Banco Espírito Santo Pleitebanken machen Europa zu schaffen

Die Rettung der Banco Espírito Santo wirft ein Schlaglicht auf die Probleme, die bei der Entstehung der EU-Bankenunion auftauchen können. Muss am Ende doch der Steuerzahler bluten?

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Die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs steigt mit einem Kapitalanteil von 2,27 Prozent bei der BES ein. Quelle: dpa

Mit seiner Wut hält der französische Top-Banker nicht hinterm Berg: „Wir sind von einer Familie betrogen worden, mit der wir eine echte Partnerschaft hatten“, schimpft Jean-Paul Chifflet, Chef der französischen Bank Crédit Agricole. Mit der „Familie“ meint der Banker den alteingesessenen portugiesischen Unternehmerclan Espírito Santo, dessen Firmen in den vergangenen Wochen reihenweise pleitegegangen sind.

Über die finanziellen Verflechtungen mit der Familie ist auch die gleichnamige Bank, Portugals größtes Finanzinstitut nach Marktkapitalisierung, gestolpert. Der Staat musste die Banco Espírito Santo (BES) vergangene Woche mit fast fünf Milliarden Euro retten. Das Nachsehen haben Aktionäre wie die französische Crédit Agricole. Sie muss ihren knapp 15-Prozent-Anteil an der Bank mit mehr als 700 Millionen Euro abschreiben. Die französische Bank war nach der Familie Espírito Santo der zweitgrößte Teilhaber der BES. Sparer und vorrangige Gläubiger kommen noch einmal ungeschoren davon. Das ist die gute Nachricht.

Doch die Beinahe-Pleite in Portugal wirft Fragen auf:

-Haben die portugiesischen Aufseher zu lange weggeschaut, oder warum haben sie nichts gemerkt?

-Wie viel Eigenkapital muss eine Bank denn nun vorhalten, damit sie Verluste tatsächlich selbst stemmen kann?

-Was kann die Europäische Zentralbank (EZB), die ab November die Aufsicht über die 120 größten Banken in der Euro-Zone übernimmt, besser machen als die portugiesischen Behörden?

Noch vor gut vier Wochen galt die BES als solide und gut kapitalisiert. Als erste Gerüchte über hohe Verluste die Runde machten, stellte sich Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho öffentlich vor das heimische Institut. Die Bank habe „genügend Kapital, um ihre Schulden bedienen zu können“.

Auch die Prüfer der EZB sahen die Misere nicht kommen. Mehr noch: Sie waren dazu gar nicht in der Lage. Seit Monaten prüfen die Zentralbanken zwar die Bücher der größten europäischen Banken – und auch die der Portugiesen. Doch der Bilanzcheck, der der Vorbereitung der europäischen Bankenunion dient, galt nicht der einzelnen Bank, sondern dem Finanzunternehmen Espírito Santo Financial Group, zum dem die Bank gehörte. Dieses Institut gibt es nun aber in der Form nicht mehr. Weitermachen wie bisher kann die EZB mit dem laufenden Bilanz- und Stresstest also nicht.

Die größten Anteilseigner der Banco Espírito Santo (in Prozent)

Inzwischen ist die Bilanzprüfung so gut wie abgeschlossen, aber nun steht der Stresstest an. Damit will die EZB erkunden, wie und ob ein Institut auch eine schwere Konjunkturkrise überstehen kann. Auch dies dient der Vorbereitung der Bankenunion. Welche Konsequenzen muss die EZB aus diesem Fall für den gesamten Stresstest ziehen? Müssen nach Rekapitalisierung der Bank neue Annahmen für den Stresstest getroffen werden?

Weiterhin umstritten ist zudem die Frage, ab wann eine Bank als systemrelevant gilt. Nach europäischen Maßstäben gilt die BES mit Einlagen von rund 37 Milliarden Euro als relativ klein. Eine Pleite des Instituts hätte das Finanzsystem der Euro-Zone folglich nicht ins Wanken gebracht. Doch aus portugiesischer Sicht stellte sich die Sache anders dar: „Die Probleme der BES hätten die Stabilität des Finanzsystems gefährdet“, sagt Notenbankchef Carlos da Silva Costas. Also mussten doch wieder Steuergelder her, um eine Pleite zu verhindern? Genau das sollte eigentlich nicht mehr passieren. Wann also wird jemals eine Bank abgewickelt, werden die Geschäfte eines Instituts tatsächlich jemals eingestellt?

Kleiner Fortschritt

Ein kleiner Fortschritt ist dagegen die Art der Bankenrettung. Erstmals wurde im Fall der BES ein marodes Institut in eine gute Bank, die „Novo Banco“, und in eine schlechte Bank, eine sogenannte Bad Bank, aufgespalten. Das Geld der Steuerzahler wurde dabei in die gute Bank gepackt. Für die drohenden Verluste der Bad Bank, in der die Risiken verblieben sind, müssen die Eigentümer und die nachrangigen Gläubiger der Pleitebank aufkommen – nicht der Staat. Schätzungsweise 4,4 Milliarden Euro an toxischen Vermögenswerten sind in die Bad Bank übergegangen.

Portugal

Staatskredit für zwei Jahre

Neben dem französischen Anteilseigner Crédit Agricole müssen auch alle übrigen Aktionäre und die nachrangigen Gläubiger schlimmstenfalls mit einem Totalverlust rechnen (siehe Grafik). Aufgabe der Bad Bank ist es, die toxischen Geschäfte nach und nach abzuwickeln. Dafür hat sie allerdings keine Banklizenz mehr und müsste, falls sie ihre Schulden nicht begleichen kann, insolvent gehen. „Wenn nichts mehr übrig ist, gehen die Gläubiger leer aus“, sagt José Brandao de Brito, Chefökonom bei der portugiesischen Bank Millennium BCP. „Der Staat ist nicht mehr im Boot.“

Dennoch könnte auch die verstaatlichte gute Bank, die Novo Banco, die Steuerzahler in den Euro-Ländern noch lange belasten. In sie wurden die Kundeneinlagen, fast alle Kredite sowie die vorrangigen Schuldtitel übertragen. Eigentümer des neuen Instituts ist der portugiesische Bankenabwicklungsfonds „Fundo de Resolução“. Dieser Fonds wird, wie der künftige Europäische Abwicklungsmechanismus SRM (Single Resolution Mechanism), aus Einzahlungen der Finanzinstitute gespeist und soll ab 2016 in einen europäischen Fonds überführt werden. Allerdings zahlen die Banken erst seit 2012 in den Rettungsfonds der Privatbanken ein, in ihm sind also gerade einmal 380 Millionen Euro angehäuft. Das reichte bei Weitem nicht aus, um die BES zu retten. Da traf es sich gut, dass Portugal aus dem Euro-Rettungskredit noch genügend Mittel übrig hatte, um die nötigen 4,9 Milliarden Euro als Darlehen an den portugiesischen Rettungsfonds beizusteuern.

So kreditwürdig sind die Eurostaaten
Das Centrum für europäische Politik (CEP) hat die Kreditfähigkeit der Euro-Staaten analysiert. Einen besonders intensiven Blick haben die Wissenschaftler auf Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien geworfen. Das Resultat: die Probleme, die zur Euro-Krise geführt haben, bestehen weiterhin - und haben sich sogar auf weitere Länder ausgeweitet. Quelle: dpa
Die Kreditfähigkeit von Spanien nimmt erstmals seit Einführung des Euros zu. Die Ampel für Spaniens Kreditwürdigkeit steht auf grün, das CEP vergibt beim Schuldenindex eine Wertung von 2,3. Ein positiver Wert des CEP-Default-Indexes bei gleichzeitigem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsüberschuss bedeutet: Das Land benötigt in der betrachteten Periode keine Auslandskredite, es steigert daher seine Kreditfähigkeit. Diese positive Entwicklung dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land noch weitere Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen umsetzen muss, um die in den Krisenjahren drastisch angestiegene Staatsverschuldung und die hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Quelle: dpa
Auch für Irland steht die Ampel auf grün. Der ehemalige Krisenstaat hat, wie die kontinuierliche Zunahme der Kreditfähigkeit seit 2010 zeigt, die Krise überwunden. Der Schuldenindex beträgt 6,7, ist also deutlich positiv. Aufgabe muss es nun sein, die Investitionen, die auf fast Null gesunken sind, zu steigern, um die Wirtschaft wieder voran zu treiben. Quelle: dpa
Für Portugal zeigt die Ampel dagegen rotes Licht: Zwar erodiert die portugiesische Kreditfähigkeit noch immer. Der ununterbrochene Anstieg des Schuldenindexes seit 2011 zeigt jedoch, dass Portugal erhebliche Anstrengungen unternommen und Anpassungen bewältigt hat. Derzeit beträgt der Index -2. Unbeschadet dieser positiven Entwicklungen ist es allerdings fraglich, ob Portugal bereits ohne weitere Finanzhilfen auskommen wird, wenn das Anpassungsprogramm Mitte 2014 ausläuft. Quelle: dpa
Auch Italien gehört zu den Ländern mit einer "verfestigten abnehmenden Kreditfähigkeit", wie es beim CEP heißt. Die seit 2009 zu beobachtende Erosion der Kreditfähigkeit von Italien dauere an. Gegenüber 2012 habe sich der Verfall beschleunigt. Es sei fraglich, ob sich dies auf absehbare Zeit ändere. Denn die hierfür notwendigen Reformen und Konsolidierungsmaßnahmen seien von der italienischen Regierung bisher nicht ergriffen worden. Quelle: dpa
Ganz mies ist die Lage in Griechenland: Mit einem Wert von -9,8 hat Griechenland die schlechteste Kreditwürdigkeit aller 31 untersuchten Staaten. Die Kreditfähigkeit des Landes verfällt weiter und zwar deutlich schneller als die aller anderen Euro-Länder. Die Wiedererlangung der griechischen Kreditfähigkeit ist nicht absehbar, die Ampel steht auf dunkelrot. Quelle: dpa
Eine negative Überraschung kam in diesem Jahr aus dem Norden Europas: Belgien und Finnland weisen im ersten Halbjahr 2013 erstmals eine abnehmende Kreditfähigkeit auf. Da beide Länder noch über Auslandsvermögen verfügen, ist die Schuldentragfähigkeit allerdings noch nicht unmittelbar bedroht, die Ampel zeigt gelb-rot. Der CEP-Default-Index liegt im Falle Belgiens bei -0,5, bei Finnland beträgt er -0,1. Ein negativer Wert kann auf zwei Arten entstehen: 1. Die Nettokapitalimporte übersteigen die kapazitätssteigernden Investitionen. Das Land konsumiert über das im Inland erwirtschafteten Einkommen auch einen Teil des Nettokapitalimports. Die Volkswirtschaft verschuldet sich folglich im Ausland, um Konsumausgaben finanzieren zu können. 2. Kapital verlässt das Land, so dass der gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo positiv ist. Gleichzeitig jedoch schrumpft der Kapitalstock. Das Land verarmt. Quelle: dpa

Der Fonds hat nun zwei Jahre Zeit, die Novo Banco zu privatisieren – idealerweise zu einem Preis von mehr als 4,9 Milliarden Euro. Andernfalls müsste er das dann ablaufende Staatsdarlehen durch einen Bankkredit oder eine sonstige private Verschuldung ersetzen. „Damit die Bank wirklich so bald wie möglich verkauft wird, erhöhen sich die Zinsen für den Abwicklungsfonds alle drei Monate um fünf Basispunkte“, sagte die portugiesische Finanzministerin Maria Luís Albuquerque.

Doch so schnell, wie die portugiesische Regierung es möchte, wird sie ihr Geld kaum zurückbekommen. „Kurz- bis mittelfristig ist nicht mit einer Reprivatisierung der Bank zu diesem Preis zu rechnen“, warnt Anna-Joy Kühlwein, Kreditexpertin der Landesbank Baden-Württemberg. Das werde ein langer Prozess über Jahre hinweg, wie zuvor in anderen Ländern. In Großbritannien oder in Spanien etwa habe der Staat zwar schon angefangen, erste Tranchen von der Lloyds Banking Group oder Bankia zu verkaufen, aber die Reprivatisierung sei auch dort noch lange nicht abgeschlossen. Das Vertrauen unter den Banken ist längst noch nicht wiederhergestellt.

Fünf Milliarden Euro ist kein hoher Preis

Portugiesische Analysten sehen die Chancen für den Verkauf optimistischer. Sollte sich Portugals Wirtschaft weiter erholen und die Novo Banco in die Gewinnzone zurückkehren, erscheine angesichts eines Bilanzwerts von derzeit rund 70 Milliarden Euro ein Preis von 4,9 Milliarden Euro oder mehr realistisch, hofft Brito von der Bank Millennium BCP. „Knapp fünf Milliarden Euro ist kein hoher Preis für eine Bank dieser Größe“, so Brito. Ein Einstieg bei der Novo Banco könnte eine gute Gelegenheit für Investoren sein, einen Fuß in den portugiesischen Markt zu setzen.

Investoren abgeschreckt

Die spanische Bank Santander, die sowohl in Portugal als auch in Brasilien wichtige Standbeine hat, hatte bereits früher einen Einstieg prüfen wollen. Doch der Pleitefall hat die Spanier erst einmal abgeschreckt. Vielleicht stecken weitere unentdeckte Altlasten in den Büchern.

Falls aber eine Reprivatisierung nicht gelingt oder die Bank weiterhin massive Verluste macht, bleibt das Risiko aus der Novo Banco beim Rettungsfonds. Dieser hat dann aber kaum noch Reserven, um andere Banken, die in Schwierigkeiten geraten und abgewickelt werden müssen, zu unterstützen. Notfalls könnte die Regierung in Lissabon dann doch in die Lage kommen, den Fonds mit einem weiteren Kredit zu unterstützen. Zwei Milliarden Euro aus dem noch nicht restlos verbrauchten Euro-Rettungskredit stünden ihr dazu noch zur Verfügung. Dieses Geld bräuchten die Portugiesen allerdings auch, falls im Zuge der Bilanzprüfung und des Stresstests der EZB weitere portugiesische Banken Kapital benötigten.

Erst ab 2016 soll die Bankenrettung in der Euro-Zone nach völlig neuen Regeln funktionieren. Dann sollen nicht mehr Steuergelder zum Verlustausgleich herhalten. Gemäß der vereinbarten Haftungskaskade müssen dann nach den Aktionären auch die vorrangigen Gläubiger und Kunden mit ihren Einlagen von mehr als 100 000 Euro an den Verlusten beteiligt werden. Nach Einschätzung von Experten hätten diese beiden Positionen im Fall der BES rund 20 Milliarden Euro ausgemacht. Der Staat hätte dann zwar nicht die Steuerzahler mit der Rettung belasten müssen – auf jeden Fall aber die Sparer.

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