Außenminister Cavusoglu Türkei erneuert Drohung zu EU-Flüchtlingsvertrag

"Entweder wenden wir alle Verträge gleichzeitig an oder wir legen sie zur Seite." Mit diesen Worten hat der türkische Außenminister gedroht, bei Verweigerung der Visafreiheit den Flüchtlingsvertrag platzen zu lassen.

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Türkischer Außenminister Mevlut Cavusoglu Quelle: REUTERS

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat das Ultimatum an die EU erneuert, bei Verweigerung der Visafreiheit für Türken das Flüchtlingsabkommen mit den Europäern platzen zu lassen. Auf die Frage, was geschehe, wenn es aber Oktober keine Visafreiheit für seine Landsleute gebe, sagte Cavusoglu der "Bild"-Zeitung vom Montag: "Entweder wenden wir alle Verträge gleichzeitig an oder wir legen sie zur Seite."

Nach türkischer Lesart bildet die Visafreiheit eine europäischen Gegenleistung für das Abkommen, seit dessen Abschluss der Flüchtlingszustrom nach Europa, etwa aus Syrien, über die Balkan-Route drastisch zurückgegangen ist.

"Wir haben Verträge, wo klar festgelegt ist, dass es im Oktober die Visafreiheit für allen Türken geben wird", sagte der Minister. Es könne nicht sein, dass nur das umgesetzt werde, was für die EU gut sei, sein Land dafür aber nichts bekomme. Die EU hält der Türkei vor, sie habe noch nicht alle der über 70 Kriterien umgesetzt, die Voraussetzung für die Visafreiheit sind. Dabei geht es insbesondere um eine Änderung der Anti-Terrorgesetze in dem Land, die nach Einschätzung der Europäer auch als Mittel gegen politische Kritiker genutzt werden können.

Das ist die Gülen-Bewegung

Cavusoglu kritisierte erneut, nach dem Putschversuch von Militärs und den Folgemaßnahmen der Regierung bekomme die Türkei von Teilen der EU lediglich Drohungen, Beleidigungen und eine totale Blockade. An echter Unterstützung habe die türkische Regierung nichts erhalten. Dabei bestehe weiter die Gefahr eines neuen Putschversuchs. Auch in der Flüchtlingsfrage agiere die EU nach dem Motto "Wir sind die Chefs, und so wird es gemacht".

Razzien in drei Gerichten

Derweil geht die innenpolitische Aufarbeitung des Putschversuchs unvermittelt weiter. Die türkische Polizei hat einem Medienbericht zufolge am Montag Razzien in drei Istanbuler Gerichten begonnen. Im Zusammenhang mit Haftbefehlen gegen 173 Bedienstete der Gerichte wegen mutmaßlicher Verwicklung in den gescheiterten Militärputsch würden die Büros der Beschuldigten durchsucht, berichtete die Nachrichtenagentur Dogan am Montag. Die Aktionen finden demnach im Justizpalast sowie zwei weiteren Gerichtsgebäuden im europäischen Teil der Metropole am Bosporus statt. Es seien auch Personen festgenommen worden.

Schlüsselstaat Türkei

Nach Angaben von Ministerpräsident Binali Yildirim wurden seit dem Putschversuch vor einem Monat mehr als 81.500 Staatsbedienstete entlassen oder suspendiert. Darunter sind Angehörige der Justizverwaltung wie auch des Militärs, der Polizei und des Bildungswesens. Ihnen werden Verbindungen zum Netzwerk des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen, den die türkische Führung als Drahtzieher des Umsturzversuchs bezeichnet. Gülen weist dies zurück. Bei dem Putschversuch waren mehr als 240 Menschen getötet worden. Über 35.000 Türken wurden seitdem festgenommen, gegen 17.000 von ihnen wurden Haftbefehle erlassen.

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