Ärger für Theresa May Bekommt Heathrow eine dritte Startbahn?

Flughafen-Erweiterungen sind für Politiker bekanntlich hochsensible Themen. Jetzt muss Theresa May Farbe bekennen: Soll Heathrow eine dritte Startbahn erhalten? Boris Johnson ist dagegen.

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Der Flughafen London Heathrow ist zu 99 Prozent ausgelastet. Quelle: REUTERS

Gerade mal 100 Tage ist Theresa May im Amt - und schon muss die britische Premierministerin zurückrudern. Dabei geht es nicht um den Brexit. Mehrere Minister setzen May wegen des geplanten Ausbaus des Flughafens Heathrow unter Druck. Mindestens ein prominenter Tory-Abgeordneter droht gar mit Rückgabe seines Parlamentssitzes. Es ist die erste Revolte gegen die Neue in Downing Street 10. Das Pikante: Auch Außenminister Boris Johnson, der große Zampano beim Brexit-Votum, signalisiert Widerstand - das verspricht heiße Debatten in London.

Dass May den Bau einer dritten Startbahn für Europas größten Flughafen (75 Millionen Passagiere jährlich) favorisiert, gilt als offenes Geheimnis. Um das Dauerthema endlich vom Tisch zu kriegen, peilte sie zunächst eine Abstimmung im Parlament an. Doch der Widerstand in den eigenen Reihen erwischte sie auf dem falschen Fuß. Erste Reaktion: Das Parlamentsvotum ließ sie erst einmal abblasen - nächste Woche will die Regierung eine Art Empfehlung abgeben.

In einem Schreiben an ihre Kabinettsmitglieder gibt die ansonsten so eiserne Lady ihren Widersachern praktisch freie Bahn. Sie hätten „außergewöhnliche und begrenzte“ Freiheiten, ihre Empfehlung zu kritisieren, schreibt May - nur eine Kampagne gegen sie führen dürfen die Startbahn-Gegner nicht. Das erinnert ein wenig an die Freiheiten, die Mays Vorgänger, David Cameron, seinen Ministern in Sachen Brexit zugestanden hatte - am Ende gewannen die EU-Gegner die Schlacht.

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Gerungen wird um den Heathrow-Ausbau seit Jahren. Tatsächlich ist der Airport zu 99 Prozent ausgelastet, Verspätungen sind an der Tagesordnung. Auf 23,6 Milliarden Pfund (26,4 Milliarden Euro) werden die Kosten für Bau der Startbahn samt besserer Verkehrsanbindungen veranschlagt. Vor allem die großen Fluggesellschaften sind für die dritte Startbahn, ebenso die britische Wirtschaft. Heathrow gilt als „Airport Number One“, die beste Airport-Adresse am Ort, nicht allzu weit weg von London, mit einer Expressbahn bequem erreichbar.

Doch die Nachteile sind erheblich: Fast 800 Häuser müssten für den Ausbau abgerissen werden, mehrere Hunderttausende Anwohner müssten mehr Lärm ertragen. Experten rechnen mit jahrelangen Protesten von Anwohnern, einschließlich unkalkulierbarer juristischer Grabenkämpfe.

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Die Alternative heißt Gatwick. Hier wird der Bau einer zweiten Runway plus Verkehrsanbindung auf lediglich knapp acht Milliarden Pfund veranschlagt - ein Drittel der Kosten für Heathrow. In Gatwick müssten auch weitaus weniger Häuser weichen, werden deutlich weniger Proteste und Verzögerungen erwartet. Auch Bürgermeister Sadiq Khan ist für Gatwick.

Der Nachteil: Die großen Airlines betrachten Gatwick mit Skepsis, zu weit weg von London. Tatsächlich liegt Gatwick fast auf halbem Wege nach Brighton, längst nicht so schnell erreichbar wie Heathrow. Nicht ganz unwichtig: Gatwick hat ein Imageproblem, Business-Reisende rümpfen mitunter die Nase, sehen Gatwick beinahe als Billig-Airport.

Das Problem, das alles so richtig vertrackt macht: Mehrere Minister und Tory-Abgeordnete haben ihre Wahlkreise in der Umgebung Heathrows - neben Johnson etwa Bildungsministerin Justine Greening und der Abgeordnete Zac Goldsmith, der unlängst bei den Londoner Bürgermeisterwahlen unterlegen war.

Goldsmiths Drohung ist besonders brisant: Er will bei einer Entscheidung für Heathrow seinen Sitz im Unterhaus zurückgeben - bei dann anstehenden Neuwahlen droht er gar unter der Hand, als unabhängiger Kandidat anzutreten. Mays geschmeidige Reaktion: Die endgültige Entscheidung wird erstmal verschoben - was ebenfalls Proteste hervorruft.

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