei der EZB abrufen - ohne Obergrenze. Damit ist das Finanzsystem zwar geschützt gegen Liquiditätsengpässen, doch stockt der Kreditfluss in den besonders krisengeplagten Ländern Südeuropas weiterhin - ein ernstes Problem für EZB-Chef Mario Draghi.

Zudem ist die Inflationsrate wegen der Wirtschaftsflaute in der Währungsunion aus Sicht der Notenbanker zu niedrig und liegt klar unterhalb ihres Zielwerts von knapp zwei Prozent. Die Zinssenkung vom November war eine Art Rückversicherung gegen eine Spirale aus sinkenden Preisen und schwacher Nachfrage, die im Schlimmsten Fall drohen könnte. Was aber kann die EZB noch gegen die Kreditklemme in weiten Teilen der Euro-Zone und als Absicherung gegen eine deflationäre Spirale tun?

Die Zentralbanker betonen seit der letzten Zinssenkung gebetsmühlenartig, dass sie noch zahlreiche Pfeile im Köcher haben. Dazu gehören unter anderem weitere milliardenschwere Geldspritzen, um die Banken flüssig zu halten, sowie ein Strafzins für Banken, die Gelder lieber bei der EZB parken, als sie an Unternehmen und Haushalte als Kredit weiterzureichen. Doch da viele Firmen wegen der Wirtschaftsflaute vor Investitionen zurückschrecken und überhaupt keine Darlehen nachfragen, sind die Möglichkeiten der Notenbank begrenzt. Außerdem dürfte der Widerstand - vor allem der Bundesbank - gegen immer neue, unorthodoxe Maßnahmen größer werden, meint UBS-Ökonom Reinhard Kluse. „Die Reibungsverluste werden zunehmen.“

Wenn die EZB wie geplant im November 2014 die Oberaufsicht über die Banken der Währungsunion übernimmt, hat sie zumindest die 128 größten Institute bereits auf Herz und Nieren geprüft. Denn in den nächsten Monaten steht der größte Gesundheitscheck der Branche auf dem Programm, den es je gegeben hat. Ziel der EZB ist es, die Banken möglichst besenrein, also ohne schlummernde Altlasten in den Bilanzen, zu übernehmen. Sollten sich bei der Überprüfung größere Kapitallöcher auftun, könnte das die Finanzmärkte verunsichern. Die Aktion ist deshalb sowohl für die Banken als auch für die EZB nicht ohne Risiken.


Steht die EZB bald wieder im Auge des Sturms?

Gestärkt wird die neue Aufsicht unter dem Dach der EZB wohl durch eine Rochade an der Spitze der Notenbank. Mit dem Wechsel des bisherigen EZB-Direktors Jörg Asmussen ins Arbeits- und Sozialministerium nach Berlin wird der Weg frei für Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger. Das neue Bundeskabinett hat die langjährige Bankenaufseherin bereits für den frei werdenden Posten im EZB-Direktorium nominiert. Wegen des komplizieren Verfahrens für die Nachbesetzung dürfte Lautenschläger aber vermutlich erst Ende Januar oder gar Anfang Februar zum sechsköpfigen Führungsteam der EZB stoßen. Wer bei der Bundesbank auf sie folgt, ist bislang offen.

Noch bevor Lautenschläger ins EZB-Direktorium einzieht, wird ab Januar bereits Lettlands Zentralbankchef Ilmars Rimsevics am EZB-Ratstisch ganz oben im Frankfurter Euro-Tower Platz nehmen. Lettland ist das 18. Land, das den Euro einführt.

Lautenschläger, Rimsevics und die anderen Notenbanker werden sich im kommenden Jahr ziemlich sicher an eine neue Offenheit der EZB gewöhnen müssen. Die Zentralbank könnte schon bald wie etwa die Federal Reserve in den USA Protokolle oder zumindest schriftliche Zusammenfassungen der Sitzungen des EZB-Rats publik machen. Draghi will dem EZB-Rat dazu schon bald einen konkreten Vorschlag machen. Umstritten ist, wie genau sich die Öffentlichkeit künftig ein Bild vom Abstimmungsverhalten der einzelnen Notenbanker machen kann. Viele Chefs nationaler Zentralbanken fürchten, dass sie daheim Probleme bekommen könnten, wenn bekannt würde, wie sie bei den Sitzungen des EZB-Rats in Frankfurt votiert haben.

Wer am Mainufer in Frankfurt Richtung Osten unterwegs ist, kann es nicht mehr übersehen. In gebührendem Abstand zu den Bankentürmen im Westend entsteht das neue Hauptquartier der EZB. Wann genau die Notenbanker dort einziehen werden, ist noch nicht klar - geplant ist aber 2014. Die EZB bleibt aber auch im Frankfurter Euro-Tower. Hier werden die Bankenaufseher untergebracht. Mit Assistenz-Personal sind das rund 1000 neue Mitarbeiter, die in den nächsten Monaten eingestellt werden müssen, damit die neue Aufsicht pünktlich ihre Arbeit aufnehmen kann. Geldpolitiker und Aufseher sollen also nach den Umzügen nicht unter einem Dach arbeiten - Interessenskonflikte sollen so auf ein Minimum reduziert werden.

Und dann schaut die EZB und mit ihr die ganze Finanzwelt im kommenden Jahr noch nach Karlsruhe. Dort will das Bundesverfassungsgericht sein Urteil darüber fällen, ob die Rettungsmaßnahmen für strauchelnde Krisenländer gegen das Grundgesetz verstoßen haben. Ebenfalls auf dem Prüfstand sind die 2012 angekündigten, aber nie vollzogenen Staatsanleihen-Käufe der EZB. Sie haben theoretisch keine Obergrenze. Allein deswegen hat die Draghi-Ankündigung in der Schuldenkrise schon gewirkt und die Investoren an der Börse beruhigt.

Sollte das Verfassungsgericht diese nicht kippen, könnte es sie aber zumindest abhängig machen von der Zustimmung des Bundestages, weil durch die Käufe Risiken für den deutschen Steuerzahler entstehen können. Dann wäre die Unabhängigkeit der EZB angeknackst, findet der frühere Chef-Ökonom der Deutschen Bank und heutige Vorstandsberater Thomas Mayer. „Wenn das Urteil kritisch ist, kann es durchaus sein, dass es zu einem Gewitter an den Finanzmärkten kommt.“ Dann stünde die EZB mit Sicherheit wieder im Auge des Sturms - wie seit mittlerweile mehr als sechs langen Krisenjahren.

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