+++ Norwegen wäre großer Brexit-Verlierer +++
Der IWF hält Norwegen für einen der großen Verlierer eines britischen EU-Austritts: Das Land mit seinen Exportschlagern Gas und Fisch müsse sich dann wohl auf Einbußen im Geschäft mit Großbritannien einstellen.
+++ Britische Banken bleiben liquide +++
Trotz des Brexit-Schocks stehen die Banken in Großbritannien laut Finanzminister George Osborne zur Vergabe von Krediten an die Wirtschaft bereit: Sie sind nach eigenem Bekunden in puncto Kapital und Liquidität stark aufgestellt, wie er dem TV-Sender ITN nach einem Treffen mit Spitzenbankern sagt. Die britische Innenministerin Theresa May, die sich um die Nachfolge von Premierminister David Cameron bewirbt, macht sich für den Finanzplatz London stark. In den Austrittsverhandlungen mit der EU müsse sichergestellt werden, dass für die "City of London" das "richtige Abkommen" erzielt werde, sagt sie in einem Interview des "Evening Standard".
Die britische Notenbank BoE lockert die Vorgaben für Banken: Sie müssen vorerst nicht mehr Geld für schlechtere Zeiten beiseitelegen. Dass der bereits beschlossene spezielle Kapitalpuffer bis mindestens Juni 2017 ausgesetzt bleibe, bedeute nicht, dass die Geldinstitute mehr Spielraum für höhere Dividenden erhielten, mahnt BoE-Chef Mark Carney. Die Banken sollen den Puffer vorhalten, um sich für konjunkturbedingte Risiken in der Kreditwirtschaft wappnen zu können.
+++ Britische Konservative wählen neue Führung +++
Nach dem angekündigten Rücktritt von Premierminister David Cameron beginnt bei den britischen Konservativen die entscheidende Phase bei der Suche nach einer neuen Führung. Die Parlamentsabgeordneten haben am Dienstag das Auswahlverfahren gestartet, um einen neuen Parteivorsitzenden und damit auch einen neuen Premier zu finden.
+++ Juncker kritisiert Johnson und Farage +++
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nennt die Brexit-Befürworter Boris Johnson und Nigel Farage "Retro-Nationalisten". Die beiden Politiker seien keine Patrioten, denn Patrioten träten nicht ab, wenn es schwierig werde. Er verstehe auch nicht, dass das Brexit-Lager Monate benötige, um einen Plan für den EU-Austritt zu entwickeln. "Statt einen Plan zu haben, verlassen sie das sinkende Schiff", kritisiert Juncker vor dem EU-Parlament.
+++Wachsende EU-Verdrossenheit in Europa+++
Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), gibt den zurückgetretenen britischen Brexit-Befürwortern die Schuld für eine wachsende EU-Verdrossenheit in ganz Europa. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagt Weber: "Politiker vom Schlag eines Farage und Johnson sind wesentlich verantwortlich für den Vertrauensverlust in die Politik - und nicht Europa."
Wo die großen Brexit-Baustellen sind
Seit der konservative Premier David Cameron seinen Rücktritt angekündigt hat, tobt ein Kampf um seine Nachfolge - nicht nur hinter den Kulissen. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Brexit-Wortführer Boris Johnson und Innenministerin Theresa May. Johnson werden die besten Chancen eingeräumt, auch wenn er erbitterte Feinde in der Tory-Fraktion hat. May könnte als Kompromisskandidatin gelten, sie war zwar im Lager der EU-Befürworter, hielt sich aber mit öffentlichen Äußerungen zurück.
Labour-Chef Jeremy Corbyn laufen nach dem Rauswurf seines schärfsten Kritikers Hilary Benn die Mitglieder seines Schattenkabinetts in Scharen davon. Mehr als die Hälfte seines Wahlkampfteams trat bereits zurück. Sie werfen Corbyn vor, nur halbherzig gegen einen EU-Austritt geworben zu haben, und stellen seine Führungsqualitäten in Frage. Dahinter steckt auch die Befürchtung, es könne bald zu Neuwahlen kommen. Viele Labour-Abgeordnete befürchten, mit dem Linksaußen Corbyn an der Spitze nicht genug Wähler aus der Mitte ansprechen zu können. Corbyn war im Spätsommer vergangenen Jahres per Urwahl an die Parteispitze gerückt, hat aber wenig Unterstützung in der Fraktion.
Der scheidende Premier David Cameron kündigte an, die offiziellen Austrittsverhandlungen mit der EU nicht mehr selbst einzuleiten. Der Ablösungsprozess könnte damit frühestens nach Camerons Rücktritt beginnen - womöglich erst im Oktober. Äußerungen anderer britischer Politiker lassen befürchten, dass sich die Briten gern sogar noch mehr Zeit lassen würden. Am allerliebsten würden sie schon vor offiziellen Austrittsverhandlungen an einem neuen Abkommen mit der EU basteln. Brüssel, Berlin und Paris dringen aber auf einen raschen Beginn der Austrittsverhandlungen.
Seit dem Brexit-Votum liegt die Frage nach der schottischen Unabhängigkeit wieder auf dem Tisch. Die Schotten stimmten - anders als Engländer und Waliser - mit einer Mehrheit von 62 Prozent gegen einen Brexit. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon kündigte in Edinburgh an, Vorbereitungen für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum einzuleiten. Boris Johnson deutete jedoch bereits an, dass er als Premierminister da nicht mitspielen würde: „Wir hatten ein Schottland-Referendum 2014 und ich sehe keinen echten Appetit auf ein weiteres in der nahen Zukunft“, schrieb Johnson in einem Gastbeitrag im „Daily Telegraph“. Auch Premierminister David Cameron erteilte einem erneuten Schottland-Referendum eine Absage.
In beiden Teilen der Insel herrscht Sorge, der Brexit könnte dazu führen, dass wieder Grenzkontrollen eingeführt werden und der Friedensprozess gestört wird. Irlands Ministerpräsident Enda Kenny versicherte, seine Regierung arbeite eng mit Belfast und London zusammen, um die Grenzen offenzuhalten. Ähnlich wie in Schottland stimmte auch in Nordirland eine Mehrheit der Wähler gegen den Austritt des Königreichs aus der EU. Die nordirische nationalistische Partei Sinn Fein forderte bereits eine Abstimmung über eine Wiedervereinigung Irlands und Nordirlands.
Das britische Pfund verlor seit dem Brexit-Votum massiv an Wert gegenüber dem Dollar und fiel auf den niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten. Auch die Börsenkurse stürzten zeitweise in den Keller. Der britische Finanzminister George Osborne versuchte am Montag, Sorgen an den Märkten zu zerstreuen. Großbritannien sei auf alles vorbereitet, sagte Osborne. Noch am Tag nach der Brexit-Entscheidung war Notenbank-Chef Mark Carney vor die Kameras getreten und hatte angekündigt, die Bank of England könne bis zu 250 Milliarden Pfund in die Hand nehmen, um weitere Verwerfungen zu verhindern. Trotz allem verlor das Pfund weiter an Wert.
+++Stimmung auch bei Unternehmen schlecht+++
Die Stimmung bei den Unternehmen in Großbritannien hat sich nach dem Brexit-Votum massiv verschlechtert. Bei der jüngsten Umfrage der Forschungsinstitute YouGov und Centre for Economics and Business Research (CEBR) gaben 49 Prozent der Firmen an, den allgemeinen wirtschaftlichen Ausblick für die nächsten zwölf Monate pessimistisch zu bewerten. Vor dem Referendum waren 25 Prozent dieser Ansicht.