Abspaltung Schottische Nationalisten hoffen auf Unabhängigkeit

Der Countdown läuft: In einem Monat stimmen die Schotten über die Unabhängigkeit von Großbritannien ab. Die Ja-Kampagne hofft, die Wirtschaft bangt.

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Keep calm and carry on – die Durchhalteparole aus dem Zweiten Weltkrieg erfreut sich in Großbritannien auch heute noch großer Popularität. Sie prangt auf Kaffeebechern, T-Shirts, Postkarten. Auch politisch ist der Slogan derzeit wieder brandaktuell. Zwar droht dem Vereinigten Königreich kein Angriff von außen, dafür aber Gefahr von innen.

Zum Beispiel von ihm: Colin Pyle, 33 Jahre, geboren in Kirkcaldy. Seit 17 Jahren schon kämpft er für die Unabhängigkeit Schottlands. Ihn treibt – wie viele schottische Patrioten – eine tiefsitzende Abneigung gegen das politische Establishment in London. Endlich ist es so weit. Am 18. September stimmen die Schotten über ihre Unabhängigkeit ab. Eine Mehrheit für die Nationalisten würde das unwiderrufliche Ende der 307-jährigen Union mit Großbritannien bedeuten.

Mit fliegender Fahne Colin Pyle kämpft für die Unabhängigkeit seiner Heimat Foto: Brendan McNeill Quelle: WirtschaftsWoche

Pyles Sieg wäre für Königin Elizabeth II. ein schmerzlicher Verlust. Die 88-jährige Monarchin regiert seit 62 Jahren, befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, hat in ihrer Amtszeit zwölf Premierminister ernannt. Doch während ihre berühmte Vorgängerin Victoria noch ein Weltreich regierte, in dem die Sonne niemals unterging und das am Ende des 19. Jahrhunderts ein Drittel der Weltbevölkerung und ein Fünftel der Erde umfasste, musste das Großbritannien unter Elizabeth II. den Verlust seiner Kolonien verkraften, den Übergang vom Empire zum Commonwealth erdulden, den Wandel seiner anglikanisch geprägten Gesellschaft zu einer multikulturellen Nation mit einer Vielzahl von Religionen ertragen. Nach einem Ja der Schotten würde von ihrem einst stolzen Königreich nicht mehr übrig bleiben als ein zersplittertes, politisch und wirtschaftlich geschwächtes Land.

Glasgow, 136 Hope Street

In der Straße der Hoffnung, nur fünf Minuten vom Hauptbahnhof Glasgow entfernt, residiert die überparteiliche „Yes Scotland“-Kampagne. Den Eingang zieren aufmunternde Sprüche: „Sogar die Nein-Sager geben zu: Natürlich kann Schottland unabhängig werden!“

In einem kargen Konferenzraum treffen wir Pyle. Schon mit 16 war er der Scottish National Party (SNP) beigetreten. „Damals tobte die Debatte über die Einrichtung eines schottischen Regionalparlaments“, erinnert sich der 33-Jährige. „Wir glaubten, nur die SNP könne sicherstellen, dass dieses Gremium mehr als ein Pfarrgemeinderat wird.“ Sein Schlüsselerlebnis aber war die Einführung von Studiengebühren durch den damaligen Labour-Premier Tony Blair: „Für die Mehrheit der Schotten und jemanden wie mich, der fest an das Prinzip einer kostenlosen Bildung für alle glaubt, war das Verrat.“ Egal, welche Partei in London regiert, so Pyle, „wird uns hier in Schottland immer eine Politik aufgezwungen, für die wir nicht gestimmt haben und die sich an den Interessen der englischen Mittelklasse orientiert“.

„Australien, Kanada, eine ganze Reihe anderer Staaten und sogar die amerikanischen Kolonien haben sich von Großbritannien losgesagt, da ist Schottland nur das letzte Glied in einer langen Reihe. Für mich ist es großartig, Teil einer historischen Entscheidung zu sein“, sagt Pyle. Er hat für jedes Argument der „Better Together“-Kampagne, die mit düsteren Szenarien vor der Sezession warnt, eine passende Antwort.

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