Andreas Dombret "Die Phase niedriger Zinsen wird nicht so schnell zu Ende gehen"

Seite 2/2

"Bei Fusionen darf es keine Denkverbote geben."

Die Niedrigzinspolitik der EZB belastet die Banken. Wie lange halten die Institute das durch?

Die Absenkung und Verflachung der Zinskurve ist zurzeit die größte Herausforderung für Europas Banken. Vor allem deutsche Banken sind hiervon betroffen. Ihr Geschäft ist zinssensitiver als das der Konkurrenz in anderen Ländern. Daher sollten die Banken die Zinsabhängigkeit ihrer Geschäfte reduzieren, indem sie innovative Ideen entwickeln und ihr Geschäftsmodell stärker auf Provisionseinnahmen umstellen. Denn die Phase niedriger Zinsen wird nicht so schnell zu Ende gehen. Außerdem sollten die Banken ihre Kosten senken. Die demografische und die technologische Entwicklung sprechen dafür, das Filialnetz zu straffen. Auch bei der Abspaltung von Geschäftsbereichen und bei Fusionen darf es keine Denkverbote geben.

Die EU-Kommission will im Rahmen einer Kapitalmarktunion die Finanzierung der Unternehmen in Europa stärker auf die Kapitalmärkte ausrichten. Ist das ein vernünftiger Ansatz?

Die jüngste Finanzkrise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass den Unternehmen mehrere Finanzierungswege offenstehen. Aus Sicht der Bundesbank sollte es bei der Kapitalmarktunion nicht darum gehen, die bisher dominierende Kreditfinanzierung der Unternehmen durch die Kapitalmarktfinanzierung zu ersetzen, sondern sie um diese zu ergänzen. Ein Schwerpunkt sollte dabei auf dem Ausbau der Eigenkapitalmärkte liegen. Wenn Unternehmen ab einer bestimmten Größe ihre Finanzierungsquellen diversifizieren, erhalten sie neben der Kreditfinanzierung mit dem Kapitalmarkt ein zweites Standbein. Wenn in einer Krise eine der beiden Quellen versiegt, besteht die Möglichkeit, die andere anzuzapfen. Das erhöht die Stabilität des Finanzsystems.

Was muss getan werden, damit die Unternehmen sich stärker am Kapitalmarkt finanzieren?

In erster Linie sollten die Barrieren für den Zugang zum Kapitalmarkt abgebaut werden. Darüber hinaus müssen die Kapitalmärkte stärker integriert werden. Studien für die USA, Kanada und Schweden zeigen, dass integrierte Kapitalmärkte dazu beitragen können, die Risikoteilung zu verbessern und den Einfluss von Wirtschaftseinbrüchen auf den Konsum zu dämpfen. Zudem bieten integrierte Kapitalmärkte kleinen und mittleren Unternehmen bessere Finanzierungsmöglichkeiten, etwa bei der Wagniskapital- und der Crowd-Finanzierung.

Welche Barrieren müssen abgebaut werden?

Kurzfristig sollten die Vorgaben für Verbriefungen und Privatplatzierungen in Europa standardisiert werden. Zudem bietet es sich an, auch die Richtlinien für Prospekte bei Börseneinführungen anzupassen und den bürokratischen Aufwand bei Börsengängen zu reduzieren. Langfristig ist es sinnvoll, das Insolvenzrecht, das Gesellschaftsrecht und das Steuerrecht zu harmonisieren. So sollte die steuerliche Bevorzugung von Fremdkapital gegenüber Eigenkapital abgeschafft werden.

Die einzelnen Regierungen haben unterschiedliche Ansichten, was standardisiert werden sollte. Wird aus der Kapitalmarktunion ein Generationenprojekt?

Die EU-Kommission will die ersten Elemente der Kapitalmarktunion bereits bis 2019 umsetzen. Bei den Maßnahmen, die größere Gesetzesänderungen erfordern, ist dieser Zeitplan sehr ambitioniert. Dagegen ist das Vorhaben, EU-weite Märkte für eine transparente und standardisierte Verbriefung von Krediten zu schaffen, bereits weit gediehen. Auch bei der Wagniskapitalfinanzierung, Privatplatzierungen und Crowd-Finanzierungen sollten Erfolge in überschaubarer Zeit möglich sein. Alles in Allem bin ich überzeugt, dass die Kapitalmarktunion ein wichtiger Schritt in Richtung einer tieferen Integration Europas ist.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%