Bundesverfassungsgericht Was darf die EZB - und was nicht?

In Karlsruhe wird erneut über die Anleihekäufe der Notenbank verhandelt. Für die Richter wird die Entscheidung schwierig: Sie dürfen der EZB keinen Freifahrtschein erteilen, aber auch den EuGH nicht düpieren.

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Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Quelle: dpa

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am Dienstag erneut über zentrale Elemente der Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank. Dabei geht es am Dienstag um das OMT ("Outright Monetary Transactions") genannte Programm zum notfalls unbegrenzten Ankauf von Anleihen kriselnder Euro-Staaten.

Die EZB hatte das Programm, das bisher noch nie angewendet wurde, 2012 auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise in Aussicht gestellt. Der Beschluss hatte damals in Deutschland heftige Kritik und Tausende Klagen von Bürgern ausgelöst. Der Vorwurf lautet, die EZB würde ihr Mandat überziehen und im Zweifelsfall Krisenstaaten über die Notenpresse finanzieren.

Die EZB vorm Bundesverfassungsgericht

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, das Bundesverfassungsgericht wolle zentrale Elemente der Euro-Rettungspolitik der EZB nochmals unter die Lupe nehmen. Ziel des Gerichts sei es, "ein langes Verfahren zum Abschluss zu bringen". Mit einem Urteil der Karlsruher Richter ist allerdings erst in mehreren Monate zu rechnen.

Weidmann gegen Mersch

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, einer der OMT-Kritiker, hat vor dem Bundesverfassungsgericht seine Vorbehalte gegen den Kurs der EZB bekräftigt. Bei Staatsanleihenkäufen unter OMT würden die Risiken vollständig vergemeinschaftet und letzten Endes auf die Steuerzahler verteilt, sagte Weidmann. Zwar sei eine Anwendung von OMT durch die aktuellen Anleihenkäufe der Notenbank unwahrscheinlicher geworden. An sich seien beide Programme aber auch parallel zueinander vorstellbar, sagte Weidmann.

Verteidigt wurde das Programm von EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch. Allein die Ankündigung habe die Situation verbessert. „Heute ist der Euroraum in einem langsamen, aber stetigen Aufschwung“, sagte Mersch. Der EZB-Rat habe zudem Vorkehrungen getroffen, um die mit dem Programm verbundenen Risiken zu begrenzen. Mersch sagte aber auch: „Eine Währungsunion ist eine Haftungsgemeinschaft.“ Der Notenbank müsse es möglich bleiben, über geldpolitische Maßnahmen unabhängig zu entscheiden.

Karlsruhe gegen den EuGH

Die Verfassungsrichter hatten sich bereits 2013 mit OMT befasst. Sie hatten aber dann 2014 überraschend das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorgelegt.

Die Rolle der EZB nach dem Maastricht-Vertrag

Der erteilte der EZB mit seinem Urteil im vergangenen Juni einen weitgehenden Freifahrtschein für OMT. Interessant dürfte deshalb werden, wie die Verfassungsrichter mit dem Urteil aus Luxemburg umgehen und ob sie ihre Bedenken ausreichend berücksichtigt sehen. Denn für sie ist entscheidend, ob OMT mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Die Richter in Karlsruhe stehen damit vor einer schwierigen Entscheidung. Geben sie der Entscheidung des EuGH statt, bliebe es beim Freifahrtschein für die EZB. Das Signal: alles geht, die Sorgen um eine verdeckte Staatsfinanzierung sind unbegründet. Insbesondere Ordnungspolitiker halten das für fatal. Andersherum würden die Karlsruher Richter aber auch viel Porzellan zerschlagen, wenn sie sich mit dem EuGH überwerfen würden.

Es bestünde das Risiko, dass andere nationale Gerichte in anderen Verfahren einen ähnlichen Weg wählen würden und dem EuGH nicht mehr folgen. Angesichts der ohnehin schon fragilen Lage Europas wäre es fatal, wenn es künftig zu immer mehr Alleingängen kommen würde.

Führende deutsche Wirtschaftsexperten hatten den Verfassungsrichtern deshalb kürzlich empfohlen, dem EuGH-Urteil zwar im Ergebnis zu folgen - nicht aber in der Begründung. Auf diese Weise könnten diese ihre Bedenken zum Ausdruck bringen, ohne dass ein harter Bruch mit dem EuGH die Folge wäre. So würde sich das Verfassungsgericht auch eine Prüfung künftiger EZB-Schritte vorbehalten.

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