Deutschland, Europa und der Westen insgesamt oder besser der politisch korrekte Mainstream, der diesen Teil der Welt erbarmungslos im Würgegriff hält, sind seit einigen Jahren schleichend und bisher nicht hinreichend erkannt, von einer neuen Volte der Verirrsinnigung erfasst worden. Der aktuelle Systemvirus soll hier Egalismus genannt werden. Es handelt sich um einen echten Ismus, einen grauenvollen Imperativ, um eine furchtbare und menschenverachtende Ideologie.
Die Vokabel Egalismus geistert inhaltslos und unbedeutend durch die Geschichte und auch durch das Internet. Zumeist mit einer dämlichen Bedeutung, zum Beispiel versehen als Synonym für "das ist doch egal" o.Ä. So gesehen ist der Begriff des Egalismus hier eine Art Wortneuschöpfung und mit einer neuen ganz eigenen Bedeutung zu verstehen.
Es geht um eine geradezu suchtartige, moralisch, legalistisch und auch verfassungsrechtlich pervers aufgeladene öffentliche Manie, um eine Ideologie nach der alle Menschen auf der Welt geradezu identisch seien.
Das Gleichheitsprinzip der Aufklärung
Im deutschen Grundgesetz ist festgeschrieben, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und auch die großen Weltreligionen sehen alle Menschen vor ihrer höchsten Instanz namens Gott gleich. Die Aufklärung hat diesem wertvollen Gleichheitsprinzip, die eine Errungenschaft der Menschheit ist, ihre moderne Schubkraft verliehen.
Aber dieses Gleichheitsprinzip bedeutet gerade nicht, dass alle Menschen identisch wären. Im Gegenteil: die deutsche Verfassung, die beispielhaft für die westlichen Rechtsordnungen steht, geht von der Realität aus, dass jeder Mensch ein Unikat, ein Individuum ist und mitnichten ein identisches Abziehbild aller anderen Menschen.
Wer die individuellen Entfaltungsrechte des Grundgesetzes sieht und nicht nur die Abwehrrechte, stellt fest dass die von der Verfassung anerkannte Realität eher von einer großen Diversifizierung der Individuen ausgeht, als von besonderer Ähnlichkeit. Die Menschen sind körperlich, geistig, seelisch, ihren Leistungswillen betreffend, ihre Glücksvorstellungen betreffend und in unendlich vielen anderen Hinsichten Individuen, die sich durchaus erheblich voneinander unterscheiden. Und doch sagt der westliche Mainstream heute, dass die Menschen mehr oder weniger geradezu identisch seien und behandelt jede andere Betrachtungsweise als ginge sie in Richtung Diskriminierung oder gar Rassismus.
Mit anderen Worten: der heutige Mainstream missversteht das Gleichheitsprinzip oder missbraucht es förmlich, in dem der menschenverachtende Irrsinn Platz greift, als bedeute die Tatsache, dass alle Menschen vor dem Gesetz und vor Gott gleich seien, dass die Menschen quasi identische Serienprodukte seien und deswegen austauschbar wären.
Differenzen werden atomisiert und vernebelt
Egalismus hat nichts mit der landläufig verwendeten Vokabel der Gleichmacherei zu tun. Egalismus ist eine wütende Fiktion, die sich rapide wie ein Lauffeuer verbreitet. Die objektiven Differenzen werden atomisiert, vernebelt und klein gemacht, so dass die öffentliche Empfindungslage die Realität der Individualität zunehmend minimiert.
Das in Europa geltende, undemokratisch an der Öffentlichkeit vorbei implementierte Gender-Recht liegt voll in diesem ideologischen Trend, nach dem Mann und Frau in Wahrheit (die bekanntlich über der Wirklichkeit steht) identisch, androgyn und nur Mensch und sonst gar nichts wären.
Die Fiktionen der Gleichheit okkupieren die Bildungspolitik in einer Weise, das man kalauern möchte, dass es lauter ungebildete Leute sind, die die Bildung nunmehr seit Jahrzehnten reformieren und reformieren und reformieren. Das neue politische Ideologiewort in der Bildung heißt Inklusion, was in der Praxis eine endgültige Nivellierung aller individuell unterschiedlichen Bildungsfähigkeiten von Kindern bedeutet. Viele Politikfelder sind vom Virus des Egalismus jedweder freien Entscheidung beraubt worden und die Dynamik geht weiter.
Kulturkreise, Volksgemeinschaften, Gesellschaften
Man kann Menschen bekanntlich gar nicht so ohne Weiteres aus der Prägung ihren individuellen Biographien herauslösen. Aber man kann es. In der Psychologie geht es ja gerade darum negative Einflüsse aus der Biographie, Traumata, handhabbar zu machen.
Kulturkreise, Volksgemeinschaften, Gesellschaften sind viel schwerfälliger als Individuen. Diese aus ihren Traditionen heraus zu reißen ist Generationenarbeit, weshalb die Zwangsintegration unterschiedlicher Kulturen, die in Europa unter der Fahne des Egalismus überall administriert wird, eigentlich ein furchtbarer und zum Scheitern verurteilter Ansatz ist.
Da könnte nur über einen sehr sehr langen Zeitraum harmonisch zusammen wachsen, was realiter höchst unterschiedlich ist. Aber das ist nichts für eine Legislaturperiode, in der zum Beispiel ein paar widersinnige Schulreformen alles richten sollen. Trotzdem ist dies der Ansatz der egalistischen Ideologie, die das Geschehen beherrscht: Kulturkreise, Volksgemeinschaften, Gesellschaften, auch Religionsgemeinschaften werden in dem Ungeist des Egalismus auf eine brutale, menschenverachtende Weise ihrer Individualitäten beraubt und auf eine sehr stupide Art gleich gesetzt und das alles um die Fiktion einer schnellen Integration aufrecht zu erhalten.
Um es zu wiederholen: es geht nicht um die Gleichheit vor der Verfassung oder vor einem Gott, sondern es geht um eine wahnhafte Wahrnehmung, dass die Individualität, dass die Differenzen nicht oder nur minimal existierten und dass jede realistische Beschreibung der Wirklichkeit ihrerseits ein überkommener Realitätsverlust wäre.
Individualitäten von Gesellschaften
Zwar wird gern damit gespielt, dass man Traditionen anerkennen müsse und dergleichen. Aber das sind in Wahrheit nur Schaumschlägereien, um im konkreten Diskurs öffentlich Punkte zu sammeln.
Wie sonst käme man auf den Gedanken im Westen zu sagen, dass man auf seinem Staatsgebiet mehr Menschen haben möchte und diesen Wunsch dadurch befriedigt, dass man aus anderen Kulturkreisen größere Gruppierungen von Menschen dort exportieren und hierzulande importieren könnte, ohne zu begreifen, dass man Menschen mit ihren Gruppen-Traditionen nicht einfach so hin und her schieben kann.
Auch hier wird mit Traditionen, Sitten und Gebräuchen unterschiedlicher Gesellschaften, die aufeinander treffen, im öffentlichen Raum heuchlerisch, scheinheilig, aber vor allem auch sachirrig bis zum Erbrechen herum gefuchtelt. Darüber aber gibt es die gnadenlose Fiktion, dass alle Menschen und Gesellschaften in Wahrheit so gleich seien, dass man sie unter dem Stichwort der Integration zu einer Kongruenz zusammenfügen, ja zusammenschmelzen könnte, die es in Wahrheit ohnehin gäbe und die nur von eingebildeten Unterschieden gestört würde.
Allerdings: Wertesysteme, Rechtsordnungen sind nicht gleich. Und sie sind auch nicht mit einer tumben Politik auszumerzen, um es etwas brutaler auszudrücken. Ein Beispiel sind die katholische und die evangelische Kirche, die sich über kleinste Fragen streiten und die sogenannte Ökumene nicht hinbekommen. Diese kleinsten Fragen sind offenbar trotz eines schon lange währenden Dialoges von Generation über Generation unüberwindbar groß.
Egalismus ist Ersatzreligion der Atheisten
Der Egalismus ist regelrecht zu einer Ersatzreligion des primär atheistisch dominierten Westens geworden, der sich von Religionen und den Religionsgemeinschaften, die er inkludieren will, in Wahrheit immer mehr entfernt. So wird im Egalismus des Westens als objektive Tatsache vorgegaukelt, dass alle Religionen im Kern und in Wahrheit mit der westlichen Philosophie und mit dem westlichen Naturrechtsverständnis, das für die höchste Rationalität gehalten wird, identisch seien. Nach der Devise: alle Menschen wollen nur das Gute und die westliche Vernunft sei bestens in der Lage die eigentlich nur eingebildeten Differenzen verschwinden zu lassen.
Der Egalismus befördert nicht die Integration, was er vorgibt zu tun, sondern er behindert sie in Wahrheit. Die teils enormen Differenzen zwischen Individuen und auch zwischen Gemeinschaften durch die Negierung ihrer Existenz zu entsorgen, ist Desintegration. Die Crux ist, dass sich der Egalismus selber als die Vollendung der übergeordneten Wahrheit betrachtet.
Egalismus und die Weltwirtschafts-und Finanzkrise
Was die Weltwirtschafts-und Finanzkrise und die Eurokrise anbelangt, leiden die im Wesentlichen vom Westen diktierten Rezepturen ebenfalls an dem beschriebenen Egalismus.
Alle Rettungsmaßnahmen zu Gunsten des Euro bis hin zur jüngsten Perfektionierung des ESM basieren auf der sachirrigen Annahme, dass jeder Euro an jedem Ort des Wirtschaftskreislaufes nicht nur weitgehend dieselbe Kaufkraft hätte, sondern auch denselben volkswirtschaftlichen Nutzen brächte. Und das ist erkennbar eine geradezu idiotische Annahme.
Euro ist nicht gleich Euro
Jede kommunale Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Deutschland weiß um diese unterschiedliche Wertigkeit eines Euro. Deswegen wird nur die Ur-Produktion gefördert. Industrie und produzierendes Gewerbe werden zum Beispiel mit Förderungsmaßnahmen in eine Gemeinde gelockt und dort angesiedelt, um direkt Arbeitsplätze zu schaffen. Die mittelbar gleichzeitig entstehenden Arbeitsplätze etwa in Handel und Logistik bekommen dagegen aus den knappen Fördertöpfen nichts. Und das ist vollkommen zu Recht so.
Ein Euro-Stück sieht aus wie das andere. Aber ein Euro in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal ist gesamtwirtschaftlich nicht dasselbe wie ein Euro etwa in Finnland, Holland, Deutschland oder Österreich und auch nicht dasselbe wie ein Euro in Frankreich. Wer das annimmt, unterliegt einem Irrglauben.
Abgesehen davon, dass eine alte Weisheit sagt, Not macht erfinderisch, kann man auch behaupten, Geld macht Ideen. Immerhin, was Kreativität und Fleiss und Können anbelangt, ist Geld jedenfalls eine recht ambivalente Größe.
Luxuserwartungen wurden geweckt
Die Schuldnerstaaten des Euro sind ja nicht ins Straucheln geraten, weil es dort in den letzten Jahren an Liquidität gefehlt hätte, sondern eher im Gegenteil die Schulden basierte Euro-Schwemme hat die Krise in den Schuldnerstaaten erzeugt. Man hat dort nicht nur schlecht gewirtschaftet, sondern man hat mit der Liquidität Unfug angestellt und obendrein noch Luxuserwartungen in großen Bevölkerungskreisen erweckt, die jetzt kaum mehr zu dämpfen sind, ohne dass es in den Schuldnerländern zu sozialen Konflikten kommt.
Jetzt die rentabel arbeitenden Volkswirtschaften der nördlichen Euro-Zone zu belasten, in dem man dort Euros abschöpft, die man in den nicht rentabel wirtschaftenden Süden schleppt, um dort in kürzester Zeit blühende Landschaften entstehen zu lassen, ohne, dass es einen real wirtschaftlichen Hintergrund für die Transferleistung gibt, enthält eine Komponente von Geldvernichtung.
Es heißt regelmäßig im veröffentlichten Bereich, dass eine globale Wettbewerbsfähigkeit der Südländer wieder hergestellt werden soll. Aber was heißt "wieder"? War Griechenland je in der Lage weltmarkttaugliche Produkte auf europäischem Spitzenniveau zu liefern? Diese Frage muss mit Nein beantwortet werden. Allerdings war Griechenland früher in der Lage mit seiner eigenen Währung, und nur mit dieser, den landestypisch bescheideneren Lebensstandard seiner Bevölkerung zu erwirtschaften.
Das Gesamtvermögen der Eurozone verliert an Wert
Von einer faktischen Gleichheit beispielsweise zwischen Südkorea und Griechenland, die noch vor wenigen Generationen auf gleichem Niveau funktionierten, kann keine Rede mehr sein. Ein in Südkorea investierter Euro wäre ein Euro ähnlich jenem, der in Nordeuropa investiert wird.
Aber jeder Euro, der jetzt auf noch mehr Pump in die Euro-Schuldnerländer geschickt wird, um dort wirtschaftliche Entfesselungskräfte freizusetzen, ist ein Risiko-Euro. Sozialbedingte Transferleistungen, die nichts mit Euro-Rettung zu tun haben, können eine sinnvolle Sache sein. Aber jeder Euro-Transfer, der in funktionierenden Volkswirtschaften ein Loch reißt und in den Zielländern keine volle Kompensation bewirkt, ist eine Fehlinvestition.
Euro-Rettung wird teuer für Deutschland
Das Gesamtvermögen der Eurozone verliert mit jeder auf bloße Euro-Rettung zielenden Transferleistungen von Nord nach Süd automatisch an Wert. Die Angleichungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Südens an die des Nordens braucht allerdings viel mehr Zeit die Euro-Rettung-Maßnahmen es ermöglichen. Auch hier werden vorhandene, objektive Differenzen erheblichen Ausmaßes fiktiv wie nicht existent behandelt.
Die Euro-Rettung wird für Deutschland und für die Nettozahler der Euro-Krise teuer oder gar sehr teuer. Und die Menschen in Deutschland und in anderen Zahlerländern werden dies spüren. Und die Wirtschaft, deren Vertreter im Egalitätskonzert mitspielen, wird es spüren.
Wer auf den Gedanken kommt die negativen Folgen der in Wahrheit auf ad Infinitum angelegten Transferleistungen durch ein großes Inflationsszenario zu mildern, muss wissen, dass eine artifiziell herbei geführte Inflation auf besonders unmoralische Weise erhebliche soziale Ungerechtigkeiten innerhalb der deutschen Gesellschaft zeitigt.
Kosmische Gleichheit
Es gibt immer einige Inflationsgewinner und viele Inflationsverlierer und unter diesen trifft es am härtesten die wirtschaftlich Schwächeren.
Im Euro-Rettungs-Rausch, der die Nehmer - und die Geberländer im Moment heimsucht, scheinen alle glücklich und ein paar Miesmacher sind da letzten Endes nur das Salz in der Suppe. Und doch ist es Bürgerpflicht darauf hinzuweisen, dass es die große kosmische Gleichheit nicht gibt und dass die Therapien gegen weltwirtschaftliche Krisenerscheinungen kontraproduktiv sind, wenn sie nicht die Differenzen im Blick haben.
Wer eine Krise beheben will und gleichzeitig alles identisch machen will und in Wahrheit dem Weltstaatsphantasma frönt, ist auf absehbare Zeit einem Scharlatan deutlich näher als einem vernünftigen Realpolitiker.
Merkel und Schäuble im Korrektheitswahn
Angela Merkel und Wolfgang Schäuble schweben in ihrem ganz speziellen politischen Korrektheitswahn. Und das Bundesverfassungsgericht fährt in Sachen europäische Gemeinschaften und Bundesrepublik Deutschland einen gefährlichen Eierkurs.
Griechenland ist ökonomisch gesehen von Deutschland so weit entfernt, wie die Drachme von der D-Mark es war. Und Ähnliches gilt auch für die anderen Schuldnerländer. Und das Frankreich eines gewissen Francois Hollande ist nicht Nord und nicht Süd, sondern stellt ein ganz eigenes volkswirtschaftliches Risiko dar. Schön, dass aus dem Kabinett Hollande eine rosige Konjunkturaussicht für das Land schon einmal propagiert wird.