Wie ist die Lage in Zypern nach dem Beschluss der Euro-Finanzminister?
Entsetzen, Wut und lange Schlangen vor den Geldautomaten – das sind die Reaktionen auf Zypern auf das Rettungspaket der Eurogruppe. Grund ist die Zwangsabgabe auf alle Bankguthaben. Bei Bankeinlagen unter 100.000 Euro wird eine Abgabe von 6,75 Prozent fällig, bei höheren Beträgen sind es 9,9 Prozent. So sollen geschätzt 5,8 Milliarden Euro zusammenkommen. Kleinsparer mit Guthaben bis zu 20 000 Euro sollen von der geplanten Zwangsabgabe ausgenommen werden. Hunderte Zyprer versuchten am Samstagmorgen, unmittelbar nach dem Beschluss der Euro-Finanzminister, ihr Geld (zum Teil) abzuheben. Doch viel spuckten die Automaten nicht aus. Und: Die Sondersteuer war bereits abgebucht. Überweisungen und Online-Banking sind seit Samstag ebenfalls nicht möglich.
Die Bürger sind entsetzt. „Wir arbeiten, legen etwas zurück, und jetzt nehmen sie unser Geld. Das ist ungerecht, sehr ungerecht“, empörte sich eine Frau im staatlichen zyprischen Fernsehen RIK. Einer Umfrage zufolge sind 71 Prozent der Zyprer gegen die Abgabe und fordern, dass das Parlament diese ablehne.
So funktioniert die Zypern-Steuer
Für die Menschen in Zypern war die Ankündigung einer Steuer für Kontoinhaber ein Schock. Bankkunden sollen zur Kasse gebeten werden, die Regierung erhofft sich dadurch weitere Finanzmittel in Höhe von 5,8 Milliarden Euro. Ein Überblick, wie es funktioniert und welche Folgen es geben könnte.
Vorgesehen ist eine Steuer von einmalig 6,75 Prozent für Kontoinhaber mit weniger als 100.000 Euro auf dem Konto. Wer mehr hat, soll mit 9,9 Prozent zur Kasse gebeten werden. Über das Wochenende können die Bankkunden an Automaten Bargeld abheben. Internationale Überweisungen werden bis Dienstag nicht bearbeitet werden, da Montag ein Feiertag in Zypern ist. Das Parlament soll am Montag zusammenkommen und das für die Abgabe notwendige Gesetz verabschieden. Das Geld soll dann Anfang der kommenden Woche eingezogen werden. Auch mehrere Parlamente in der Eurozone müssen der von Euro-Finanzministern und Internationalem Währungsfonds beschlossenen Maßnahme zustimmen. Es ist ungewiss, wie lange das dauern wird und was in der Zwischenzeit mit dem Geld auf den Konten geschieht.
Alle Inhaber von Bankkonten in Zypern müssen die Steuer zahlen. Nur Kunden von Filialen griechischer Banken werden ausgenommen. Die Gläubiger wollten das ohnehin angeschlagene Griechenland möglichst aus der Schusslinie halten. Zugleich könnten griechische Banken nun die Hauptanlaufstelle der Anleger werden, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen.
Von den 69 Milliarden Euro auf zyprischen Banken gehören rund 40 Prozent Ausländern. Die meisten von ihnen sind Russen. Die Steuer hätte auch ausschließlich für Nicht-EU-Bürger ausgelegt werden können, doch das hätte die Umsetzung erschwert, wie Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics in Washintgon erklärt. Viele der russischen Anleger hätten eine doppelte Staatsbürgerschaft und einige russische Unternehmen seien in Zypern registriert, sagt er. Kirkegaard sagt, die Zyprer könnten die Steuer begrüßen, da sie auch Ausländer einbeziehe - die Steuererhöhungen in Griechenland, Portugal und Irland müsse hingegen die eigene Bevölkerung schultern.
In Zypern ist zwar am Montag Feiertag, aber in den meisten anderen Ländern wird gearbeitet. Kirkegaard zufolge ist die neue Steuer ein Hinweis darauf, dass die Europäische Zentralbank das Risiko eines Sturms auf Banken im Ausland für gering hält. Die Anleihenmärkte werden seiner Einschätzung nach geringfügig reagieren, da auch Anleihen besteuert werden. Bankaktien werden zudem voraussichtlich fallen und die Zinsen für Kredite werden steigen. Viele Investoren könnten indes in der langwierig herbeigeführten Entscheidung eine Generalprobe für ein Land sehen, das langsam aus der Eurozone ausscheide, gibt Heather Conley vom Center for Strategic and International Studies in Washington zu bedenken.
Zypern erhält Hilfe aus dem Euro-Krisenfonds, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Das Geld soll vor allem in die Sanierung des maroden Finanzsektors fließen, der durch Geschäfte in Griechenland ins Wanken geraten ist. Fast neun Monate musste die Regierung in Nikosia warten, weil die Geldgeber hart um die Auflagen gerungen haben. Nun soll alles schnell gehen, der Bundestag könnte schon nächste Woche über das Zypern-Paket beraten.
Die Abgeordneten kommen am Dienstagabend zusammen, um über den Beschluss abzustimmen. Zunächst war das Votum für Montag geplant. Doch offenbar befürchtete die Regierung um Präsident Nikos Anastasiades, keine Mehrheit für das Hilfspaket zu bekommen. Denn die Opposition will geschlossen gegen die Zwangsabgabe stimmen. Anastasiades will den Beschluss nun offenbar überarbeiten und Kleinsparer schonen. Die Banken sollen nun bis Donnerstag geschlossen bleiben.
Durch die geplante Ausnahme von Kleinsparern könnten etwa 300 Millionen Euro fehlen, um die nötigen 5,8 Milliarden Euro einzusammeln, die zusammen mit den zehn Milliarden Euro der Geldgeber Zypern retten sollen. Wie es aus Kreisen des Ministeriums hieß, sollen die fehlenden Gelder „aus anderen Quellen“ kommen. Welche diese sind, blieb unklar, meldete die Nachrichtenagentur dpa am Montagabend.
Was passiert, wenn das Parlament nicht zustimmt?
Dann gibt es keine Hilfskredite aus dem Rettungsschirm ESM. Das jedenfalls hat die Euro-Gruppe deutlich gemacht. Zypern aber braucht dringend frisches Geld, um seine Banken zu stützen. Ohne die Milliarden der Euro-Gruppe würden die Banken wohl noch Ende März kollabieren und den Staat mit in die Pleite stürzen.
„Ein Zusammenbruch der Banken hätte unbeschreibliches Elend zur Folge”, sagte Anastasiades in einer Fernsehansprache und sprach vom schlimmsten Augenblick seit dem türkischen Einmarsch, der 1974 zur Teilung der Insel führte. Afxentis Afxentiou, von 1982 bis 2002 Notenbankchef Zyperns, sagte im Interview mit dem Sender CYBC, ein Scheitern bei der Abstimmung werde „ins Chaos“ führen. Dann werde Zypern Libyen.
Wie sind die Reaktionen auf die Rettungs-Pläne in der Euro-Zone?
In Südeuropa, aber auch in Deutschland, wird das Hilfspaket kritisiert. Vielfach wird moniert, dass vor allem Kleinanleger belastet werden - und das (auch) russisches Schwarzgeld gerettet wird. "Zypern Geld zu geben, wäre der größte Fehler, den die Europäer machen könnten. Wir sollten die zypriotischen Banken – das Hilfspaket soll ja vor allem der Stützung der maroden Institute dienen – keinen einzigen Cent geben", sagte etwa der Wirtschaftswissenschaftler Lorenz Jarass schon vor wenigen Wochen im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. "Lasst sie Pleite gehen!". Die Hilfsgelder sollten besser für die Linderung der Folgen einer Zypern-Pleite verwendet werden.
„Dies ist ein riskantes Manöver mit ungewissem Ausgang“, sagt auch der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, im Gespräch mit Handelsblatt Online. Einerseits sei es fair und für die Mehrheitsfindung in den nationalen Parlamenten richtig, die von der Euro-Gruppe beschlossene Zwangsabgabe für sämtliche Kunden zyprischer Banken zu erheben. „Andererseits kann dies die Einleger in allen Krisenländern verschrecken und zum Räumen ihrer Konten veranlassen.“ Das würde nach Einschätzung Horns eine Bankenkrise auslösen, die nur durch „massive Interventionen“ der Europäischen Zentralbank (EZB) zu beenden wäre.
Dürfen Regierungen Sparer enteignen?
Dürfen Regierungen Sparer enteignen? Darf die nationale Notenbank Konten sperren?
Das Gespenst der Enteignung von Sparguthaben geht nun um. Dabei ist zunächst einmal die geplante Zwangsabgabe von einer vollständigen Enteignung zu unterscheiden. Die Zwangsabgabe auf Sparguthaben auf Zypern ist eher mit einer Sondersteuer gleichzusetzen – denn sie nimmt den Bürgern nicht alle Ersparnisse, sondern beansprucht eine staatliche Abgabe auf Vermögen. Selbstredend dürfen Staaten nach eigenem Ermessen und im Rahmen der verfassungsgemäßen Voraussetzungen alle Arten von Steuern erheben. Auch in Zypern muss erst das Parlament die Maßnahme billigen und ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Vor allem wird dort zu klären sein, welche Sparer wie viel zur Rettung Zyperns zahlen sollen. Diese Details müssen von Zyperns Parlament abgesegnet werden. Dann aber sind die Maßnahmen rechtens.
Auch andere europäische Regierungen dürfen auf die Vermögen und Ersparnisse ihrer Bürger zugreifen, solange sie die parlamentarischen Hürden und rechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Allerdings betrifft die Zwangsabgabe im Fall Zyperns nicht wie üblich Einnahmen, Gewinne und Ausgaben der Bürger, sondern ihre bestehenden Ersparnisse – und kann daher durchaus als ein Angriff auf die Eigentumsrechte der Sparer angesehen werden. Doch selbst Enteignungen sind im heutigen Europa durchaus üblich und legal – etwa beim Bau großer Infrastrukturprojekte. Der Eigentümer des alten Häuschens, das der Autobahn im Wege steht, kann vom Staat enteignet werden. Der Hauseigentümer hat jedoch einen Anspruch auf Entschädigung. Die Höhe der Entschädigung muss im Zweifel ein Gericht klären.
Wenn die Bank Pleite geht
Tages- oder Festgeld gilt als sichere Anlage. Doch was passiert, wenn eine Bank pleitegeht? In der gesamten Europäischen Union gilt ein gesetzlicher Entschädigungsanspruch von 100 000 Euro pro Anleger.
Deutschland gibt es darüber hinaus freiwillige Einlagenschutzsysteme, die noch größere Entschädigungssummen versprechen. Darauf gibt es aber keinen Rechtsanspruch.
Bankkunden sollten vorab prüfen, bei welchem Einlagensicherungssystem ein Institut überhaupt registriert ist. Denn es gibt einige Banken, die sich dem Einlagensicherungsfonds anderer Länder angeschlossen haben. Die Bigbank gehört zum Beispiel dem estnischen Einlagenschutzfonds an, die IW Bank, eine Tochter der Ubi Banca, ist dem italienischen Fonds angeschlossen. Die VTB Direktbank – nicht zu verwechseln mit der VTB Bank Deutschland – ist Österreichs Einlagensicherungssystem angegliedert.
Solche Aspekte sind wichtiger geworden, seit wegen der Staatsschuldenkrise die Zahlungsfähigkeit ganzer EU-Staaten angezweifelt wird. Denn es gibt kaum einen Einlagensicherungsfonds, der die Pleite einer großen Bank ohne Staatshilfe überstehen könnte. Selbst der Einlagensicherungsfonds der deutschen privaten Banken benötigte öffentliche Gelder, als die Deutschland-Tochter der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 Insolvenz anmeldete. „Deshalb ist die Frage wichtig, ob der jeweilige Staat finanzkräftig genug ist, um notfalls für das Einlagensicherungssystem einzustehen“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Der Verbraucherschützer rät Anlegern deshalb, darauf zu achten, dass eine Bank den Schutz der deutschen Einlagensicherung anbietet: „Die implizite Staatsgarantie Deutschlands ist höher zu bewerten als die von vielen anderen europäischen Staaten.“ Ein weiterer Vorteil: Der Schriftverkehr mit den Behörden erfolgt im Entschädigungsfall auf Deutsch.
Zentralbanken sind es in aller Regel nicht, die Konten von Sparern sperren lassen. Vielmehr sind es die Regierungen, die das gegebenenfalls mit Hilfe der Zentralbanken durchsetzen. So sieht etwa im deutschen Recht § 47 Kreditwesengesetz vor, dass die Bundesregierung im Falle „schwerwiegender Gefahren für die Gesamtwirtschaft“ und insbesondere für den geordneten Zahlungsverkehr ein Moratorium im Bankensektor erlassen kann. Dazu genügt eine Rechtsverordnung der Regierung, ein parlamentarischer Beschluss ist also nicht nötig. Per Anordnung darf die Regierung die Kreditinstitute für den Kundenverkehr vorübergehend schließen, den Zahlungsverkehr untersagen und diese Maßnahme auch auf einzelne oder Gruppen von Banken sowie bestimmte Bankgeschäfte beschränken. Außerdem darf die Regierung die Börsen schließen. Gedacht ist dieses Moratorium zunächst als Erste-Hilfe-Maßnahme. Daher darf sie nach deutschem Recht auch nur vorrübergehend sein. Wie lange „vorübergehend“ dauern kann, ist im Gesetz nicht weiter spezifiziert.
Ist so etwas auch in Deutschland möglich?
Eine Zwangsabgabe gab es auch in Deutschland schon. 1952 erließ die Bundesregierung das Lastenausgleichsgesetz. Damit sollten Bürger, die im zweiten Weltkrieg Vermögensschäden oder besondere andere Nachteile erlitten hatten, eine finanzielle Entschädigung erhalten. Für die Finanzierung wurde im Lastenausgleichsgesetz festgelegt, dass jene, denen nach dem Krieg erhebliches Vermögen geblieben war – insbesondere durch Immobilienbesitz – die Hälfte des errechneten Vermögenswertes abgeben mussten. Die Zahlungen konnten aber auf 30 Jahre gestreckt werden, so dass die jährliche Rate in der Regel durch den jährlichen Kapitalertrag bestritten werden konnte. So litt die Vermögenssubstanz in der Regel nicht, dafür aber die Kapitalerträge.
Wie rette ich mein Erspartes?
Wie rette ich mein Erspartes?
Grund zu Panik besteht zunächst nicht. Auch die betroffenen Zyprer können im Grunde nichts tun, solange die Bankschalter geschlossen bleiben und das Online-Banking gekappt ist. Das Geld für die geplante Zwangsabgabe ist per Erlass bereits eingefroren. Vermögende, die außerhalb Zypern wegen der nun wieder aufflackernden Euro-Krise Angst um ihre Ersparnisse haben, können lediglich tun, was die WirtschaftsWoche schon seit Krisenbeginn empfiehlt: Das Vermögen auf Gold, Sachwerte wie Immobilien oder Kunst sowie Aktien solider, möglichst dividendenstarker Unternehmen verteilen. Auch ein Vermögenstransfer in ein Nicht-Euro-Land ist im Rahmen der Gesetze denkbar, aber auch nicht ohne Risiko. Dann sollten Sparer unbedingt die Wechselkurse im Blick behalten. Letztlich bietet keine Anlageform garantierte Sicherheit vor dem Zugriff des Staates, Kapitalerträge sind im Regelfall zu versteuern, wenn auch unterschiedlich in Art und Höhe. Wer seine Ersparnisse auf verschiedene Anlageformen verteilt, mindert die Risiken und erhöht die Chance, in einem ähnlichen Fall wie dem Zyperns glimpflich davon zu kommen.
Was für ein Zypern-Hilfspaket spricht
Eine Staatspleite in Zypern wäre der Beweis, dass die Euro-Länder doch nicht bereit sind, ein Land um jeden Preis zu retten. Die Politiker könnten befürchten, dass dann die Risikoaufschläge für Peripherie-Staatsanleihen wieder hochschnellen, auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass die Krise wieder hochkocht.
Verweigern die Euro-Länder Zypern die Hilfe, wäre dies eine Aufkündigung der Solidarität. Das Misstrauen zwischen der Peripherie und den Kernländern dürfte sich vertiefen. Zur Erinnerung: Zypern hat sich ungeachtet seiner desolaten Staatsfinanzen an dem Hilfsprogramm für Griechenland beteiligt und garantiert für die EFSF-Kredite an Irland und Portugal. Und auch Irland hat sich erfolgreich geweigert, seine Steuersätze für Unternehmen anzuheben.
Vor allem aber dürfte es der EU nicht gefallen, wenn der russische Einfluss in Zypern noch größer würde. Russland hat ein großes wirtschaftliches und politisches Interesse an der Insel und würde wohl dem zyprischen Staat finanziell zur Seite springen. Schon 2012 hat der russische Staat Zypern mit einem Kredit über 2,5 Milliarden Euro vor der Pleite gerettet. Viele russische Bürger leben auf Zypern und zahlreiche russische Unternehmen haben in dem Land investiert. Darüber hinaus ist Zypern eine Drehscheibe für russisches Kapital. Ein Großteil der aus Russland nach Zypern transferierten Gelder fließt dorthin zurück. Ein gutes Viertel der in Russland getätigten Auslandsinvestitionen stammt aus Zypern.
Zypern könnte Russland, das Gefahr läuft, seinen syrischen Flottenstützpunkt zu verlieren, einen Hafen für seine Marine anbieten. Und noch etwas dürfte die EU fürchten: Russland hat ein Auge auf die vor der Küste Zyperns entdeckten Erdgasvorkommen geworfen. An deren Förderung möchte sich der russische Gasprom-Konzern beteiligen. Viele in Zypern knüpfen ihre Hoffnung auf Rettung an diese Gasvorkommen. Bei nur 0,9 Millionen Einwohnern könnten die zu erwartenden Gaseinnahmen die Situation des Landes massiv verbessern.
Kommt es nun zum Banken-Run in Südeuropa?
An den Geldautomaten auf Zypern kam es nur Stunden nach der Entscheidung von EU und IWF, die Sparer mit 5,8 Milliarden an dem Rettungspaket zu beteiligen, zu langen Schlangen. Schnell noch wollten die Bürger ihr Geld vom Konto holen, bevor sich der Staat alles einheimst. Das alarmiert die Sparer in den übrigen südeuropäischen Krisenstaaten Spanien, Portugal, Italien und Griechenland. Wenn sich bei Sparern die Erkenntnis durchsetzt, dass ihre Bankeinlagen in den Euro-Ländern, die Hilfe aus dem Rettungsfonds beziehen, nicht mehr vor dem Zugriff des Staates sicher sind, könnte es zum Sturm auf die Banken kommen. Das befürchtet etwa Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Auch Commerzbank-Analyst Michael Leister hält einen Ansturm auf die Banken für möglich, weil in Zypern schließlich erstmals auch die Kleinsparer zur Kasse gebeten werden. In Fall des Schuldenschnitts für Griechenland waren hingegen vor allem Banken und institutionelle Investoren zur Kasse gebeten worden.
Offenbar treibt daher viele Sparer wegen der Zypern-Rettung die Sorge um, dass die staatlich garantierte Einlagensicherung ihrer Kontoguthaben nicht viel wert ist. Strenggenommen wurde die Einlagensicherung jedoch gar nicht angetastet, weil kein Schadenfall eingetreten ist. Erst wenn eine Bank letztlich zahlungsunfähig ist, greift die Garantie bis zu einer Höhe von 100.000 Euro. Dass der Staat nur ein Art Sondersteuer auf die Guthaben erhebt, berührt diese Sicherungsnetz daher nicht, sondern ist Beleg für den Erfindungsreichtum von Regierungen, sobald die Einnahmen gesteigert werden müssen. Insofern ist eigentlich zweitrangig, ob die Einlagensicherung nun erodiert: Solange der Staat den ersten Zugriff auf private Ersparnisse hat, nützt sie ohnehin nicht viel. Zumindest in Krisensituationen wird der Staat einen Weg finden, an das Geld der Sparer heranzukommen – gleichgültig ob in Zypern, Italien, Spanien oder der Schweiz.
Panik ist jedenfalls ein schlechter Ratgeber. Deutsche Sparer müssten sich "keine Sorgen machen", versicherte denn Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon im "Handelsblatt". Die Lage in Zypern habe nichts mit der Lage in Deutschland zu tun. Die Situation zeige, "dass es sehr gut ist, keine einheitliche europäische Einlagensicherung zu haben", sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes.
Sind Zyperns Probleme mit ESM-Geld zu lösen?
Sind Zyperns Probleme mit einem Hilfskredit aus dem ESM gelöst?
Die zyprischen Banken haben sich mit der Kreditvergabe an den griechischen Staat und griechische Bürger verzockt. Nun sind sie in Schieflage und könnten die ganze Insel mit in den Abgrund reißen. Mit Hilfen durch den ESM wäre diese Gefahr gebannt. Allerdings hat auch der Staat in den vergangenen Jahren große Defizite angehäuft. Zyperns Schuldenstand wird sich innerhalb von nur vier Jahren (2010 bis Ende 2013) von 61,3 Prozent bis auf 93,1 des BIP vergrößern – exklusive der Bankschulden. Dass diese Schuldenquote im Zuge der Rettung deutlich sinkt, ist zu bezweifeln. Denn Zyperns Wirtschaftsleistung speist sich vor allem aus dem Bankensektor. Und dieser soll nun sein Geschäftsvolumen drastisch herunterfahren. Allerdings hofft Zypern auf einen Rohstoffboom ab 2018. Im Meer vor der geteilten Insel wurden vor einiger Zeit gewaltige Erdgasvorkommen entdeckt. Sie sollen in wenigen Jahren gefördert werden – und könnten der Regierung in Nikosia einen wahren Geldregen bescheren.
Warum Hilfe für Zypern kein Selbstläufer ist
Im deutschen Bundestag, der einem ESM-Hilfsprogramm für Zypern zustimmen muss, scheint es derzeit keine Mehrheit für ein Rettungspaket zu geben. SPD und Grüne haben deutlich gemacht, dass sie einem Hilfsprogramm für Zypern nur zustimmen werden, wenn damit keine Schwarzgelder gerettet und Maßnahmen gegen die vermutete Geldwäsche im Land ergriffen werden. Ohne Stimmen aus dem Oppositionslager dürfte ein Hilfsprogramm für Zypern aber keine Mehrheit im Parlament erhalten. Denn in der Regierungskoalition gibt es zahlreiche Abgeordnete, die die Rettungspolitik grundsätzlich ablehnen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) bezweifelt, dass mit den diskutierten Hilfsmaßnahmen die Schuldentragfähigkeit Zyperns hergestellt werden kann. Das ist aber eine Bedingung für IWF-Hilfen. Deshalb fordert der Fonds, dass die zyprischen Banken vom europäischen Rettungsfonds (ESM) rekapitalisiert werden. Doch Voraussetzung hierfür ist eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht, die es aber nicht vor Mitte 2014 geben wird. Alternativ könnte die Schuldentragfähigkeit durch einen Schuldenschnitt wiederhergestellt werden. Doch dies ist laut EU-Kommissar Rehn keine Option.
In Zypern drohen die Staatsschulden in den kommenden Jahren auf 160 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigen. Bereits Ende 2012 lag die Schuldenquote wegen der hohen Haushaltsdefizite in den zurückliegenden Jahren wohl bei knapp 90 Prozent. Und ohne Einnahmen aus dem Verkauf von Staatsvermögen wird der zyprische Staat bis 2015 zur Finanzierung seiner laufenden Ausgaben neue Schulden in Höhe von 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes machen müssen. Wird dem Staat auch noch die Rettung seiner Banken aufgebürdet, wie von den Euro-Finanzministern gefordert, kommen nochmals mehr als 10 Milliarden Euro bzw. 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hinzu. Diese Summe benötigen die zyprischen Geschäftsbanken, um die Verluste aus ihrem Griechenland-Geschäft und den steigenden Kreditausfällen im Inland auszugleichen sowie die höheren Eigenkapitalanforderungen der Europäischen Bankenaufsicht zu erfüllen.
Die Troika fordert von Zypern, die Steuern zu erhöhen, die aufgeblähte öffentliche Verwaltung zu verkleinern, die Banken schärfer zu regulieren und Staatsunternehmen zu verkaufen. Doch dagegen wehrt sich die zyprische Regierung. Denn das Wirtschaftsmodell des Landes zielt darauf ab, durch niedrige Steuersätze und eine laxe Regulierung Dienstleistungsunternehmen und Kapital anzulocken. Allein der Finanzsektor wuchs von 1995 bis 2011 um 240 Prozent. Sein Anteil an der Gesamtwirtschaft erhöhte sich von 4,9 auf 8,8 Prozent.
Finanziert wurde das Wirtschaftswachstum bisher vor allem mit ausländischem Kapital, vornehmlich aus Griechenland und Russland. Dies spiegelt sich in der tief roten Leistungsbilanz des Landes wider. Ein alternatives Wirtschaftsmodell ist aber nicht in Sicht. Die Industrie ist mit einem Anteil von 6 Prozent an der Gesamtwirtschaft zu klein, um die negativen Effekte der Umstrukturierung im Finanzsektor und im öffentlichen Dienst zu kompensieren. Und auch das zweite wirtschaftliche Standbein der Insel, der Tourismus, kann das nicht leisten. Er steht in direkter Konkurrenz zu Griechenland, Türkei und Nordafrika, die alle versuchen, ihren Tourismus auszuweiten.
Was kostet das Ganze den deutschen Steuerzahler?
Wenn die Rettung so verläuft, wie die Finanzminister dies in der Nacht zum Samstag beschlossen haben, kostet den Deutschen die Rettung der Mittelmeer-Insel gar nichts. Denn es werden lediglich Bürgschaften über die zehn Milliarden aus dem ESM abgegeben. Kann Zypern seine Schulden zurückzahlen, wäre sogar ein kleiner Zinsgewinn drin. Allerdings: Wann und ob Zypern seine Schulden zurückzahlen kann, steht in den Sternen. Das Risiko eines Zahlungsausfalls trägt der deutsche Steuerzahler. Da Deutschland mit den üblichen 27 Prozent an den Hilfskrediten beteiligt ist, stehen 2,7 Milliarden Euro auf dem Spiel.
Ist der Euro nun im freien Fall?
Wie reagieren die Märkte auf das beschlossene Hilfspaket für Zypern und die damit einhergehenden Zwangsabgabe der Bankkunden?
Am Montagmorgen verloren die meisten Indizes um mehr als ein Prozent. Der britische FTSE 100 sank um 1,2 Prozent auf 6413 Punkte, der deutsche Leitindex DAX fiel um 1,4 Prozent auf 7931 Punkte und der französische Index CAC-40 gab um 1,8 Prozent auf 7932 Punkte nach. Im Laufe des Vormittags stieg der Dax wieder auf 7.968 Punkte, was aber immer noch einem Minus von 0,92 Prozent im Vergleich zum Freitag entspricht.
Doch auch außerhalb Europas reagierten die Börsenkurse auf den geplanten Zypernkredit in Höhe von zehn Milliarden Euro und drehten ins Minus. Der Nikkei-Index in Tokio stürzte um 2,7 Prozent ab, der ebenfalls in Japan gelistete Topix-Index verlor um 1,7 Prozent. In China büßten der Shanghai-Composite 1,4 und der Hang Seng-Index in Hongkong zwei Prozent ein. Auch an der Wall Street reagierten die Indizes: Sowohl der Dow Jones als auch der S&P 500 verloren jeweils 0,2 Prozent, der Nasdaq-Composite gab um 0,3 Prozent nach.
Wie eine Zypern-Lösung aussehen könnte
Die Euro-Finanzminister werden bei ihren Forderungen zurückstecken. Wie schon im Fall Irlands wird die Politik auch Zypern erlauben, weiterhin mit niedrigen Steuersätzen Unternehmen auf die Insel zu locken.
Bei der Bekämpfung der Geldwäsche wird die EU hart bleiben, um die Zustimmung des deutschen Bundestages zu bekommen. Zypern wird alle verlangten Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche beschließen müssen. Ob diese dann auch in der Praxis 1:1 umgesetzt und kontrolliert werden, steht auf einem anderen Blatt.
Dem IWF dürfte signalisiert werden, dass die Bankenhilfen zu einem späteren Zeitpunkt vom ESM übernommen werden. Damit blieben die Staatsschulden für Zypern tragbar, zumal sich das Land verpflichten dürfte, die potenziellen Einnahmen aus Gasverkäufen vorrangig zur Tilgung seiner Schulden zu verwenden.
Russland dürfte sich zur Sicherung seines Einflusses an einer Rettung beteiligen. So könnten die Zinsen für den russischen Staatskredit gesenkt werden. Auch neue Kredite, die mit zukünftigen Einnahmen aus den Gasverkäufen abgesichert werden, sind gut möglich.
Anscheinend schürt das zyprische Hilfspaket auch an den Finanzmärkten die Angst vor einer weiteren Verschärfung der Euro-Krise: Anleger stießen Staatsanleihen der südeuropäischen Wackelstaaten Italien, Spanien und Portugal ab und investierten stattdessen wieder in Bundesanleihen. Daraufhin stiegen die Renditen italienischer Staatsanleihen von 4,605 auf 4,719 Prozent. Bei den spanischen Anleihen betrug die Steigerung 0,149 Prozentpunkte (von 4,928 auf 5,077 Prozent) und bei den portugiesischen Papieren 1,93 Prozentpunkte (von 6,0 auf 6,193 Prozent).
Dagegen verringerte sich die Rendite von Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit von 1,452 Prozent (Freitag) auf 1,385 Prozent (Montag). Anleihen mit zwei Jahren Laufzeit warfen zwischenzeitlich minus 0,002 Prozent ab. "Die Krise ist zurück", kommentierte ein Händler die Entwicklung.
Auch am Devisenmarkt ließ das Echo auf die Entwicklungen in Zypern nicht lange auf sich warten. Der Euro fiel zu Handelsbeginn auf 1,2880 Dollar, das ist der tiefste Stand seit Mitte Dezember 2012. Im Laufe des Vormittages kletterte der Euro auf 1,2960 Dollar. Am Freitag hatte der Euro noch bei 1,3074 Dollar geschlossen.
Selbst auf den Rohstoffmarkt hat sich der Streit um das Rettungspaket ausgewirkt. „Das Thema Zypern ist der wesentliche Impuls für die deutlichen Verluste im Rohstoffbereich“, sagte Lelia Kim, Rohstoffhändlerin bei Tong Yang Securities Inc. in Seoul gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Im Kontext der schwachen US-Wirtschaftsdaten, trifft es die Industriemetalle besonders hart, während Gold wegen der Suche nach einem sicheren Hafen steigt“, sagt sie. Dementsprechend stieg der Goldpreis um bis zu einem Prozent auf ein Drei-Wochen-Hoch von 1608,30 Dollar. Silber gewann 0,4 Prozent auf 28,90 Dollar.