Bettina Röhl direkt

EU: Endlich Protest aus der Wirtschaft!

Bettina Röhl Publizistin

Über fünf Millionen zum Teil gut ausgebildete junge Menschen in Europa sind arbeitslos. Aber die Konstruktionsmängel der Europäischen Union werden von der Politik systematisch klein geredet. Jetzt melden sich Unternehmer aus England, Schweden und Deutschland und fordern einen fundamentalen Umbau der EU.

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Unternehmer aus England, Schweden und Deutschland fordern einen fundamentalen Umbau der EU. Quelle: dpa

In einer konzertierten Aktion äußern sich Wirtschaftslenker aus Europa zum Thema der EU in der Sackgasse. Die deutsche Sektion der Firmenbosse, angeregt aus der Denkfabrik, lässt sich in der FAZ kritisch gegenüber der real existierenden Eurokratenpolitik aus.

Dass Wirtschaftsprofessoren und Profisachverständige aller Couleur ihre Stimme zur Euro-Krise und zu den Lösungsmöglichkeiten erheben, die EU, EZB, IWF oder die nationalen Institutionen der Euro-Mitgliedsländer anbieten, ist nichts Neues. Wissenschaftlicher Wettstreit und das Vertreten gegenläufiger Meinungen ist dabei selbstverständlich.

Jetzt aber haben sich die Macher aus der Wirtschaft - einige von ihnen erstmalig - zu Wort gemeldet. Das ist nicht nur gut so, das war längst überfällig. Politisch Farbe zu bekennen - das fällt den Wirtschaftslenkern allzu oft schwer. Gegen den Mainstreamdruck formulieren August Oetker (Oetker-Gruppe), Thomas Selter (Selter GmbH), Marie-Christine Ostermann (Rullko-Großeinkauf), Dr. Wolfgang Böllhoff (Böllhoff-Gruppe),  Michael Moritz (Catcap GmbH) und Dr. Martina Timmermann (Tima GmbH) ihre Perspektiven zu einer neu auszurichtenden Europa-Politik.

Kaufleute mahnen Kurswechsel an

"Die EU muss nicht ,immer enger' werden, sondern immer offener und flexibler: Die Vorstellung alle Länder Europas müssten im Gleichschritt marschieren, um immer mehr Brüsseler Vorgaben zu erfüllen, ist gescheitert. "verkünden die Firmenchefs. "Kompetenzen müssen nach dem Subsidiaritätsprinzip aufgeteilt und auch wieder an dezentrale Einheiten zurück verlagert werden können", also auf die nationalen Regierungen und Parlamente. Weiterhin erklären sie: "Demokratisch gewählte, nationale Parlamente sollten die Macht haben, ungewünschte oder unnötige EU-Regulierungen zu verhindern. Weitreichende Souveränitätsabtretungen bedürfen der Zustimmung der Volkes."

Wer arbeitet am härtesten in Europa?
Hier fasst sogar die Kanzlerin mit an. Dieses Bild vermittelt Angela Merkel zumindest bei der Versammlung der Schornsteiger-Innung in Mecklenburg-Vorpommern. Dass Merkel in den vergangenen Jahren zu Hause oder im Kanzleramt den Besen geschwungen hat, darf bezweifelt werden. Aber sie steht einer arbeitsamten Nation vor. Das jedenfalls glauben die Bürger in Europa, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unter insgesamt 7.573 Personen in sieben europäischen Ländern zeigt. Quelle: dpa
Für viele Deutsche ein Schreckensort, den man nicht gern aufsucht: die Arbeitsagentur. Doch vielleicht trägt auch die seit den Hartz-Reformen von 2003 geltende Politik des Förderns und Forderns, für welche die Arbeitsagentur Sinnbild geworden ist, dazu bei, dass die Deutschen immer bemüht und beschäftigt wirken. In allen einbezogenen Ländern sahen die Befragten die Deutschen als fleißigste der 27 EU-Nationen an, in Deutschland selbst sehen das 46 Prozent der 1.033 Befragten so. Quelle: dpa
Die Deutschen sind für ihr Handwerk weltbekannt, das als ordentlich, vertrauenswürdig und pünktlich gilt. Das ist sicher ein ideales Zerrbild, hier im Kreis Biberach mit der niedrigsten Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg symbolisch in Stein gefasst. Doch offenbar prägt die robuste Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt, die mit Sicherheit auch auf das Konto des produzierenden und baulichen Gewerbes mit seinen relativ stabilen 10,3 Millionen Arbeitsplätzen geht, das deutsche Image im europäischen Ausland. Quelle: dpa
Ebenfalls europäische Musterschüler sind – aus der Sicht der Deutschen – die Schweden. Zwölf Prozent der Befragten nennen die Wahlheimat von Fußball-Arbeitstier Zlatan Ibrahimovic die „am härtesten arbeitende Nation“. Vielleicht liegt der Anschein aber auch in dem Glamour und der Ordnung begründet... Quelle: dpa
...die man einer konstitutionellen Monarchie instinktiv zuordnet. Die Hochzeit von Prinzessin Madeleine und Christopher O'Neill am 8.Juni hat sicher auch eine Menge Arbeit bereitet, in die sich schwedische Angestellte stürzen durften. Quelle: dpa
Kritiker monieren, der Eindruck täusche. Angesichts von mehr und mehr Stellen im Niedriglohnsektor – 2012 nach offiziellen Zahlen 7,5 Millionen Menschen oder knapp 23 Prozent der Erwerbstätigen und damit – herrsche auf dem deutschen Arbeitsmarkt alles andere als eine gute Situation. Laut Statistischem Bundesamt waren 2010 rund 52 Prozent der ausschließlich in einem Minijob Beschäftigten damit unzufrieden, wollten eine volle Stelle. Nicht für alle arbeitswilligen Bürger gibt es die passende Arbeit, doch das trübt offenbar das Bild der Deutschen im Ausland nicht, von Hartz-IV-Schmarotzern spricht dort keiner. Quelle: dpa
Das Bild ist sogar so positiv, dass etliche Personen aus anderen Ländern nach Deutschland zum arbeiten kommen. Etwa diese rumänischen und polnischen Erntehelfer, die Spreewaldgurken sortieren. Die Deutschen bewerten ihre Nachbarn hingegen zurückhaltend. Während Polen in der YouGov-Umfrage noch ziemlich gut abschneidet und gemeinsam mit Großbritannien und den Niederlanden zumindest von zehn Prozent der deutschen Bürger als arbeitsamste Nation angesehen wird, landet Rumänien abgeschlagen auf Platz 13 von 27 bewerteten Ländern. Quelle: dpa

Auch die überbordenden Subventionen in der EU wie zum Beispiel Agrar, die einen großen Teil des Brüsseler Etats ausmachen, wollen sie unter dem Stichwort "Das EU-Transferkarussell anhalten" zurück fahren. Und erklären weiter: "Immer höhere Kosten der Bürokratie und Regulierung entstehen in Brüssel und lasten vor allem auf kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen. Weniger, aber bessere Regeln stärken die Akzeptanz der EU und geben den Leistungsträgern Luft das zu tun, was sie am besten können: Innovationen auf die weltweiten Märkte bringen."

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