Die EZB verweist darauf, dass sie die durch Anleihekäufe geschaffene Liquidität wieder aus dem Bankensektor absaugt.
Das ist Augenwischerei. Die vorgebliche Sterilisierung besteht darin, dass die EZB den Banken verzinsliche Termineinlagen anbietet und hofft, dass die Banken das frisch geschaffene Zentralbankgeld darauf einzahlen. Zugleich können sich die Banken aber gegen qualitativ minderwertige Sicherheiten in beliebiger Höhe neues Zentralbankgeld von der EZB leihen. Ein Absaugen von Zentralbankgeld findet nicht statt, die EZB verbreitet eine Sterilisierungslüge.
Die Ankündigung der EZB, unlimitiert Anleihen zu kaufen, hat die Zinsen für die Krisenländer schon im Vorfeld nach unten gedrückt. Manche Beobachter argumentieren, die EZB müsse am Ende gar keine Anleihen kaufen.
Das halte ich für naiv. An den wirtschaftlichen Fundamentaldaten in den Krisenländern hat sich nichts geändert. In Spanien spitzen sich die Probleme zu. Das gilt nicht nur für den Bankensektor, sondern auch für die Haushalte der Regionen, von denen jetzt die Mehrheit einen Bail-Out vom Zentralstaat fordert. In Italien wird die Reformpolitik verwässert und in Frankreich hat die Regierung noch nicht einmal ernsthaft damit begonnen, die Probleme anzugehen. Was wir derzeit an den Finanzmärkten sehen, ist eine Art Coca-Cola-Effekt. Die Ankündigung der EZB hat die Kurse kurz aufgeschäumt. Wenn der Schaum verschwunden ist und den Märkten die Probleme wieder bewusst werden, werden die Zinsen wieder steigen. Dann wird die EZB ihren Worten Taten folgen lassen und intervenieren.
Die Reaktionen zum OMT-Programm
"Draghi hatte viel von den Ankündigungen schon vorweg genommen, deshalb geben die Märkte jetzt etwas nach. Deshalb sind seine Ankündigungen aber nicht als negativ zu werten. Mit einem Kursfeuerwerk war ja nicht unbedingt zu rechnen. Die erhofften Punkte hat Draghi alle ziemlich klar angesprochen.
Wenn die Regierungen der betroffenen Länder, wie zum Beispiel Spanien, das Angebot der EZB annehmen sollten und die Reformen unter den Rettungsschirmen einleitet, dann ist das ein koordiniertes Vorgehen, das zur Beruhigung der Märkte für längere Zeit geeignet ist. Jetzt hängt es von der Politik und nicht von der EZB ab, das Angebot anzunehmen.
Es wäre nicht gut gewesen, wenn die EZB Grenzen in Umfang oder Zinshöhen beim Anleihenkaufprogramm aufgezeigt hätte, denn dagegen wäre wieder spekuliert worden. Das Wort 'unbegrenzt' ist von der EZB als Zeichen der Stärke gewählt worden."
"Die EZB hat den großen Revolver zwar gefunden, aber es fehlt an Munition, um eine langfristig positive Auswirkung auf die Märkte zu tätigen. Obwohl heute nützliche Maßnahmen verabschiedet wurden, die sicherlich kurzfristig eine Erleichterung für die Peripheriestaaten bringen, hinkt die Kapazität der EZB und des europäischen Parlaments hinterher, um Spanien UND Italien aus der Klemme zu helfen. Ein Bail-Out von Spanien UND Italien sollte erst dann möglich sein, wenn die EZB und Deutschland erkennen, dass als effektives Instrument nur eine quantitative Lockerung im Stil der amerikanischen Notenbank in Frage kommt."
"Mit einer begrenzten Ankaufpolitik der EZB im Gegenzug zu stringent überwachten Reformen in den entsprechenden Staaten kann Zeit für dringend notwendige Wirtschaftsreformen gewonnen werden. Auf keinen Fall dürfen diese Maßnahmen der EZB aber dazu führen, dass eine bestehende Problemlage nur verlängert und die Rechnung, gerade für Deutschland, am Ende noch umfangreicher wird. Deshalb muss das Volumen der Aufkäufe begrenzt bleiben."
"Beim Ankaufprogramm für Staatsanleihen ist große Vorsicht angebracht. Interventionen verpuffen, wenn die nötigen Reformen in den Mitgliedsstaaten ausbleiben. Bislang zeigt sich die EZB aller Risiken bewusst und sollte ihrer vorsichtigen Linie treu bleiben. Das gilt auch für all die Rufe, die EZB solle mehr Fed und weniger Bundesbank sein. Die Krise hat gezeigt, dass die Finanzmärkte Reformbemühungen durchaus honorieren.
Für die Reformen und die Staatsfinanzierung sind vor allem die einzelnen Staaten selbst verantwortlich. Der Ruf nach der EZB ist verständlich - ihm vorschnell nachzugeben allerdings nicht. Die Politik ist gerade hier gefordert, den Druck auf die EZB durch Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung in den Ländern zu mildern, damit diese wieder ihren eigentlichen Job machen kann: Die Geldwertstabilität sichern."
"Die EZB hat genau das beschlossen, was in den letzten Tagen vermehrt diskutiert und auch teilweise eingepreist wurde. Insofern ist der Beschluss der EZB keine echte Neuerung. Unmittelbare Inflationsgefahren werden durch die Sterilisierung des Anleihekaufprogramms (MOT) in Grenzen gehalten, dennoch besteht für die EZB im Vergleich zu Repo-Geschäften ein erhöhtes Ausfallrisiko."
"Die Entscheidung der EZB, den Leitzins unverändert zu lassen ist richtig. Sie hat durch die vergangene Zinssenkung bereits anerkannt, dass sie den konjunkturellen Einbruch im Euroraum zur Kenntnis genommen hat. Das Problem des Euroaums liegt aber derzeit nicht in der Höhe des Leitzinses, sondern im fehlenden Vertrauen in dessen Stabilität.
Dem kann die EZB nur mit dem angekündigten unbegrenzten Aufkaufprogramm für Staatsanleihen begegnen. Dies ist der entscheidende Schritt, der die Voraussetzungen für eine Überwindung der Krise schafft. Nur mit diesem Programm im Rücken werden die Märkte ihre Spekulation gegen den Euro aufgeben und es dank sinkender Risikoaufschläge den Staaten ermöglichen, ihre Schulden auf Dauer wieder aus eigener Kraft - also ohne die Hilfe eines Rettungsschirms - zu bedienen."
"Die Zentralbank ist nicht dazu da, Staatsfinanzierung zu betreiben. Anleihekäufe sind der falsche Weg, da sie dringend notwendige Sparbemühungen und Strukturänderungen in den öffentlichen Haushalten der hoch verschuldeten Länder unterlaufen und Anreize nehmen. Die Europäische Zentralbank darf nicht in die Rolle einer Ersatzregierung gedrängt werden."
"Die Entscheidung der EZB ist nicht überraschend. Sie kauft nun unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten und nähert sich damit der monetären Staatsfinanzierung. Zudem akkumuliert sie mit den Käufen zusätzliche Bilanzrisiken. Da sie zusätzlich die Sicherheiten-Erfordernisse für ihre Liquiditätsoperationen weiter senkt, können die Ausfallrisiken im Prinzip unbegrenzt zunehmen. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht gegen den Rettungsschirm ESM entscheiden würde, ist eine klare Begrenzung der deutschen Haftungssumme in weite Ferne gerückt.
Indem die EZB ihre Käufe daran knüpft, dass die Staaten ein EU-Anpassungsprogramm durchlaufen, mischt sie sich deutlich in die Finanzpolitik ein. Umgekehrt wird der politische Druck groß sein, die Käufe lange beizubehalten. Wie strikt die von der EZB betonte Konditionalität tatsächlich ist, könnte sich demnächst am Fall Griechenlands entscheiden, wenn die Troika dort nicht nachhaltige Staatsfinanzen vorfinden und das Rettungsprogramm dennoch ausweiten sollte."
"Der Schritt ist getan. Jetzt muss die Politik liefern. Es fällt auf, dass sich die Märkte halten, obwohl das meiste erwartet worden war. Wenn wir dieses Niveau verteidigen können, wäre das ein positives Zeichen."
"Über die heute berichteten Maßnahmen bin ich zwar nicht sehr glücklich, aber sie waren kaum zu umgehen und sind letztendlich das Ergebnis der institutionellen Entwicklung im Euroraum. Würde die EZB nicht in den Markt eingreifen, könnten einzelne Länder weiter in die Abwärtsspirale gedrängt werden - bis hin zum Austritt. Insofern kann es nur ein Zusammenspiel geben zwischen Geldpolitik und Reformbemühungen, um ein solche Entwicklung zu verhindern. Es gibt derzeit genau zwei Optionen: Entweder wir finden den Weg zu einer teilweise Vergemeinschaftung der Schulden oder die bereits sichtbaren Zentrifugalkräfte in der Währungsunion verstärken sich weiter.
Die Märkte hatten die Ergebnisse weitgehend vorweg genommen, so dass auch für die kommenden Tage keine deutlicheren Marktreaktionen zu erwarten sind. Alle Augen sind nun auf das Bundesverfassungsgericht gerichtet. Hier erwarte ich keine negativen Überraschungen."
"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Zinssenkung kommt in einer der nächsten Sitzungen. Die EZB hält ihr Pulver trocken. Sie wird später nachlegen.
"Die EZB hat alle wichtigen Zinssätze wie erwartet unverändert gelassen. Wir sind der Ansicht, dass eine konventionelle Lockerung der Geldpolitik keine angemessene Antwort auf die Probleme ist, denen der EZB-Rat derzeit gegenübersteht. Deutschland benötigt derzeit keine Zinssenkung - und Spanien würde eine Zinssenkung nicht retten."
Kommt dann die große Inflation?
Inflation hängt entscheidend von den Erwartungen ab. Was den Index für die Lebenshaltungskosten betrifft, liegen die Inflationserwartungen derzeit bei rund drei Prozent. Hinzu kommt, dass die Preise für Vermögensgüter steigen. An den Immobilienmärkten hierzulande schießen die Preise ins Kraut, weil die Menschen der Geldwertstabilität keine Chance mehr geben. Die Frage ist nicht, ob die Inflation kommt, sondern wann und in welchem Ausmaß.
Was kann die Bundesbank noch dagegen unternehmen?
Es wäre schon viel gewonnen, wenn Bundesbankpräsident Jens Weidmann es nicht bei einem verbalen Nein zu den Anleihekäufen beließe, sondern seine Mitwirkung an der Ausführung daran verweigern würde. Denn die Käufe sind rechtswidrig. Die anderen Zentralbanken des Euro-Systems müssten dann den Anteil der Bundesbank übernehmen. Folgen andere Nord- und Ostländer dem Beispiel der Bundesbank, müssten die Zentralbanken aus dem Süden den Ankauf allein und auf eigenes Risiko stemmen. Dann wird man sehen, ob sie das wirklich machen. Noch besser wäre es, wenn die Nord- und Ostländer eine eigene Parallelwährung ausgäben.
Wie soll das gehen?
Die Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen sollten eine eigene Hartwährung als zweites gesetzliches Zahlungsmittel in Konkurrenz zum Euro ausgeben. Eine solche Währung, nennen wir sie Guldenmark, gäbe den Bürgern und Unternehmen die freie Wahl. Vieles spricht dafür, dass die Menschen die Guldenmark dem Euro vorziehen, der dann abwerten würde. Die stabilitätsorientierten Länder könnten so eine eigene Geldpolitik betreiben, die ihren Präferenzen und wirtschaftlichen Bedürfnissen entspricht.