Brexit-Durchbruch in Brüssel Die Skepsis bei britischen Unternehmern wächst

Die britische Premierministerin Theresa May und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben einen Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen verkündet.

Die Erleichterung über den Brexit-Durchbruch ist bei britischen Unternehmen nur kurz, denn die nächste Brexit-Verhandlungsphase wird noch schwieriger. Was die britische Wirtschaft jetzt braucht, welche Probleme bleiben.

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Ein übernächtigter Brexit-Minister David Davis fiel EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker um den Hals, Premierministerin Theresa May beließ es bei einem festen Händedruck. Szenen am Ende einer langen Verhandlungsnacht, Freitagmorgen in Brüssel. Als Reaktion auf den dort erzielten Durchbruch bei den Brexit-Gesprächen legte das Pfund kräftig zu und kletterte gegenüber dem Euro auf seinen höchsten Stand seit beinahe sechs Monaten.

Mit Erleichterung reagierten auch die Unternehmen auf der Insel und auf dem europäischen Kontinent auf die Nachricht, dass ein Scheitern der Scheidungsverhandlungen in letzter Minute vermieden werden konnte. Priorität für sie: nun bestehen gute Aussichten für den Beginn der eigentlichen Verhandlungen über die künftigen Handelsbeziehungen und die von der Wirtschaft so dringend gewünschte Übergangsperiode.

Gleichzeitig mischte sich in ihren vorsichtigen Optimismus aber auch ein großer Schuss Skepsis. Denn in den drei Schlüsselproblemen Finanzen, EU-Bürgerechte und der Grenze zwischen der Republik Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland, die als Voraussetzung für den Abschluss der Gespräche über die Austrittsbedingungen gelöst werden mussten, waren zwar Kompromisse erzielt worden. Die kontroverse Grenzfrage in Irland ist aber prinzipiell ungelöst. Denn es gilt: „Dass nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist“, wie die Chefin der nordirischen Protestantenpartei DUP, Arlene Foster, unverzüglich drohte. Das irische Grenzproblem ist nur aufgeschoben, es könnte alles zum Scheitern bringen.

Deshalb betont Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer in London, ein „No Deal“, bleibe auch weiterhin eine Möglichkeit. Zwar ist die Stimmung bei den deutschen Unternehmen am heutigen Freitag besser als noch vor einigen Wochen, als 87 Prozent in einer Meinungsumfrage erklärten, sie glaubten nicht an einen positiven Abschluss der Brexit-Verhandlungen bis Ende März 2019.

Phase 2 ist der schwierige Teil, die Risiken groß

Doch Hoppe warnt, es dürfe nicht vergessen werden, dass die erste Runde relativ einfach war. Erst jetzt kommen die eigentlichen Hürden: „Die zweite Phase birgt viele Risiken, denn nun geht es um jede Menge Einzelfragen, die innerhalb der nächsten neun bis zwölf Monate gelöst werden müssen“. Dazu zählen neben der grundsätzlichen Frage nach dem künftigen Handelsmodell vor allem die Sicherung von Lieferketten, der Zugang zu Fachkräften aus der EU und die Frage nach Zöllen und den künftigen Grenzkontrollen. Die Unternehmen fürchten lange Verzögerungen bei der Grenzabfertigung, kostspielige Zeitverlusten bei der Produktion und kilometerlange LKW-Staus im Grenzgebiet. Da die britische Regierung nach dem Brexit aus dem Binnenmarkt und der Zollunion auszusteigen will, wollen die Firmenchefs wissen, mit welchen Steuern, Zöllen und Produktstandards sie künftig im Handel mit der EU rechnen müssen, denn rund 40 Prozent der britischen Ausfuhren gehen in die EU, dem größten Exportmarkt Großbritanniens. „Es muss absolute Klarheit geschaffen werden“, so Adam Marshall, Chef der britischen Handelskammern BCC.

Edwin Morgan vom Institute of Directors (IoD), dem Verband der leitenden Angestellten, lobt zwar, dass ein ganz harter Brexit, bei dem der Warenaustausch zwischen der EU und Großbritannien nur noch zu den Bedingungen der Welthandelsorganisation WTO möglich gewesen wäre, nun vermieden wurde. In den nächsten Monaten müsse die Regierung aber noch viel stärker auf die Bedürfnisse und Sorgen der Industrie eingehen und da „wünschen wir uns eine Intensivierung des Dialogs, häufigere Gespräche und einen Austausch, in dem es um spezifische Details – für einzelne Branchen – gehen muss“.

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