Ganz Frankreich scheint sich inzwischen einer monokausalen Vorher-Nachher-Betrachtung verschrieben zu haben. Vor dem Euro war alles gut, mit dem Euro ist alles schlecht. Nur kommen dabei natürlich einige Dinge durcheinander. Das liegt vor allem daran, weil immer noch der von Jean-Baptiste Colbert, dem Finanzminister von Ludwig XIV. begründete Merkantilismus die außenwirtschaftliche Debatte in Frankreich prägt. Frankreich leistet sich immer noch Spitzenpolitiker, die den Außenhandel als Nullsummenspiel verstehen, bei dem der eine das gewinnt, was der andere verliert. Dazu gehört auch Christine Lagarde, ehemalige französische Finanzministerin und gegenwärtig geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Ihre auf die Schwächung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit abzielenden Vorschläge nannte der damalige Bundesbankpräsident Axel Weber "naiv". Und Staatspräsident Hollande, der nachweislich keine Ahnung von ökonomischen Zusammenhängen hat, meint zu wissen, dass der Euro für Frankreich zu stark sei.
Marine Le Pen hält sich an die Ökonomen und Studien, die ihr stark vereinfachtes Weltbild bestätigen. Dazu gehören Kapitalverkehrskontrollen, "ökonomischer Patriotismus" und die Einsicht, dass sich die französischen von den deutschen Interessen unterscheiden. Colbert lässt grüßen.
Fakten zu François Hollande
Studierte Recht, Wirtschaft und Politik an Pariser Eliteuniversitäten.
Holte sich Wahlkampftipps von Beratern des US-Präsidenten Barack Obama.
Will im Amt sich und seinen Ministern das Gehalt um ein Drittel kürzen.
Plant einen Wachstumspakt zur Ergänzung des EU-Fiskalpakts.
Will Jahreseinkommen über eine Million Euro mit 75 Prozent besteuern.
Die französischen Euro-Gegner holen sich ihre Argumente bei einer von Jacques Sapir an der Pariser l’École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) angeführten Gruppe von Ökonomen oder aus einer von Eric Dor, Direktor der IESEG School of Management an der Université Catholique de Lille, verfassten Studie über die Konsequenzen der Währungsunion für die verarbeitende Industrie in Frankreich. Sapir und Dor sehen einen direkten Zusammenhang zwischen der Einführung des Euro und dem Rückgang der französischen Industrieproduktion.
So habe die kumulierte Wachstumsrate der Industrieproduktion in Frankreich und Deutschland vor der Währungsunion in der Zeit zwischen Januar 1995 und Dezember 1998 in etwa gleichauf gelegen. Nach der Einführung des Euro schrumpfte die französische Industrieprodukten zwischen Januar 1999 und April 2013 um 11,4 Prozent, während die deutsche Industrieproduktion um 32,8 Prozent zulegte. Nur berücksichtigt die Studie nicht, dass in Deutschland die zweite Hälfte der Neunzigerjahre durch extrem niedrige Wachstumsraten geprägt war, deren Gründe in der ökonomisch verunglückten Wiedervereinigung und in der Anpassungskrise im Vorfeld der Euro-Einführung lagen. Nach der Euro-Einführung hat Deutschland nur allmählich zu seiner alten Wettbewerbsstärke zurückgefunden.