Die rechtlichen und politischen Hürden dafür wären aber extrem hoch.
Rechtlich ist die Einführung eine Parallelwährung durchaus möglich. Die EU-Verträge (Art.127 AEUV) sehen lediglich vor, dass die EZB und die nationalen Notenbanken die einzigen Institutionen sind, die das Recht haben, ein Zahlungsmittel auszugeben. Welches das ist, ist nicht näher definiert. Politisch würde der Versuch der Bundesbank, eine Parallelwährung zu etablieren, sicherlich von allen Instanzen im Brüssel-Europa bekämpft. Wahrscheinlich würde Frankreich die EU-Kommission drängen, die Bundesbank vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Das sollte die Bundesbank nicht beunruhigen. Im Schnitt dauert es mehr als drei Jahre, bis Klagen vor dem Gerichtshof entschieden sind. In dieser Zeit hätte eine Parallelwährung ökonomische Fakten geschaffen.
Es sieht aber nicht danach aus, als sei die Bundesbank zu einem solchen Machtkampf bereit.
Wenn die Bundesbank still hält, werden sich die Bürger bewegen. Draghi hat vor einigen Wochen angekündigt, alles zu tun, um den Euro zu retten. Seine Ankündigung zum Anleihekauf hat gezeigt, dass er bereit ist, dabei Recht durch Macht zu ersetzen. Das dürfen sich die Bürger in Deutschland nicht gefallen lassen. Sie können Herrn Draghi antworten: Wir sind bereit, alles zu tun, um das Experiment des Euros zu einem glimpflichen Ende zu bringen, bevor wir im Abgrund landen. Und wir werden uns nicht damit zufrieden geben, nur vor Gerichten zu klagen.
Die Rolle der EZB nach dem Maastricht-Vertrag
Artikel 104 (1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (...) für Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken.
Artikel 104 b (1) Die Gemeinschaft haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein. (...)
Artikel 107 Bei der Wahrnehmung der ihnen durch diesen Vertrag und die Satzung des ESZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank, noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen.
Artikel 105 (1) Das vorrangige Ziel des ESZB (Europäisches System der Zentralbanken, d. Red.) ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen.
Draghi hat den Ankauf von Staatsanleihen an die Bedingung geknüpft, dass die Länder zuvor Hilfen beim Euro-Rettungsschirm ESM beantragen. Was passiert, wenn das Bundesverfassungsgericht den ESM stoppt?
Kerber: Die Tatsache, dass Draghi die EZB-Interventionen an Hilfen durch den ESM geknüpft hat, ist eine Verachtung des deutschen Verfassungsstaats. Denn Draghi geht stillschweigend davon aus, dass das oberste deutsche Gericht den Rettungsschirm durchwinkt. Zudem ignoriert der EZB-Chef, dass ein Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof anhängig ist, der die Frage zu klären hat, ob der ESM überhaupt ratifiziert werden darf.
Falls das Bundesverfassungsgericht den ESM stoppt, könnten die Regierungen den bereits installierten Rettungsschirm EFSF aktivieren.
Der EFSF ist anders als der ESM nicht dazu berechtigt, Staatsanleihen an den Primärmärkten zu kaufen. Das aber hat die EZB zur Voraussetzung für eigene Käufe an den Sekundärmärkten gemacht. Zudem reicht das verbliebene Volumen der EFSF nicht aus, um ein Land wie Spanien über einen längeren Zeitraum zu stützen. Die Regierungen müssten den EFSF deshalb mit weiteren Bürgschaftszusagen aufstocken, wofür es in den Parlamenten kaum Mehrheiten gibt.
Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, erhält die EZB bald die Aufsicht über alle Banken in Europa und wird noch mächtiger.
Die Zentralisierung der Bankenaufsicht bei der EZB ist ein Teil der von Brüssel vorangetriebenen Bankenunion. Im Kern geht es dabei um den Zugriff der Krisenländer auf die Einlagensicherungssysteme der Geberländer aus dem Norden Europas. Diese Systeme werden von den Sparern finanziert. Die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung ist daher eine indirekte Form, die Sparer in Deutschland zu enteignen. Wer eine Bankenunion im Sinne der EU-Kommission fordert, startet zum Raubzug bei den deutschen Sparern im Namen Europas. Hier bahnt sich ein unerklärter Krieg gegenüber Deutschland und seinen Sparern an, der in seinen finanziellen Dimensionen fast an das heranreicht, was in dem Versailler Vertrag von 1919 als Reparationsleistungen von Deutschland gefordert worden war. Ich wundere mich, dass die politischen Eliten in Deutschland diese historischen Parallelen nicht sehen und die Augen davor verschließen, welche Empörung in der Bevölkerung entsteht, wenn sie diese Politik weiterführen. Unsere Elite scheint vor nichts so viel Angst zu haben, wie von der Bevölkerung in den andern Ländern Europas an den Pranger gestellt zu werden. Angst statt Mut prägt ihr Handeln.